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Bis Juni 2020 muss der Turm der Garnisonkirche stehen, andernfalls verfällt die Baugenehmigung. Um das zu schaffen, müsste 2017 Baustart sein. Diese Montage, die in der Breiten Straße steht, zeigt, wie der Turm sich ins Stadtbild fügen würde.

© B. Settnik/dpa

Garnisonkirche: Nur der Turm wird barock: Ein „ganz wichtiger Schritt“ zum Baubeginn

Um den Turm bauen zu können, ändert die Garnisonkirchen-Fördergesellschaft ihre Satzung – und verzichtet auf das Kirchenschiff. Das schien vor einem Jahr noch undenkbar. Damit rückt der Wiederaufbau in greifbare Nähe.

Von Peer Straube

Potsdam - Jetzt geht es nur noch um den Turm: Der Förderverein für den Wiederaufbau der Garnisonkirche ist über seinen Schatten gesprungen und hat aus seiner Satzung das Ziel einer „historisch getreuen und vollständigen“ Errichtung einer Kopie der Gotteshauses gestrichen. 118 Vereinsmitglieder stimmten am Samstag – bei nur vier Enthaltungen und fünf Gegnern – für einen neuen Vereinszweck: Dieser werde fortan „vorrangig verwirklicht durch die Förderung des Wiederaufbaus sowie der Erhaltung und der Nutzung der Potsdamer Garnisonkirche in enger Abstimmung mit der Stiftung Garnisonkirche“.

Den Garnisonkirchen-Gegnern entgegengekommen

Damit ist dem neuen Vorstand der Fördergesellschaft um den Rechtsanwalt Matthias Dombert gelungen, was noch vor einem Jahr undenkbar schien – nämlich, dass sich die Gesellschaft offiziell zu einem Verzicht auf den originalgetreuen Wiederaufbau auch des Kirchenschiffs bekennt. Bereits früher hatten prominente Mitglieder der Fördergesellschaft, allen voran Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), für dieses Ziel plädiert – nicht zuletzt, um den Kritikern des Projekts entgegenzukommen. Doch der damalige Vorstand der Fördergesellschaft um den Ex-Oberst der Bundeswehr, Burkhart Franck, hatte sich beharrlich gegen eine entsprechende Lockerung des Vereinszwecks gesträubt.

Das Wort Durchbruch mochte Wieland Eschenburg, Kommunikationsvorstand der für den Wiederaufbau verantwortlichen Garnisonkirchen-Stiftung, zwar nicht in den Mund nehmen. Allerdings sei das Votum der Mitglieder des Fördervereins ein „ganz, ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zum Baubeginn“, sagte er am Sonntag den PNN.

Millionen-Finanzspritze von der evangelischen Landeskirche

Denn mit dem Beschluss hat die Fördergesellschaft den Weg für eine satte Finanzspritze der evangelischen Landeskirche frei gemacht. 3,25 Millionen Euro sollen für das Wiederaufbauprojekt als zinsloses Darlehen locker gemacht werden, so soll es die Kirchensynode jetzt am Wochenende beschließen. Voraussetzung ist allerdings, dass nur noch der gut 88 Meter hohe Kirchturm in seiner historischen barocken Gestalt wiederersteht. Beim Kirchenschiff indes macht die Kirche eine Forderung ihres Chefs, Bischof Markus Dröge, zur Bedingung: Es müsse „durch eine neue architektonische Gestaltung schon äußerlich deutlich werden, dass neben der historischen Kontinuität auch der Bruch mit der Tradition“ zum Ausdruck komme. Im Klartext: Sollte es je ein Kirchenschiff geben, dann nur eines in moderner Architektur – ein sichtbares Zugeständnis an all jene, auch kircheninterne, Kritiker, die mit einer vollständig barocken Kirche vor allem den sogenannten Tag von Potsdam verbinden. Am 21. März 1933 hatten sich bekanntlich Hitler und Hindenburg vor der Garnisonkirche die Hand gegeben – die symbolische Geste gilt als Schulterschluss zwischen Nazis und National-Konservativen im Dritten Reich.

In dem Beschlusstext für die Synode wird mit lyrischen Worten um die Zustimmung der Delegierten geworben und explizit auf die neue Rolle der Kirche als Versöhnungszentrum hingewiesen: Die „entscheidende Problemzone“ sei nicht das Fehlen des Gotteshauses im Potsdamer Stadtbild, sondern die „Fehlstelle im menschlichen Herzen, das Gut und Böse zu kennen meint und die Unergründlichkeit und Zweideutigkeit des Menschen nicht wahrhaben“ will. Der Turm der Garnisonkirche lade ein, „die Frage nach dem Menschsein jeweils neu zu stellen“, als „Lernort deutscher Geschichte“ sollte er „einer nächsten Generation nicht vorenthalten“ werden.

„Geschichte erinnern – Verantwortung lernen – Versöhnung leben“

Erwähnt werden noch einmal die Details des Wiederaufbaus: Auf vier Etagen soll der Turm 1200 Quadratmeter Nutzfläche haben. Das Nutzungskonzept stehe unter dem Dreiklang „Geschichte erinnern – Verantwortung lernen – Versöhnung leben“, das „schlagende Herz“ des Aufbauprojekts werde die Kapelle mit etwa 100 Plätzen sein, die sich über zwei Geschosse erstreckt. Darin sollen Gottesdienste und Andachten gefeiert und alle kirchlichen Amtshandlungen vollzogen werden. In der dritten Etage sind mehrere Seminar- und Vortragsräume geplant, die ebenfalls Platz für etwa 100 Menschen bieten und in denen Bildungsarbeit stattfinden soll. Über dieser Ebene befindet sich die Ausstellungsetage, in der über die wechselvolle Geschichte der Kirche informiert werden soll. Auch eine Bibliothek ist geplant.

Für die Rückzahlung des Darlehens setzt die Garnisonkirchen-Stiftung auf die Einnahmen aus der in 57 Metern Höhe vorgesehenen Aussichtsplattform. Kalkuliert wird mit 610 000 Euro pro Jahr – errechnet mit einer geschätzten Besucherzahl von 80 000 per anno. Der Eintritt soll mit 3,50 Euro günstiger sein als der für die Nikolaikirche und das Pfingstberg-Belvedere.

Doch selbst wenn die Landeskirche das Darlehen beschließt, ist der Wiederaufbau noch nicht ausfinanziert. 26,1 Millionen Euro soll die zunächst abgespeckte Variante des Turms ohne Helm und jeglichen Zierrat noch kosten. Abzüglich des Kirchendarlehens fehlen noch 4,55 Millionen Euro, die bis zum Jahresende eingesammelt werden müssen, wenn es mit dem für 2017 angestrebten Baustart noch klappen soll. 2,8 Millionen Euro davon sollen von privaten Mäzenen eingeworben werden, für den Rest – immerhin noch 1,75 Millionen Euro – hofft man nach PNN-Informationen abermals auf die Hilfe der Kirche: Der Potsdamer Kirchenkreis und die Evangelische Kirche in Deutschland sollen ihr Scherflein zu dem Vorhaben beitragen. (mit Henri Kramer)

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Kein Zweifel, die Satzungsänderung der Garnisonkirchen-Fördergesellschaft ist historisch, mehr noch: Sie ist der entscheidende Durchbruch für das Projekt. Ein Kommentar >>

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