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Landeshauptstadt: Gefälschtes Schreiben spitzt die Mieten-Debatte zu

Unternehmen wollen Strafanzeige stellen / Fast 40 Vereine und Institutionen unterstützen Demo am 2. Juni

Vor der Demonstration gegen die hohen Mietpreise am 2. Juni sorgt ein gefälschter Handzettel für Ärger. Das Schreiben, das über Pfingsten in etlichen Potsdamer Briefkästen landete, sieht aus wie ein gemeinsames Papier der kommunalen Bau- und Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam, der Immobilienhändler Engel & Völkers sowie Sanssouci Immobilien, der Kirsch & Drechsler Hausbaugesellschaft und des Unternehmens Semmelhaack.

Darin bieten die fünf Wohnungswirtschaftsunternehmen unter anderem angeblich allen Potsdamern, die unter 2000 Euro verdienen, eine „Umzugsprämie“ von 5000 Euro an. „Wir sind uns bewusst, dass diese neue, schöne Stadt nicht mehr all den Platz für all die Menschen bietet, welche hier bisher leben“, heißt es in dem Schwindel-Schreiben, auf dem die Logos der fünf Unternehmen zu sehen sind. Den neuen Potsdamern, die mit ihren unternehmerischen Erfolgen zum positiven Image der Stadt beitragen würden, sei nicht mehr zuzumuten, neben Plattenbauten, Hartz-IV-Empfängern und besetzten Häusern zu wohnen, heißt es weiter.

Engel & Völkers-Geschäftsführer Friedrich-Carl Wachs kündigte am Dienstag eine Strafanzeige gegen Unbekannt an. Das Schreiben sei „rufschädigend“ und offensichtlich von „böswilligen Amateuren“ verfasst. Bauunternehmer Wolfhard Kirsch sagte mit Blick auf die Demonstration, es ließe sich auch gegen Regen oder Sonne demonstrieren: „Der beste Schutz gegen hohe Mieten sind aber die Schaffung von neuen Wohnungen oder der Kauf von eigenen Immobilien.“ Carsten Hagenau, Koordinator des Arbeitskreises Stadtspuren – ein Zusammenschluss von acht Potsdamer Wohnungsunternehmen, die insgesamt 34 000 Wohnungen vermieten – fragte sich, wer gerade jetzt versuche, Mieter zu verunsichern. Dass hinter dem Schreiben Initiatoren der Mietenstopp-Demo stecken, hält er für unwahrscheinlich: „Hier will jemand Mietergruppen gegeneinander ausspielen.“ Das bestätigt Lutz Boede, Geschäftsführer der Fraktion Die Andere und Organisator der Demonstration. Die Handzettel seien „völlig überspitzt“.

Fast 40 Vereine und Initiativen unterstützen die Mietenstopp-Demonstration. Sie stellten sich am Dienstag der Presse vor. Konsens aller ist laut Bündnissprecher Rolf Kriete, dass Wohnraum keine Ware sein dürfe. Um die Debatte dieses „gesellschaftlichen Problems“ anzuschieben, seien in Potsdam 10 000 Handzettel für die Demo verteilt und rund 2000 Plakate geklebt worden. Jenny Pöller vom Autonomen Frauenzentrum Potsdam kritisiert, dass es vor allem für alleinstehende Frauen, Studentinnen und Asylbewerberinnen schwierig sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Ähnlich argumentiert der Linke-Stadtverordnete Jens Gruschka, der auch das studentischen Kulturzentrum Kuze vertritt. Er sagte, Potsdam brauche mehr Wohnheimplätze und eine Mietobergrenze.

Thema der Demo, die um 13 Uhr in Potsdam-West und Babelsberg startet und deren Abschlusskundgebung um 15 Uhr auf dem Bassinplatz stattfindet, ist auch der Wohnblock am Staudenhof. Gabriele Ritter von der Bürgerinitiative Pro Staudenhof nannte ihn auf der Pressekonferenz der Mietenstopp-Unterstützer ein „Symbol gelebter Solidarität“, das nicht Profitstreben geopfert werden dürfe. Damit pflichtete sie Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg bei, der den Vorstoß der Rathauskooperation zum Staudenhof-Abriss in zehn Jahren ablehnt. Scharfenberg stehe „frei von eigenen stadtentwicklungspolitischen Konzepten“ allein da, sagte dagegen Pete Heuer, SPD-Vizefraktionschef. Die Linke missbrauche den Vorschlag zeitgemäßer Wohnungen zu verträglichen Preisen anstelle des DDR-Baus „für ideologische Sandkastenspiele gegen das Leitbautenkonzept“. (mit HK)

Holger Manigk

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