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Wie gut sind Geflüchtete in Potsdam integriert?

© picture-alliance/ dpa

Geflüchtete in Potsdam: Wie weit ist die Integration?

Integration ist ein Prozess über Jahre. Wie gut sind die etwa 3000 Geflüchteten, die seit 2015 nach Potsdam kamen, mittlerweile integriert? Eine Analyse. 

Potsdam - Etwa 3000 Geflüchtete sind in den vergangenen sechs Jahren nach Potsdam gekommen, allein 2015 waren es 1500. Damals war es das bestimmende Thema, die Frage nach der Integration in aller Munde. Wie weit ist der Integrationsprozess fortgeschritten? Was ist gelungen in der Zeit - was nicht? Eine Bestandsaufnahme in den Bereiche Wohnen, Arbeitsmarkt und Bildung. 

WOHNSITUATION

Um Integration zu erfassen und zumindest teilweise messbar zu machen, greifen Wissenschaftler in der Regel auf eine Reihe von Faktoren zurück. Auch die Stadt Potsdam erstellt seit 2010 regelmäßige Monitorings, die sich an verschiedenen Kriterien orientieren. Wichtiger Faktor ist dabei die Unterbringung. Das Integrationskonzept der Landeshauptstadt sieht schon seit einigen Jahren eine Unterbringung in Wohnungen als Ziel vor. Die Stadtverordneten haben im Juni vergangenen Jahres zudem beschlossen, dass ein Maßnahmen- und Zeitplan erarbeitet werden soll, um alle Flüchtlinge in Wohnungen oder wohnungsähnlichen Unterkünften unterzubringen. Denn, so die Argumentation, das Wohnen in beengten Verhältnissen, ohne eigene Küche und Bad, in einem Haus mit dutzenden anderen geflüchteten Familien, behindert die Integration. 

Die Praxis ist jedoch noch immer weit entfernt davon, dass alle Flüchtlinge in Wohnungen leben. Ende 2020 wohnten nach Angaben der Stadt noch immer 978 Personen in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete - nur 21 weniger als im Vorjahr und 41 weniger als zwei Jahre zuvor. Dennoch wertet die für Integration zuständige Beigeordnete Brigitte Meier (SPD) den Stand positiv: Bei der Integration auf den Wohnungsmarkt "befindet sich Potsdam auf einem sehr guten Level", so Meier. 

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Zwar ziehen jedes Jahr Personen aus den Gemeinschaftsunterkünften in eigene Wohnungen, doch dieser Prozess dauert. Seit 2015 haben 1810 Personen aus 856 Haushalten Wohnungen bezogen. Doch mehr als die Hälfte davon konzentrieren sich auf die Jahre 2016 und 2017, seither sanken die jährlichen Zahlen kontinuierlich. 2020 konnten lediglich 115 Personen aus 44 Haushalten aus Gemeinschaftsunterkünften in Wohnungen ziehen. Dennoch geht man im Rathaus davon aus, dass es innerhalb von zwei bis drei Jahren gelingen wird, alle Flüchtlinge, die noch in Heimen leben, in Wohnungen unterzubringen. 

Eine Hürde ist dabei der angespannte Wohnungsmarkt in Potsdam, bei dem die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen das Angebot übersteigt. Zudem dürfen nicht alle Geflüchteten einfach aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen: Nur knapp 20 Prozent der Bewohner hat einen Aufenthaltstitel und darf damit den Wohnort wählen. Die anderen, so erläutert Stadtsprecherin Christine Homann, die den Status der Duldung oder Gestattung haben, müssen einen Antrag auf Auszug stellen. Dann müssen die Personen eine Reihe von Unterlagen vorlegen und etwa nachweisen, dass eine "erhebliche Vulnerabilität" vorliegt oder dass sie eine unbefristete, ungekündigte Beschäftigung haben.  

ARBEITSMARKT

Ein zentraler Indikator für die Integration im Allgemeinen ist die Integration auf den Arbeitsmarkt. In diesem Bereich zeigt die Tendenz in Potsdam in die richtige Richtung. Zwar erfasst die Agentur für Arbeit in Potsdam nicht, ob eine Person geflüchtet ist oder nicht. Aber die Zuordnung nach Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge geben eine gute Orientierung. Dazu zählen Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Mitte 2020 waren nach Angaben von Agentursprecherin Martina Martens 864 Personen aus diesen Ländern in Potsdam sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Innerhalb von drei Jahren hat sich diese Zahl verzweieinhalbfacht: Mitte 2017 waren es noch 353. 

