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Landeshauptstadt: Gefangener Vogel im vergrabenen Winkel

In Potsdam wurde Cecilie nicht glücklich: Ausstellung zum 50. Todestag der Kronprinzessin im Marmorpalais

In Potsdam wurde Cecilie nicht glücklich: Ausstellung zum 50. Todestag der Kronprinzessin im Marmorpalais Von Erhart Hohenstein Potsdam nahm die 19-jährige Cecilie von Mecklenburg-Schwerin, die am 6. Juni 1905 Kronprinz Wilhelm geheiratet hatte, mit offenen Armen auf. Die Stadt war beflaggt, der Alte Markt schwarz vor jubelnden Menschen, als die 1,82 Meter große schwarzhaarige Schönheit Einzug hielt. Fortan wurde zu Cecilies Geburtstag am 20. September frühmorgens von der Matrosenstation Salut geschossen, um 12.30 Uhr brachte ihr das Glockenspiel der Garnisonkirche ein Ständchen. Am Eingang zum Neuen Garten lagen Listen aus, in die sich jedermann als Gratulant einschreiben konnte. Viel Aufmerksamkeit, viel Ehre – und dennoch konnte die junge Frau in Potsdam nicht glücklich werden. In dem „vergrabenen Winkel“ fühlte sie sich als „gefangener Vogel“. Als Naturliebhaberin empfand sie die Potsdamer Parke als „gekünstelt“. Hier sei sie nur „auf Besuch“. Diese Gedanken, die Cecilie ihrem Tagebuch anvertraute, wird der Besucher in der Hörstation einer Ausstellung wiederfinden, die am 8. Mai im Marmorpalais eröffnet wird. Anlass ist der 50. Todestag der Kronprinzessin, die am 6. Mai 1954 in Bad Kissingen verstarb. In acht Räumen des bis dahin restaurierten Nordflügels wird Kurator Jörg Kirschstein, Kastellan des Schlosses Cecilienhof, die Lebensstationen der mecklenburgischen Fürstentochter darstellen. Zu den etwa 300 Exponaten zählen solch interessante Stücke wie ein Fotoalbum mit Privataufnahmen der kronprinzlichen Familie, das 1945 von einem Potsdamer am Pfingstberg im Schutt gefunden worden war, und eine Bronzebüste Wilhelms, die von seiner ältesten Enkeltochter, Felicitas von Nostitz, als Leihgabe zur Verfügung gestellt wird. Das Marmorpalais ist durchaus der rechte Ort für die Ausstellung, denn es war von 1905 bis 1911 und von 1914 bis 1917 Hauptwohnsitz des Kronprinzenpaars. Dazwischen lagen eine Afrikareise und drei Jahre in Danzig, wo Wilhelm das Leibhusarenregiment kommandierte. Im Marmorpalais kamen die drei ältesten Söhne Wilhelm (1906), Louis Ferdinand (1907) und Hubertus (1909) zur Welt. Auch Prinz Friedrich Georg (1911) und Prinzessin Alexandrine (1915) verbrachten hier ihre ersten Lebensjahre. Nur die jüngste Tochter, Prinzessin Cecilie, wurde 1917 im gerade fertig gestellten Schloss Cecilienhof geboren. Da stand das Ende der Monarchie bereits kurz bevor. Der Kronprinz ging ins Exil, seine Gemahlin wohnte ab 1920 mit ihren vier jüngeren Kindern hauptsächlich auf dem Besitztum in Oels (Schlesien). In dem nach ihr benannten Schloss blieben die beiden ältesten Söhne Wilhelm und Louis Ferdinand zurück, um die Besitzansprüche zu wahren. Bekanntlich besuchten beide das Potsdamer Realgymnasium (heute Einstein-Gymnasium). 1923, als der Kronprinz nach Deutschland zurückkehrte, und 1926, als den Hohenzollern in dem verstaatlichten Schloss für drei Generationen das Wohnrecht zugesprochen wurde, belebte sich Cecilienhof wieder. Häufiger noch als die Prinzessin nahm Kronprinz Wilhelm hier Quartier, denn der umtriebige und durch zahlreiche außereheliche Affären ins Gerede gekommene Mann schätzte die Nähe zur Metropole Berlin. Cecilie bemühte sich indes sehr um den Zusammenhalt der Familie, was ihr durch den aus seinem niederländischen Exil in Haus Doorn eingreifenden Schwiegervater und Ex-Kaiser Wilhelm II. durchaus nicht leicht gemacht wurde. Er hatte bereits seinen ältesten Enkel Wilhelm (der im Zweiten Weltkrieg 1940 fiel und im Antikentempel von Sanssouci ruht) wegen „nicht standesgemäßer Heirat“ von der Führung des Hauses Hohenzollern ausgeschlossen. Als dessen Nachfolger Louis Ferdinand 1938 heiratete, ergab sich ein ähnliches Problem. Cecilie, deren Mutter die russische Großfürstin