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Gedenkstätte Leistikowstraße in Potsdam: Zwischen 1946 und 1953 wurden dort Menschen vom Sowjetischen Geheimdienst unter dem Vorwurf nationalsozialistischer Verbrechen verhört und gefoltert. 

© Sebastian Gabsch

Gedenkstätte Leistikowstraße: Als der KGB vier Potsdamer Schüler holte

1945 sind vier Schüler vom Sowjetischen Geheimdienst aus dem Potsdamer Einstein-Gymnasium geholt worden. Nur einer hat überlebt.

Potsdam - Vor 73 Jahren, am 18. April 1946, sind die Schüler Joachim Douglas, Klaus Tauer und Kurt Eylert erschossen worden. 1945 wurden sie und ihr Freund Hermann Schlüter vom Sowjetischen Geheimdienst aus ihren Klassen im Einstein-Gymnasium geholt. Margot Bonk, geborene Douglas, erinnerte sich zum Jahrestag in der Gedenkstätte Leistikowstraße an ihren Bruder. Seiner und seiner Freunde ist am Mittwoch in einem Zeitzeugengespräch gedacht worden.

Zehn Tage, nachdem er und seine Freunde aus der Klasse gezogen wurden, sei ihr Bruder Joachim wieder nach Hause gekommen, erzählt Bonk. Er und seine Freunde sind in einer Villa in der Geschwister-Scholl-Straße verhört worden – „man hat ihnen Werwolf-Tätigkeiten vorgeworfen“, erklärt die 79-Jährige.

Als Werwölfe galten nach dem Zweiten Weltkrieg Männer, die im Geiste des Nationalsozialismus Anschläge gegen die Alliierten verübten oder sich an „Verrätern“ des NS-Deutschlands rächten. Ein Vorwurf, der den Jungen nie nachgewiesen wurde. Trotzdem mussten die Schüler in den folgenden Monaten regelmäßig zu Verhören. Joachim Douglas letzter Termin war an Heiligabend 1945. „Joachim ging und kam nicht mehr zurück“, sagt Bonk.

Kleidung und Essen für den Sohn

Sie habe die Geschichte schon häufig erzählt, einfacher werde es nicht – auch nach so vielen Jahren nicht. Sie erinnere sich noch zu gut, an den Wachturm des Militärtribunals in der Villa Herzfeld an der Geschwister-Scholl-Straße, auf dem immer ein Wachmann zu sehen war. An ihren Vater, der dort immer wieder Kleidung und Essen für den einzigen Sohn abgab. Eines Tages habe man nichts mehr angenommen. „Der Joachim sei weg, hieß es dann. Und niemand sagte uns, wo er ist.“

Richard Buchner erinnert an die Opfer des KGB.
Richard Buchner erinnert an die Opfer des KGB.

© Naima Wolfsperger

Man hatte die vier Schüler in die Leistikowstraße gebracht und sie dort verhört und gefoltert. Schließlich wurden sie zum Tode verurteilt. Joachim Douglas, Kurt Eylert und Klaus Tauer waren damals 16 Jahre alt, Hermann Schlüter 15.

„Klar ist: Jedem, der von 1945 bis etwa 1953 in die Leistikowstraße kam, wurde von den Sowjets vorgeworfen, ein Nazi zu sein“, sagt Richard Buchner, Vorsitzender des Gedenkstättenvereins. Manche seien an den Verbrechen des Nationalsozialismus beteiligt gewesen, sagt er. „Viele waren aber unschuldig.“ Deshalb widmet er den Gedenktag den „unschuldigen Opfern“ der Besatzungsmacht.

Die vier Schüler hätten Gnadengesuch einreichen dürfen und das auch getan. „Mindestens 80 Prozent dieser Gesuche von Häftlingen aus der Leistikowstraße wurden abgelehnt“, sagt Buchner. Nur das Gnadengesuch des 15-jährigen Schlüter wird angenommen, er wird zu 20 Jahren Arbeitslager verurteilt. Er überlebt und stirbt 2018 im Alter von 88 Jahren. 

Keine genauen Informationen

Laut den Unterlagen aus der Besatzungszeit seien die anderen drei im Potsdamer Umland erschossen worden. Über die genauen Umstände und den Ort gibt es keine Informationen.

Bonk hat nach der Wende die Akten gegen ihren Bruder angefordert. Sie bekommt Verhörprotokolle. „Es gab keine Beweise gegen meinen Bruder, das geht daraus klar hervor“, sagt sie.

Naima Wolfsperger

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