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Geburtshilfe in Potsdam: Hebamme verzweifelt gesucht

Es gibt Engpässe bei der Betreuung schwangerer Frauen in Potsdam. Weil zugleich zu wenig Geburtshelferinnen ausgebildet werden, wird sich das Problem möglicherweise noch weiter verschärfen.

Potsdam - Das Geburtshaus in Potsdam-West, indem Marei Künicke arbeitet, ist bis einschließlich März 2018 ausgebucht. „Eigentlich müssen Frauen in Potsdam spätestens in der zehnten Schwangerschaftswoche, also noch in der kritischen Phase, mit der Suche nach einer Hebamme beginnen“, sagt Künicke. Vor ein paar Jahren habe die Situation noch anders ausgesehen. „Da waren wir vielleicht mal zwei, drei Monate im Voraus ausgebucht“, erinnert sie sich. Ihre Kollegin Katja Gilbert berichtet ähnliches: „Die Frauen kommen aus Berlin nach Potsdam, weil sie dort keine Betreuung finden. Aber wir haben auch keinen Platz mehr“, sagt die Hebamme, die seit zehn Jahren freiberuflich in Potsdam praktiziert. Die Lage hat sich also auch in Potsdam zugespitzt.

Dabei geht es um zweierlei: Den Mangel an Hebammen angesichts steigender Geburtenzahlen und die schwierigen Arbeitsbedingungen für die Hebammen. Auf beides wollte am Mittwoch der Deutsche Hebammenverbund aufmerksam machen. Im Rahmen seiner Deutschlandtour vor der Bundestagswahl machte er auf dem Alten Markt am Landtag Station. Die große Frage: Wie will die Politik die Lage verbessern?

Hebamme Künicke: "Viele Kollegen sind längst über 40"

Das interessierte die Potsdamer Hebamme Marei Künicke – und auch, wie auf die Überalterung ihres Berufsstandes reagiert werden soll. „Viele meiner Kolleginnen sind längst über 40“, sagt sie. „Und ab 2020 wird es Pflicht, den Beruf an einer Hochschule zu lernen – eine Hebammenhochschule gibt es aber in Brandenburg nicht.“

Rede und Antwort standen am Mittwoch den gut 50 Besuchern Bundestagskandidaten aus dem Land Brandenburg: Linda Teuteberg (FDP), Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Jana Schimke (CDU), Sylvia Lehmann (SPD) sowie Kerstin Kühn (Linke). Stellvertretend für die Hebammen sprach die Vorsitzende des Brandenburger Hebammenverbandes Martina Schulze. „Es mangelt in ganz Brandenburg an Hebammen“, betonte sie. Das bestätigten viele Gäste aus dem Land und dem Potsdamer Umland. „In der Region Oberspreewald-Lausitz gibt es keine einzige Hebamme mehr, die außerklinische Geburten anbietet“, berichtete eine Frau. In Potsdam sorgen steigende Geburtenzahlen für Andrang. Im vergangenen Jahr wurden in der Stadt 2992 Kinder geboren.

Getan werden muss landesweit offenbar zunächst dringend etwas, um mehr Hebammen auszubilden. CDU-Kandidatin Schimke betonte, dass dafür in Brandenburg Voraussetzungen geschaffen werden müssten – etwa weitere Schulen. Derzeit würden jährlich in Brandenburg nur 17 Hebammen ausgebildet, so Schimke, und zwar an einer staatlichen Schule in Cottbus. Lara Gruhlke, eine der Hebammenschülerin, korrigierte die Politikerin: In ihrem Jahrgang seien es sogar nur 15, so Lara Gruhlke, die sich im zweiten Lehrjahr befindet und ihren praktischen Teil im Potsdamer St. Josefs-Krankenhaus absolviert. Zwei Schülerinnen hätten ihre Ausbildung abgebrochen. Ein Grund könnten die schwierigen Arbeitsbedingungen sein. Die 19-jährige Berlinerin Gruhlke bekommt den Druck, der auf Hebammen lastet, schon jetzt mit. „Manchmal rennt man nur von A nach B“, berichtet sie aus dem Klinikalltag. „Natürlich wollen wir jeder Frau trotzdem eine individuelle Betreuung bieten. Aber es zehrt mitunter sehr an den Kräften.“

Dazu kommen die bürokratischen Hürden, die die Arbeit nach Ansicht der Hebammen erschweren. Verbandsvorsitzende Schulze erläuterte den jüngsten Schiedsstellenbeschluss zwischen Hebammenvertretern und gesetzlichen Krankenkassen: Demnach dürften Beleghebammen ab 2018 nur noch die Betreuung von maximal zwei Frauen gleichzeitig abrechnen – unabhängig von der tatsächlichen Situation. Beleghebammen sind selbstständig und arbeiten in Geburtshäusern oder Kliniken. Sie bieten den werdenden Müttern eine Betreuung auch während der Geburt im Krankenhaus an; ohne Beleghebamme treffen die Frauen dort auf die diensthabenden Hebammen, die sie vorher meist nicht kennen. In Potsdam treffe die Regelung insbesondere das St. Josefs-Krankenhaus, warnte Schulze. Der Verband befürchte zudem, dass viele Beleghebammen aufhören und der Mangel so noch größer werde. Im Land Brandenburg gebe es mit gut 40 Beleghebammen ohnehin zu wenig.

Ein Dauerbrenner-Thema für Hebammen sind die hohen Haftpflichtprämien. Rund 7500 müsse eine Hebamme pro Jahr zahlen. FDP-Kandidatin Teuteberg warb für andere Modelle – eine Haftungsobergrenze oder einen öffentlichen Fonds, der die Hebammen entlastet.

Anne-Kathrin Fischer

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