Anastasia Michailowna war, durfte ihre männliche Verwandtschaft aus dem ehemaligen Zarenhaus nur solo ohne die Tänzerinnen und anderen unadeligen Partnerinnen einladen, mit denen sie sich im Exil liiert hatten. Immerhin kam Großfürst Dimitrij zur Feier, auf der er in der Großen Halle des Schlosses Tischherr Cecilies war. Dimitrij P. Romanows Ruf war nicht ganz unbefleckt: Er zählte 1916 zu den Mördern des Mönches Rasputin, der so großen Einfluss auf den letzten russischen Zaren Nikolaus II. ausgeübt hatte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sondierte Kronprinz Wilhelm die Haltung der neuen Machthaber zum Hohenzollernhaus. Schon 1926, dann 1933 am Abend des „Tages von Potsdam“ und 1935 besuchte Hitler Cecilienhof. Eine Rückkehr zur Monarchie schloss er aus. In der Folge verhielt sich das Kronprinzenpaar reserviert. Das Regime sah keinen Anlass, die Bitte Cecilies zu erfüllen, den unter ihrer Schirmherrschaft stehenden Luisenbund von der nationalsozialistischen Gleichschaltung auszunehmen. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Wilhelm, obwohl er sich der Widerstandsbewegung der Militärs verweigert hatte, unter Aufsicht der Gestapo gestellt. Im Januar 1945 verließ der Kronprinz Potsdam zur Kur in Oberstdorf, im Februar folgte Cecilie, die sich in Bad Kissingen niederließ. Das Schloss war zu dieser Zeit mit Möbeln und Kunstgütern, auch aus den ostelbischen Besitzungen, voll gestopft. Davon ist kaum etwas erhalten; zur Potsdamer Konferenz der „großen Drei“ wurden 1945 die Räume, zum Teil mit Stücken aus dem Neuen Palais, dem Marmorpalais und Schloss Babelsberg, neu möbliert. Dazu wurde in der DDR-Zeit die Legende kolportiert, der Kronprinzessin sei ein Güterzug zur Verfügung gestellt worden, in dem das gesamte Inventar abtransportiert wurde. Abgesehen davon, dass dies kurz vor Kriegsende äußerst unwahrscheinlich gewesen wäre, hat Cecilie selbst beklagt, dass sie nicht einmal „einiges uns Wichtige und Wertvolle noch rechtzeitig in den Westen“ schaffen konnte. Auch dass in der Nachkriegszeit Wilhelm in Hechingen und Cecilie zunächst in Bad Kissingen, dann in Stuttgart bis zu ihrem Tode in bescheidenen Verhältnissen lebten, bestätigt diese Aussage. Jörg Kirschstein hat recherchiert, dass erhebliche Teile des Schlossinventars in der nahen Meierei eingelagert wurden, die wenig später infolge fahrlässiger Brandstiftung durch dort untergebrachte Besatzungssoldaten ausbrannte. Von ehemaligen Mitarbeitern in Cecilienhof war unter vorgehaltener Hand zu hören, dass besonders jüngere Stücke des Mobiliars, deren Wert nicht erkannt wurde, als Heizmaterial in die Öfen wanderten. Inwieweit in den Güterzügen mit „Beutekunst“ vom Stadtbahnhof aus auch Stücke aus Cecilienhof in die Sowjetunion transportiert wurden, ist ungeklärt. So kann Kirschstein bei seinen Führungen durch die Privaträume von Wilhelm und Cecilie nur wenige originale Stücke zeigen. Dazu gehören unter anderem die Fliesen mit dem Relief einer Nymphe im Kronprinzenbad, zehn Porzellanfiguren des zur Heirat des Paares von Adolf Amberg entworfenen Tafelaufsatzes „Hochzeitszug“ oder eine Kommode im Schlafzimmer. Das Ehebett, in dem die beiden mit zunehmender Entfremdung allerdings kaum noch schliefen, ist nicht erhalten und wurde durch ein zeitgerechtes Stück ersetzt.Das hinderte vor 1989 das Schlosshotel Cecilienhof allerdings nicht daran, die „Kronprinzensuite“ für teures Geld – man spricht von 1600 Westmark für eine Übernachtung – zu vermieten. Heute konzentriert sich die Hotelnutzung auf Räume, die früher vom Hofpersonal, Bediensteten und Gästen bewohnt wurden. So wurden Kammerdienerzimmer, Garderobe und Bügelstube zur „Hohenzollernsuite“. Die Große Halle und ein erheblicher Teil der vom Kronprinzenpaar genutzten Salons und Kabinette des Schlosses sind in der Ausstattung, die sie 1945 erhielten, in die Ausstellung zur Potsdamer Konferenz einbezogen.

Erhart Hohenstein

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