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Knapp 100 Personen kamen zur Gedenkkundgebung „Kein Wegschauen! Kein Vergessen!“ am Brandenburger Landtag.

© Andreas Klaer

Gedenken an NSU-Opfer: Anklage gegen den Verfassungsschutz

In Potsdam gedachten 100 Menschen zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU den Opfern der Neonazis. Eine Plakataktion jedoch fiel ins Wasser.

Potsdam - „Kein Wegschauen! Kein Vergessen!“ – so lautete das Motto der Gedenkkundgebung und Demonstration für die Opfer und Angehörigen der zehn NSU-Morde, die am Donnerstag auf dem Steubenplatz neben Brandenburgs Landtag stattfand. Genau vor zehn Jahren, am 4. November 2011, hatte sich die rechte Terrorzelle selbst enttarnt, die Leichen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren in einem ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach (Thüringen) entdeckt worden, Beate Zschäpe hatte sich vier Tage später der Polizei in Jena gestellt.

Organisiert wurde die Veranstaltung von der Emanzipatorischen Antifa Potsdam (EAP), der Initiative Seebrücke Potsdam und der Linksjugend Solid. Bei strömendem Regen hatten sich knapp 100 Menschen zu der Kundgebung um 17 Uhr eingefunden, eine geplante Plakataktion musste wegen des nassen Wetters ausfallen: Ursprünglich sollten 250 Plakate mit den Namen von Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 hochgehalten werden, die Organisator:innen befürchteten jedoch, dass die Plakate durch den Regen aufgeweicht und danach unbrauchbar werden könnten. Auch eine Mahnwache am Brandenburger Tor wurde kurzfristig abgesagt. Die Aktionen sollen im kommenden Jahr nachgeholt werden.

Schweigeminute für Opfer rechter Gewalt

Zu Beginn der Kundgebung wurden die Namen mehrerer Todesopfer rechter Gewalt verlesen, im Anschluss fand eine Schweigeminute statt. Die Initiator:innen sahen den Staat in einer Mitschuld an den Opfern: „Mit seiner Ignoranz gegenüber rechten Strukturen und dem Gerede von Einzeltätern hat der Staat viele dieser Opfer mitzuverantworten“, sagte ein Redner des Vereins Opferperspektive Brandenburg, der eine Akzeptanz der Migrationsgesellschaft und die Entwaffnung von Neonazis forderte.

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„Die Bundesregierung hat die lückenlose Aufklärung der NSU-Morde versprochen, und dieses Versprechen sehen wir gebrochen“, sagte Marian Funck, einer der Mitorganisatoren der Veranstaltung. Stattdessen sehe er eine Kontinuität rechter Strukturen bei den Sicherheitsbehörden, etwa beim sogenannten NSU 2.0, rechten Chatgruppen der Polizei oder beim KSK. Auch beim brandenburgischen Verfassungsschutz habe es kaum Konsequenzen gegeben, dieser wurde sogar um 37 Stellen aufgestockt.

Kritik am Verfassungsschutz Brandenburg

Mehrfach wurde der Verfassungsschutz Brandenburg für seine undurchsichtige Rolle im NSU-Komplex kritisiert: „Der Verfassungsschutz hat Hinweise auf eine Verstrickung des V-Mannes ‚Piatto‘ nicht an andere Behörden weitergegeben und so eine weitere Aufklärung verhindert“, sagte Frauke Büttner vom Aktionsbündnis Brandenburg. „Quellenschutz darf nicht vor Aufklärung stehen!“ Sie sei fassungslos, dass zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU nur noch Zschäpe in Haft sei, während ihre vier Mitangeklagten alle auf freiem Fuß seien.

Im Anschluss an die Kundgebung folgte eine Demonstration durch die Innenstadt, die auch an der Polizei-Hauptwache und am brandenburgischen Innenministerium in der Tresckow-Straße vorbei führte. „Kein Wegschauen! Kein Vergessen!“ und „Der NSU war nicht zu dritt!“ waren als Sprechchöre während der Demo zu hören. 

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