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DJ Fabian Vallone legt in der Coronakrise in Potsdam ohne Publikum auf.

© Privat

Geisterpartys im Kesselhaus: Das Wohnzimmer wird zur Tanzfläche

Das Wohnzimmer wird während der Coronakrise zur Tanzfläche. DJs streamen jeden Samstag live im Internet aus dem Waschhaus.

Potsdam - Vor einer leeren Tanzfläche auflegen – was normalerweise der Albtraum eines jeden DJs ist, ist derzeit die einzige Möglichkeit, die Partykultur ein wenig am Leben zu erhalten. Über die Plattform „United We Stream“ übertragen Berliner Clubs seit einer Woche Live-Sets berühmter DJs ins heimische Wohnzimmer und auch in Potsdam überbrücken DJs wie berichtet auf diese Weise den unterbrochenen Clubbetrieb.  

Auch die Resident DJs vom Waschhaus und dem Studentenkeller Nil haben sich zusammengetan und legen jeden Samstag ab 20 Uhr live unter dem Titel „Potsdamer DJ Stream“ für alle Tanzwütigen auf, die gezwungenermaßen zu Hause bleiben müssen. „Uns fehlen die Partys“, sagt Fabian Vallone, der regelmäßig Partys im Waschhaus veranstaltet und auch selber dort seit vier Jahren auflegt. „Wir wollen den Leuten etwas anbieten, jetzt wo alles geschlossen hat. Außerdem wollen wir ja nicht einstauben und weiter am Ball bleiben.“ 

Buntes Programm

Wer am Samstagabend auf einer der jeweiligen Plattformen wie Twitch, YouTube oder Facebook bei „Potsdamer DJ Stream“ einschaltet, sieht das Innere des Kesselhauses: Wie bei einer normalen Party ist ein DJ-Pult aufgebaut, inklusive entsprechender Beleuchtung. Wer an welchem Abend auflegt, wird bei Facebook angekündigt, mit dabei sind ein knappes Dutzend lokaler DJs, die sonst auch im Waschhaus, im Pub à la Pub oder bei Stadt für eine Nacht auflegen. 

Das Programm ist bunt gemischt: Vallone hat sich auf R'n'B und Dancehall spezialisiert, sein Kollege TnO legt House und Chill Out auf, bei Svenska gibt es Schlager, 90er und 2000er zu hören und Alex Smith liefert klassischen Techno. „Wir versuchen, jeden glücklich zu machen“, sagt Vallone. 

Da das Publikum anders als bei „United We Stream“ nicht ganz so groß ist, wird nicht die ganze Nacht hindurch gesendet, sondern nur zweieinhalb Stunden, pro Set legt meist nur ein DJ auf. „Im Schnitt schalten die Leute etwa eine halbe Stunde ein“, sagt Vallone. 

„Das ist schon komisch“

Für die DJs ist es ungewohnt, in einem leeren Raum aufzutreten: Vor dem DJ-Pult befindet sich lediglich ein weiteres Pult mit einer Kamera. „Das ist schon komisch, aber dadurch, dass wir wissen, dass uns viele Leute live zusehen, ist es trotzdem ein wenig wie eine Party im Waschhaus.“ Jeder DJ moderiert sein Set zu Beginn an, einige tanzen auch zu ihrer eigenen Musik. Publikumsreaktionen aufzunehmen oder mit den digitalen Zuschauern zu interagieren, ist jedoch schwierig. Für den kommenden Samstag wollen Vallone und seine Kollegen einen Chat einrichten, wo man Reaktionen posten oder Musikwünsche äußern kann. „Wünsche nehmen wir sonst nicht entgegen, aber der Stream ist ja nicht nur für uns, sondern für die Leute da draußen.“ 

Idee entstand vor der Krise

Tatsächlich ist das Projekt ursprünglich gar nicht aus der Coronakrise geboren worden: Schon im November vergangenen Jahres hatten Vallone und sein Team die Idee, jeden Freitagabend ein DJ-Set live in Internet zu streamen, um Potsdamer Party-Fans auf das Wochenende einzustimmen. Vorbild ist das Format Boilerroom, bei dem DJs beim Auflegen gefilmt werden, während sie mitten im Publikum stehen. „So etwas gibt es hier in Potsdam noch nicht“, sagt Vallone. Daher fand die erste Ausgabe von „Potsdamer DJ Stream“ auch nicht erst nach den Clubschließungen statt, sondern viel früher: Sechs Streams wurden bereits gesendet. Das kommt an: „Ein Stream wurde ins Pub à la Pub übertragen und dann sagten einige Leute ganz überrascht: Hey, den DJ kenne ich doch“, so Vallone. 

Um ihren Zuschauern etwas zu bieten, planen die DJs künftig noch mehr Abwechslung in die Live-Streams zu bringen: So sollen die Auftritte etwa nicht nur frontal gefilmt werden, sondern aus mehreren Perspektiven. „Wir haben zum Beispiel eine bewegliche Seil-Kamera oder wollen auch Hand-Kameras einsetzen“, sagt Vallone. Auch nach der Coronakrise solle das Format weitergeführt werden.  

Auch Spenden an die DJs sind möglich

Wer will, kann den DJs etwas spenden, denn die meisten ihnen sind Freiberufler und müssen durch die Absage aller Veranstaltungen herbe Gehalts-Einbußen hinnehmen. Für Vallone, der im Hauptberuf als Social Media Manager arbeitet, fallen durch die Schließung des Waschhauses rund 50 Prozent seiner Einkünfte weg. „Das fehlt mir natürlich, daher bin ich froh, dass es jetzt das Rettungspaket für Freiberufler und Selbstständige geben soll.“ Bis dahin werden er uns seine Kollegen weiterhin jeden Freitag um 20 Uhr online auflegen. „Damit die Potsdamer die beste Partymusik der Stadt nach Hause bekommen“, wie Vallone sagt.

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