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Ein neuer Stadtteil. 120 Hektar ist das Kasernengelände groß. Nach den Vorstellungen der Stadt soll es bis 2023 zum Wohnquartier für 3800 Menschen entwickelt sein.

© K.-D. Gabbert

Landeshauptstadt: Gegen die „Schöne Aussicht“

Sechs Krampnitz-Anrainer haben gegen die Entwicklungspläne für die Militärbrache geklagt. Sie fürchten um ihre Lebensgrundlage

Die Pläne für das neue Stadtviertel Krampnitz werden von einer weiteren Seite juristisch torpediert. Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg haben Potsdamer Bauern, die ihre landwirtschaftlich genutzten Grundstücke zugunsten des Großprojekts verkaufen sollen, jetzt Klage gegen die von den Stadtverordneten bereits beschlossenen Pläne eingelegt. Den PNN liegen Auszüge der Klage vor, in der schwere Vorwürfe gegen die Planungen der Bauverwaltung und der mit dem Projekt betrauten städtischen Bauholding Pro Potsdam erhoben werden. Die Beklagten kommentieren die Anschuldigungen derzeit nicht. Auch von den früheren, ins Zwielicht geratenen Käufern der Krampnitz-Kaserne, der TG Potsdam, wird das Projekt juristisch angefochten (siehe Kasten). Die PNN geben einen Überblick.

Wer hat geklagt?

Erhoben hat die neue Klage die Berliner Anwältin Christiane Columbus, die unter anderem die bekannte Bauernfamilie Ruden aus Fahrland vertritt. Familie Ruden hatte von Anfang an Kritik an den Planungen geübt und gar von drohenden Enteignungen gesprochen. Den PNN sagte Columbus, mit der Klage werde angestrebt, die Entwicklungssatzung für Krampnitz aufzuheben, die die Stadtverordneten Mitte 2013 beschlossen hatten. Mit dem Vorhaben werde rechtswidrig in die Eigentumsrechte ihrer Mandanten eingegriffen, so die Juristin. Diese sollen zwar Geld und Ersatzgrundstücke erhalten. „Aber sie wollen ihre angestammten Flächen als ihre Lebensgrundlage behalten und bewirtschaften – ohne sie wären sie in ihrer Existenz bedroht“, sagte Columbus. Unter anderem geht es um den südlichen Aasberg, auf dem private Investoren in einem „Schöne Aussicht“ genannten Areal Luxusbauten errichten sollen, um damit für die Stadt die Entwicklung des Viertels zu finanzieren. Zu diesen Plänen seien mögliche Alternativen nicht ausreichend geprüft worden, so Columbus. Der Streitwert liegt laut OVG bei 120 000 Euro, geklagt haben sechs Anrainer.

Bis zum Jahr 2023 soll auf dem 120 Hektar großen ehemaligen Kasernengelände Krampnitz ein neues Viertel mit 1600 Wohnungen entstehen. Rund 3800 Menschen könnten dort nach Projektabschluss leben. Angesichts des rasanten Wachstums der Stadt sei die Maßnahme nötig, argumentiert die Stadtverwaltung. Die Stadtverordneten hatten beschlossen, das frühere Kasernengelände als Entwicklungsgebiet auszuweisen. Damit steht der Stadt eines der schärfsten Instrumente des Städtebaurechts zur Verfügung: Sie kann die Grundstückspreise auf dem Gelände einfrieren, die Flächen selbst kaufen und sie nach ihren Vorstellungen von privaten Investoren bebauen lassen. Daran hat Anwältin Columbus allerdings grundsätzliche Zweifel: „Potsdam hat sich mit dem Entwicklungsbereich verhoben.“