"Die Agentur für Arbeit und das Jobcenter haben bei der Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt einen guten Job gemacht. Gerade also dieser Integrationsprozess kann als gelungen hervorgehoben werden", sagt Brigitte Meier. Unter den Branchen, die in Potsdam die meisten Geflüchteten beschäftigen, finden sich Zeitarbeitsfirmen, Gastronomie, Wachdienste und der Einzelhandel. Aber auch das Gesundheitswesen, Forschung und Entwicklung sowie Erziehung und Unterricht landen unter den Top 10. 

Die deutsche Sprache bleibt jedoch ein Hindernis. "Sprachdefizite stellen nach wie vor die häufigste Hürde bei der Aufnahme einer Tätigkeit dar", betont Martens. Sie beschreibt einen Kreislauf, der nicht einfach zu durchbrechen ist: "Neben dem Spracherwerb verfolgen viele Geflüchtete das Ziel, mindestens einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Häufig steht der Wunsch nach der Aufnahme einer Beschäftigung auch vor dem Wunsch, die Sprachkenntnisse weiter auszubauen." Die Folge: Über längere Zeiträume reihten die Personen verschiedene Helfertätigkeiten aneinander, unterbrochen von Phasen der Arbeitslosigkeit. Im vergangenen Juni waren 202 Personen aus den entsprechenden Ländern geringfügig beschäftigt. 747 Menschen mit der genannten Herkunft waren 2020 arbeitslos gemeldet, 140 mehr als im Vorjahr. 

Nicht erfasst wird nach Angaben der Stadt, wie viele Geflüchtete in der Potsdamer Verwaltung arbeiten. Eine Orientierung kann die Anzahl nichtdeutscher Mitarbeiter in der Verwaltung geben: Ihr Anteil lag 2019 lediglich bei 0,8 Prozent. Davon dürfte nur ein kleiner Teil geflüchtet sein. 

BILDUNG

Im Bereich der Bildung sind zu vielen Fragen kaum Daten vorhanden - obwohl hier doch, so heißt es im Integrationsmonitoring, der "Grundstein für ein selbstbestimmtes Leben gelegt wird". So wird beispielsweise nicht erfasst, wieviele geflüchtete Kinder in Potsdam eine Kita besuchen. Lediglich über verschiedene statistische Umwege kann die Pressestelle die Auskunft geben, dass seit 2015 insgesamt 472 Anträge auf einen Kitaplatz für geflüchtete Kinder genehmigt wurden. Ob und wie lang die Kinder tatsächlich eine Einrichtung besuchten, wird nicht erfasst. 

Bei der Schulbildung hilft ein Umweg über die Statistiken nichtdeutscher Kinder, auch wenn diese Gruppe noch wesentlich mehr Personen umfasst, als nur Geflüchtete. Über Jahre wuchs die Ungleichheit zwischen deutschen und nichtdeutschen Kindern bei der Zahl von Abgängern ohne Schulabschluss. Bei deutschen Kindern lag die Quote seit 2013 bei 3,6 bis 4,8 Prozent. Bei nichtdeutschen Kindern stieg sie kontinuierlich von 3,6 bis auf 17,2 Prozent. 2020 jedoch fiel sie schlagartig ab auf 7,4 Prozent. Für diese Nachricht hat man jedoch im Rathaus keine Erklärung. 

Positiv sieht es bei den Ausbildungen aus: Ende 2019 hatten 86 Geflüchtete einen Ausbildungsvertrag mit einem Potsdamer Unternehmen abgeschlossen. Auch hier ist die Tendenz steigend, zwei Jahre zuvor waren es nicht einmal halb so viele. "In letzter Zeit können wir feststellen, dass geflüchtete Arbeitssuchende verstärkt den Erwerb eines anerkannten Berufsabschlusses wünschen", beschreibt Martens. "Die Ausbildungsneigung von jungen Geflüchteten ist ausgeprägt." Sobald sprachliche Hürden beseitigt seien, bestünden gute Chancen, eine betriebliche Berufsausbildung aufzunehmen.

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