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Gedenken. Die Potsdamer Synagoge wurde am 9. November 1938 zerstört.

© A. Klaer

Gedenken zum 9. November: Gotteshaus als Denkmalstein

Auf einer Veranstaltung am Standort der alten Synagoge wurde an die Pogromnacht vor 79 Jahren erinnert.

Potsdam - Es war eine Geste mit Symbolkraft: Beim Gedenken an die Reichspogromnacht am gestrigen Donnerstagabend verlasen jüdische und nichtjüdische Schüler aus Potsdam die Namen deportierter Juden. Dabei ging jeder einzelne der jungen Leute an das Mikrofon, sprach einen Namen, trat anschließend ab und verschwand – so wie vor mehr als sieben Jahrzehnten auch jüdische Mitbürger aus den Städten und Dörfern im Reich verschwanden: Nach und nach wurden die verbliebenen Juden weniger – vertrieben aus ihren Wohnungen, abtransportiert in das Dunkel des unentschuldbaren Grauens.

Auf der Gedenkveranstaltung am Standort der ehemaligen Synagoge am Platz der Einheit standen in diesem Jahr die im Januar 1942 von Potsdam aus über Berlin nach Riga deportierten Juden im Zentrum der Erinnerung. Vor nunmehr 75 Jahren kamen sie, gemeinsam mit anderen Juden, in das dortige Ghetto. Die Nationalsozialisten hatten Riga im Sommer 1941 besetzt. Was die Juden in den Fängen der Nazis erwartete, war unmenschlich. Man ließ die Deportierten verhungern, viele wurden erschossen oder arbeiteten sich zu Tode. Wiederum andere transportierte man in Vernichtungslager. Eine „Durchgangsstation zum Tod“ nennt Stadtkirchenpfarrer Simon Kuntze das damalige Ghetto. 50 Juden aus Potsdam deportierte man ab dem 11. Januar 1942 nach Riga. Auf der Gedenkveranstaltung am Donnerstag verlasen Schüler des Humboldt-Gymnasiums sowie Jugendliche aus der Potsdamer Jüdischen Gemeinde die Namen eben dieser 50 Menschen, die vor 75 Jahren aus Potsdam deportiert wurden.

Ende 1941 haben Nazis im Rigaer Ghetto 27 000 Potsdamer erschossen

Stadtkirchenpfarrer Kuntze, der die Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des jährlichen Potsdamer Gedenkens an die Pogromnacht von 1938 leitet, erinnerte in seiner Ansprache zugleich an das Schicksal der jüdischen Menschen, die im Rigaer Ghetto gelebt hatten, bevor man dorthin Juden aus dem Deutschen Reich zwangsumsiedelte. 32 000 Juden hatten dort zuvor gelebt. Die Mordmaschinerie der Nazis kannte auch hier kein Erbarmen: Im November und Dezember 1941 wurden 27 000 der im Rigaer Ghetto lebenden Juden erschossen – um Platz zu machen für die zu deportierenden Neuankömmlinge aus dem Reich.

Potsdams Sozialbeigeordneter Mike Schubert (SPD) sprach in seiner Rede von einer Zeit der völligen Rechtlosigkeit, die mit der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 begonnen habe, nachdem die Juden schon zuvor seit dem Machtantritt der Nationalsozialisten immer stärker diskriminiert wurden. „Die reichsweiten Pogrome erreichten auch unsere Stadt“, sagte Schubert. Dass aber vermutlich auch einige der Täter selbst aus der Stadt an der Havel stammten, erwähnte er nicht explizit. Immerhin beklagte Schubert die vielen schadenfrohen Gaffer, die es nach der Pogromnacht in Potsdam gegeben habe.

„Heute gibt es keine Gründe mehr, den Beginn des Baus des Gemeindezentrums mit der Synagoge in Potsdam zu verzögern“

So wie unzählige Synagogen im Reich wurde in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 auch die Potsdamer Synagoge geschändet. Wo einst jüdisches geistliches Leben stattfand, erinnert heute nur noch eine Tafel an die Vergangenheit.

Die Bemühungen zur Errichtung einer neuen Synagoge in der Schlossstraße hinter dem Filmmuseum dauern seit Jahren an. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mykhaylo Tkach drückte auf der Gedenkveranstaltung seine Hoffnung aus, bald ein neues Gotteshaus nutzen zu können. Mit Blick auf die Jüdische Gemeinde und die Synagogengemeinde sagte Tkach: „Im Namen unserer beiden jüdischen Gemeinden mache ich jetzt heute ein Versprechen: Wir werden zu keinem weiteren Treffen aus Anlass des 9. November-Gedenkens zu dieser Gedenktafel kommen – in Zukunft werden wir das an der neuen Synagoge tun.“ Weiter erklärte er: „Heute gibt es keine Gründe mehr, den Beginn des Baus des Gemeindezentrums mit der Synagoge in Potsdam zu verzögern.“ Schon zuvor hatte Tkach am gestrigen Donnerstag erklärt, dass die neue Synagoge für das Gedenken an die jüdischen Opfer durchaus geeignet sei. Der künftige Bau sei „wie ein Denkmalstein zur Erinnerung an die deportierten Juden“. 

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