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Landeshauptstadt: Gegen die Wortgewalt der Politiker Die Waldorfschule lud zur Podiumsdiskussion

Noch sehen sie ein wenig nervös aus. Anna,16, und Friedemann,15, Schüler der Waldorfschule Potsdam sitzen mittig an einem langen Tisch.

Von Sarah Kugler

Noch sehen sie ein wenig nervös aus. Anna,16, und Friedemann,15, Schüler der Waldorfschule Potsdam sitzen mittig an einem langen Tisch. Links und rechts von ihnen nehmen nach und nach Politiker verschiedener Parteien Platz. Dann steht Anna auf, jede Nervosität ist aus ihrem Gesicht verschwunden. Selbstbewusst blickt sie in das Publikum und eröffnet mit den Worten „Herzlich willkommen zu unserer Podiumsdiskussion.“

Im Rahmen des Projektunterrichtes lud die Oberstufe der Waldorfschule Potsdam am Dienstag Politiker des gesamten politischen Spektrums ein, um mit ihnen über die Wahlprogramme und vor allem über Jugendpolitik zu diskutieren. Der Einladung folgten Clara Jongen von den Piraten, Uwe Fröhlich von den Grünen, Norbert Müller von den Linken, David Kolesnyk von den Jusos der SPD, Steeven Bretz von der CDU, Barbara Wolff von den Freien Wählern und Steffen Königer von der Alternative für Deutschland.

Die Verwaltungsvorschrift, die es staatlichen Schulen untersagt, sechs Wochen vor der Wahl Parteienvertreter einzuladen, gilt an der Waldorfschule nicht. Denn für Schulen in freier Trägerschaft greift die Privatschulfreiheit.

Insgesamt acht Wochen beschäftigen sich die Schüler in vier Stunden pro Woche intensiv mit den Parteien, dem Wahlsystem und nehmen auch an der Juniorwahl teil. Dabei können sich alle Schüler ab der siebten Klasse, die unter 18 Jahre alt sind, an einer simulierten Wahl beteiligen, die von ihnen selber organisiert wird. Sie wird in der Woche vor dem jeweiligen Wahlsonntag durchgeführt. Am Sonntag um 18 Uhr wird das Ergebnis dann bekannt gegeben. „In unserem Projektunterricht hat jeder seine Aufgabe“, erzählt Sibylla Hesse, Lehrerin und Leiterin des Projektes. „Jeder wird involviert und muss sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen.“

Bei der Podiumsdiskussion geht es vor allem darum, rhethorische Kompetenzen zu stärken und sich nicht von den wortgewaltigen Floskeln der Politiker einschüchtern zu lassen. Das müssen die Schüler auch gleich zu Beginn unter Beweis stellen, als die Politiker sich jeweils in zwei Minuten zur Jugendpolitik äußern sollen und Norbert Müller die Zeit deutlich überschreitet. Höflich, aber bestimmt wird er unterbrochen. Unterstützung bekommen die beiden Moderatoren Anna und Friedemann dabei von Benedikt und Jakob aus der 13. Klassenstufe. In knapp zweieinhalb Stunden diskutieren die Parteien mit den Schülern über Kürzungen im Bildungssystem, Sicherheit im Internet und die Staatsverschuldung. Die Jugendlichen kommentieren ausufernde Antworten auch mal mit einem trockenen „Na, das war wenigstens mal ehrlich“, und leiten souverän die Runde: „Lassen Sie das jetzt so auf sich sitzen?“

Immer wieder greifen sie ein, haken nach und unterbrechen die Politiker. Auch für Fragen aus dem Publikum schaffen sie Raum. „Warum hat denn die Politik im Vorhinein nichts dagegen getan, dass man beim Sms-Schreiben und Co zum gläsernen Menschen wird“, wirft die 15-jährige Rebecca ein. Eine Antwort erhält sie allerdings nicht. „Irgendwie sind die Politiker nicht wirklich auf die Frage eingegangen“, meint die 15-jährige Laura nach der Diskussion. Anna stimmt ihr zu. „Ich habe das Gefühl, ich muss mir die Antworten aus den vielen großen Worten selber zusammensuchen.“ Eine andere Schülerin hakt am Ende noch mal nach. „Eigentlich geht es ja hier um Jugendpolitik“, sagte sie. „Vielleicht könnten Sie dazu noch mal ein konkretes Statement abgeben.“

Hier sind sich dann auch alle Parteien einig. Junge Menschen sollen mehr in die Politik mit eingebunden werden und sie sollen mehr Raum für ihre Freizeitgestaltung bekommen. Am Ende loben sie alle das Projekt: „Hat Spaß gemacht mit euch“, sagt Steeven Bretz. Auch die Schüler sind zufrieden mit dem Abend. „Man hat einen persönlichen Eindruck bekommen“, sagt Rebecca, „und gesehen, dass die Parteien aus vielen einzelnen Menschen bestehen“. Sarah Kugler

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