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Gedenkaktion in Potsdam: Steinwürfe auf den Landtag – mit Styropor

Styropor-Steine, Fackeln, Kostüme und schwarz-rot-goldene Fahnen: Mit einem „Gedenk-Steinewerfen“ hat die Wählergruppe Die Andere am Donnerstagabend an das Revolutionsjahr 1848 und den Potsdamer Radikaldemokraten Max Dortu erinnert.

Potsdam - Auf den ersten Blick hätten zufällige Passanten die Versammlung auf dem Alten Markt auch missverstehen können. Etwa 80 Menschen hatten sich in der abendlichen Dunkelheit mit schwarz-rot-goldenen Fahnen vor dem Fortuna-Portal versammelt. Der Feuerschein einiger Fackeln erhellte die Szenerie. In anderen Städten hätte eine Kundgebung von selbsternannten „besorgten Bürgern“ so ähnlich aussehen können.

Lutz Boede in Schwarz-Rot-Gold

Doch Potsdam ist anders. Bei der erst zwei Tage zuvor vom Verwaltungsgericht gestatteten Versammlung handelte es sich um das Max-Dortu-Gedenksteinewerfen auf Initiative der linksalternativen Wählergruppe Die Andere. Damit sollte an das Revolutionsjahr 1848 und den Potsdamer Radikaldemokraten Max Dortu erinnert werden. Dementsprechend ging es zu: Einige Teilnehmer hatten sich historisch kostümiert. Die-Andere-Urgestein Lutz Boede hatte sich sogar in Gänze in eine Schwarz-rot-goldene Flagge gehüllt – 1848 ein republikanisches Symbol und damit gegen die Monarchie gerichtet. Andere Teilnehmer trugen Zylinder auf dem Kopf.

Erinnerung an Max Dortu, den Kartätschenprinzen

Damit es zu keiner Geschichtsklitterung kam, klärte der frühere Stadtverordnete Hannes Püschel die Anwesenden über die Geschehnisse im Jahr 1848 auf. Der junge Potsdamer Max Dortu war seinerzeit einer der Wortführer der bürgerlichen Revolution in der Stadt. Im Alter von nur 23 Jahren wurde er ein Jahr später vom preußischen Militär hingerichtet. Vorher hatte er dem Preußenprinzen und späteren Kaiser Wilhelm I. abfällig den Namen Kartätschenprinz verpasst und mit einer seiner Ansprachen Arbeiter dazu gebracht, Schienen aus der Bahnstrecke nach Berlin zu reißen, um die Verlegung von Soldaten aus der Potsdamer Garnison in die preußische Hauptstadt Berlin zu verhindern. Einige landeten deshalb in Polizeigewahrsam - und zwar in der Wache im damaligen Stadtschloss. Aus dieser versuchte man sie zu befreien, wobei es zu der Szene mit den Steinewürfen kam. 

Am Donnerstagabend sollten jedoch keine echten Steine in Richtung des Landtags fliegen – lediglich Quader aus Styropor. „Beschädigungen der Hausfassade können daher ausgeschlossen werden“, hatte in der Anmeldung der Kundgebung gestanden. Die Ersatz-Steine hätten „fleißige Proletarier aus Nowawes“ hergestellt, so Püschel. 

Das Verwaltungsgericht erlaubte die Aktion

Die Demonstration sollte bereits im vergangenen Jahr stattfinden. Von der Polizei wurde jedoch das „Werfen von Gegenständen jeglicher Art an das Landtagsgebäude“ und „das Werfen in Richtung des Landtagsgebäudes“ kurzfristig untersagt. Solches Tun beeinträchtige „die Würde des Landtags als Ort der Demokratie oder dessen Tätigkeit sowie die Würde des Menschen“, hieß es damals. Daraufhin wurde die Demo abgesagt. In diesem Jahr lief es anders. Die Polizei untersagte die Kundgebung zwar im Oktober erneut. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Aktion auch richtige Steine geworfen werden, befand die Polizei. Aber es blieb noch genug Zeit für eine Klage. Dieser gab das Potsdamer Verwaltungsgericht statt.

„Jeder nur ein Stein"

Als es am Donnerstag dann an die Verteilung der Wurfgeschosse ging, zeigte Die Andere Sinn für den Gleichheitsgedanken: „Jeder nur ein Stein“, sagte Püschel. Und auch Ordnung musste sein. Nachdem der Steinregen vor der Landtagsfassade niedergegangen war, wurde jeder einzelne wieder eingesammelt. 

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