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AfD-Vize und Landtagsabgeordneter Alexander Gauland.

© dpa

Gauland über Boateng: Kopfschütteln in der Berliner Vorstadt

Der AfD-Vize Alexander Gauland erntet mit seinen Äußerungen über Boateng viel Kritik bei seinen Nachbarn. Die PNN haben sich in der Berliner Vorstadt einmal umgehört.

Berliner Vorstadt - Thomas Dierke ist auf seiner Radtour durch Potsdam zufällig im noblen Villenviertel Berliner Vorstadt gelandet, genau dort, wo AfD-Vizechef Alexander Gauland wohnt. „Interessant, wo solche Leute wohnen“, sagt der Bremer und betrachtet das opulente Haus. Ja, er habe von dessen Äußerung über den Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng gehört. „Das ist einfach nur unverschämt“, sagt er. Er hätte nicht gedacht, dass es auch hier in Potsdam ein solches Gedankengut gebe.

Auch in der direkten Nachbarschaft reichen am Montag die Reaktionen auf Gaulands Äußerung – die Leute fänden Boateng als Fußballer gut, wollten aber einen wie ihn nicht als Nachbar haben – von Kopfschütteln bis Kritik.

Gauland: Er sei "natürlich kein Rassist"

„Gauland ist nicht mehr tragbar und muss sofort zurücktreten“, sagt ein Mitt-50er, der in dem herrschaftlichen Eckhaus mit gut gepflegtem Gartengrundstück in bester Lage beruflich zu tun hat. Er möchte anonym bleiben und seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. „So bekommt die AfD keinen Fuß auf den Boden“, sagt er. Mit Äußerungen wie zu Boateng – in Berlin geboren, Sohn einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters – schade Gauland seiner Partei, mache alles kaputt, wofür er gekämpft habe, sagt der Mann aufgebracht. Nein, er habe nichts gegen andere Nationalitäten. Natürlich würde er gerne Boateng als Nachbarn haben. Das sei doch ein toller Mensch, der sich engagiere, ein Vorbild, ein großartiger Fußballer. Er könne sich aber kaum vorstellen, dass Gauland so etwas gesagt habe. Das ergebe doch keinen Sinn, sei auch nicht klug gewesen.

Am Sonntag hatte Gauland zunächst bestritten, dass die von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) zitierte Äußerung so gefallen war. Die Zeitung bekräftigte ihre Darstellung. Über Gauland, der in Brandenburg auch Landes- und Fraktionschef der AfD ist, brach eine Welle der Empörung herein, der Vorwurf: Rassismus. Am Montag sagte er dann, er sei „natürlich kein Rassist“. Auf die Frage, ob denn Menschen, die Vorbehalte gegen Nachbarn mit ausländischen Wurzeln haben, Rassisten seien, sagte er: „So weit würde ich nicht gehen.“

"Ich möchte aber nicht neben Gauland wohnen"

Der Besitzerin eines Schrebergartens gegenüber von Gaulands Haus sind dessen Äußerungen herzlich egal: „Er sagt freundlich Hallo. Das reicht mir. Von seiner Politik halte ich mich fern.“ Ähnlich sieht es eine Passantin, die eilig die Straße hinuntergeht, bepackt mit einigen Taschen. „Gibt es denn nichts Wichtigeres zu diskutieren?“, fragt sie. Dennoch: Natürlich würde sie gerne Boateng als Nachbarn haben. „Ich möchte aber nicht neben Gauland wohnen“, sagt sie.

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Dessen direkte Nachbarn fürchten inzwischen Folgen für ihr Privatleben. Ende April hatten Unbekannte das Haus mit Farbbeuteln beworfen, mit Parolen und durchgestrichenen Hakenkreuzen besprüht, ein Sperrmüllhaufen wurde in Brand gesetzt. Seitdem fährt die Polizei verstärkt Streife. Ein Mieter, der in demselben Haus wie Gauland lebt und ebenfalls anonym bleiben will, sagte der Berliner Morgenpost: „Es macht mir keinen Spaß, mit ihm zusammenzuwohnen.“ Die Mieter stünden ihm gespalten gegenüber. Auch andere Nachbarn kommentieren das Verhalten des AfD-Politikers mit drastischen Worten. „Fürchterlich, widerwärtig, entsetzlich. Man macht sich Sorgen.“

Der Wesenskern der AfD

Für den früheren Potsdamer AfD-Fraktionschef Lothar Wellmann ist die scharfe bundesweite Kritik an Gauland gerechtfertigt. „Jetzt zeigt sich ganz klar, dass Gauland auf völkischem Niveau argumentiert“, sagt Wellmann. Damit zeige sich auch der Wesenskern der Partei. Wer das noch bestreite, betreibe Schönfärberei. Wellmann war vor mehr als einem Jahr aus der Partei ausgetreten und hatte ihre zunehmende „nationalistisch-völkische Ausrichtung“ beklagt.

Stefan Engelbrecht

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