Grundsätzliche Zweifel

In der Klageschrift der Bauern werden grundsätzliche Zweifel an den Krampnitz-Plänen geäußert. Unter anderem heißt es: „Die Durchführung der Maßnahme ist auch deswegen unwahrscheinlich, weil die Finanzierung nicht gesichert ist.“ Die Kläger fürchteten daher, dass es letztlich nie zu einer Realisierung kommen werde, ihnen aber zuvor dennoch die für ihre landwirtschaftlichen Betriebe erforderlichen Flächen entzogen würden, „und zwar nur, um dieses übergroße Vorhaben zu finanzieren, das am Ende nie wird abgeschlossen werden können“. Unter anderem solle die Beräumung des Kasernengeländes aus den Verkaufserlösen der parallel bereits gebauten Häuser finanziert werden. „Doch ob es eine Nachfrage nach Wohnraum in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem verunreinigten, ungesicherten und verfallenen Kasernenareal überhaupt geben wird, ist zu bezweifeln.“ Der gesamte Bereich werde jahrelang eine Riesenbaustelle bleiben – mit negativen Folgen für die Vermarktungsmöglichkeiten.

Auch seien die Kosten für die Altlastenbeseitigung, Kampfmittelberäumung und denkmalrechtlichen Auflagen zu niedrig geschätzt, so Columbus. Bei den Altlasten geht es beispielsweise um das giftige Lösungsmittel Trichlorethen, das im Bereich einer ehemaligen Wäscherei versickert ist – in den Plänen der Stadt ist von Sanierungskosten von rund 3,5 Millionen Euro die Rede, die vom Land Brandenburg übernommen würden. In der Klage heißt es hingegen, es seien keine tiefergehenden Untersuchungen des Erdreichs erfolgt. Daher sei auch das Ausmaß der Kontaminierung nicht absehbar. Das sei auch bei anderen Altlasten wie Kraft- und Schmierstoffen der Fall.

Wie geht es nun weiter?

Mit einer Entscheidung über die Klage sei vermutlich nicht vor einem Jahr zu rechnen, sagte eine OVG-Sprecherin. Für die unterlegene Seite wäre die nächste Instanz das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Stadt Potsdam und auch die Pro Potsdam, die über eine Tochtergesellschaft die Krampnitz-Entwicklung koordinieren soll, wollten sich zu den einzelnen Punkten der Klage auf Anfrage nicht äußern. Dies werde man bei der Erörterung im Gerichtsverfahren tun, hieß es. Gleichwohl sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow, die Entwicklung von Krampnitz sei „eine der wichtigsten Aufgaben in den kommenden Jahren, um weiteren Wohnraum zu schaffen“. Schon das zweifelt Anwältin Columbus an: Es sei nicht ersichtlich, ob die Stadt Potsdam alle Möglichkeiten in Betracht gezogen habe, den Wohnbedarf ohne das Stadtviertel Krampnitz zu decken. Brunzlow dagegen sagte, die Stadtverwaltung sei sicher, dass die Entwicklungsmaßnahme ein Erfolg werde und damit mehrere Hektar Militärbrache künftig zivil genutzt werden: „Andere Städte beneiden uns um die Möglichkeit, das Potenzial für die Entwicklung eines solchen Gebietes zu haben. Alle anstehenden Aufgaben sind lösbar.“

Anwältin Columbus sagte, wenn es eine Einigung darüber gebe, dass die Grundstücke ihrer Mandanten nicht in die Krampnitz-Pläne einbezogen würden, könne man die Klage wohl zurücknehmen. Die Stadt geht in ihrem Krampnitz-Konzept davon aus, dass ohne die Bebauung des Aasbergs Mehrkosten in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro für den kommunalen Haushalt entstünden. Doch gerade diese Fixierung auf den Aasberg kritisiert Columbus. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestehe dafür auch keine ausreichende Rechtsgrundlage: Schließlich müsse eine Entwicklungsmaßnahme der nötigen Schaffung neuen Wohnraums dienen. So könnten die angefochtenen Pläne für den Kern des Kasernengeländes zwar durchaus eine rechtliche Grundlage haben – nicht aber für das Teilkonzept am Aasberg, so Columbus: „Gibt es für die großzügig geplanten Luxusvillen tatsächlich einen erhöhten Bedarf und kann das nach dem Baugesetzbuch eine Enteignung und Gefährdung von Existenzen rechtfertigen?“ Das ist eine spannende Frage für die Oberverwaltungsrichter.

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