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Georg Baselitz zeigte sich beim Empfang auf dem Pfingstberg hoch erfreut.

© Andreas Klaer PNN

Georg-Baselitz-Schau in Potsdam: Pferde, Rehe und Hirsche im Tempel

Im Pomonatempel auf dem Pfingstberg sind nun Zeichnungen vonGeorg Baselitz zu sehen. Mit den Werken weicht der prominente Künstler vom früheren Stil ab. 

Potsdam - Als Karl Friedrich Schinkel im Jahr 1800 den Pomonatempel am Belvedere auf dem Potsdamer Pfingstberg ersann und dieser erbaut wurde, war er 19 Jahre alt. Es war der erste eigene, ausgeführte Bau des späteren Architekten und Leiters der Oberbaudeputation. Schinkel stand ganz am Beginn seiner Karriere. 

Davon ist Georg Baselitz weit entfernt. Der bekannte Künstler ist mit 84 Jahren längst eine gestandene Größe in der modernen Malerei. Rund um den Globus hat der gebürtige Sachse, der eigentlich Hans Georg Kern heißt, bereits seine Werke ausgestellt. 2012 waren schon einmal Bilder von ihm in Potsdam zu sehen, damals in der Villa Schöningen. Diesmal stellt er im Pomonatempel aus und erinnert – 221 Jahre nachdem der Bau eröffnet wurde – mit neun mittelformatigen Papierzeichnungen an die Ursprünge des Gebäudes und dessen Schöpfer Schinkel. 

„Hier ist ein Gesamtkunstwerk entstanden. Die ganze Anlage ist etwas Einmaliges, nie Gesehenes“, sagte Baselitz am Samstag bei der Eröffnung seiner Ausstellung mit dem Titel „Schinkel nach Athen tragen“, der auf die griechischen Wurzeln des klassizistischen Pomonatempels verweist. 

Baselitz zeigt sensible Zugewandtheit

Bekannt ist Baselitz sonst vor allem für figurative und expressive Gemälde. Die Zeichnungen, die er im Pomonatempel ausstellt, sind hingegen ganz anders als seine Werke zuvor. Und sie erweisen sich als einfühlsame Notationen. Für die Ausstellung ließ Baselitz Rahmen fertigen, die auf Originalzeichnungen Schinkels basieren, und zeigt damit eine sensible Zugewandtheit zu diesem Ort. 

Der Innenraum des Tempels ist mit einem dunkelroten Stoff ausgeschlagen, der ein spezielles Moiré-Muster zeigt. Mit dünnflüssiger Farbe sind die gerahmten Bilder auf Papier gemalt. Offenkundig wurden die Blätter beim Malvorgang mehrfach gewendet, sodass die Farbe in unterschiedliche Richtungen gelaufen ist. So sind kleine Bäche und Farbrinnsale auf dem Papier entstanden, die sich bei näherem Betrachten als Tierzeichnungen erweisen. „Das sind Pferde, Hirsche, Rehe“, erklärt der Kurator der Ausstellung, Cornelius Tittel. 

Neun mittelformatige Zeichnungen von Georg Baselitz sind in der Ausstellung im Pomonatempel zu sehen.  
Neun mittelformatige Zeichnungen von Georg Baselitz sind in der Ausstellung im Pomonatempel zu sehen.  

© Andreas Klaer PNN

Entsprechend den Gepflogenheiten des Malers stehen die Zeichnungen auf dem Kopf. Und dieser künstlerische Ansatz bekommt ihnen gut. Er ermöglicht das Erkennen der Tierfigur, hebt aber zugleich den Eigenwert der dünnflüssig gemalten Linien und Verschlingungen hervor. 

Tierfiguren keine Anspielung auf griechische Mythologie

Wer vermutet, dass die Tierfiguren eine Anspielung auf die griechische Mythologie und ihre vielen Vierbeiner wäre, irrt jedoch. Das sei nicht beabsichtigt gewesen, sagt Kurator Tittel. Es sei vielmehr der Blick aus dem Tempel heraus, der den Künstler inspiriert habe. Denn das Belvedere und auch der Tempel sind an einem einmaligen Aussichtspunkt errichtet. 

Dort öffnet sich ein weiter Blick über die brandenburgische Landschaft, unterstrichen und eingesäumt von Wiesen und Bäumen. Früher sei man hier mit der Kutsche hinauf gefahren, habe den Blick genossen und gelegentlich sei möglicherweise ein Reh aus dem Busch getreten. Das sei es, woran der Künstler gedacht habe, sagt der Kurator. 

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Das Gesamtkunstwerk ist mit Unterstützung der Galerie Contemporary Fine Arts (CFA) entstanden. „Für die Bespannung der Wände mit dem Tuch haben wir extra mit einem Bühnenbildner vom Film zusammengearbeitet“, erklärt Bruno Brunett von CFA. Darunter befindet sich eine Zeichnung der Berliner Künstlerin Elisabeth Sonneck. Sie hat 2011 das Tempelinnere mit „Silikatlasuren auf Wand/Temperaturen in Schinkels Blau“ in verschiedenfarbigem, monochromem Blau gestaltet. 

Und die Bemalung durfte auf keinen Fall beeinträchtigt werden, weil es sich um ein eigenständiges Kunstwerk handelt. Deshalb ist das Tuch auf eine aufwendige Rahmenkonstruktion aufgezogen worden, die zwischen die Wände geklemmt wurde, so Brunnet. 

Baselitz bricht Prinzipien

Baselitz’ Kunstwerke sind nicht die ersten, die in dem Tempel zu sehen sind. Auch andere Künstlerinnen nutzten ihn schon. So veranstaltete die Kuratorin und Künstlerin Ellen Kobe im Rahmen der von ihr organisierten Ausstellung „hochZeiten!“ im Jahr 2013 ein fiktives Hochzeitsritual. „Heirate dich selbst“ war der Titel der Performance mit autoreflexivem Jawort. 
Gedacht war das Gebäude einst als Teepavillon. Zu DDR-Zeiten verfiel dann die ganze Anlage des Belvedere, inklusive des Tempels, und musste nach dem Mauerfall von einem privaten Verein mühsam wieder aufgebaut werden. Das gelang, heute erstrahlt der einmalige Aussichtspunkt in historischem Glanz. 

Offenbar so sehr, dass Baselitz dafür seine Prinzipien brach. In einem Aufsatz hatte Baselitz 1979 erklärt, er wolle nie in einem Tempel oder im Centre Pompidou in Paris ausstellen, da er beide Gebäude für denkbar ungeeignet zur Präsentation von Bildern halte. Gegen beide Maximen hat er nun verstoßen, was dem Tempel in Potsdam allerdings neue Aufmerksamkeit beschert – und das verdientermaßen.

Richard Rabensaat

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