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Garnisonkirche in Potsdam: Mit Gott in den Krieg

Der Berliner Journalist Matthias Grünzig hat ein Buch über die Geschichte der Garnisonkirche im 20. Jahrhundert geschrieben Sein Fazit: Sie war schon in der Weimarer Zeit ein Treffpunkt der Rechten. Doch das Werk hat auch einige Mängel.

Potsdam - Ihr Wiederaufbau ist heiß umstritten. So mancher sehnt sie zurück, damit ein weiteres Stück barocke Pracht im Stadtbild auferstehe. Andere wiederum sehen in ihr ein verzichtbares Symbol rückwärtsgewandten Denkens: An der Potsdamer Garnisonkirche scheiden sich die Geister. Besonders belastet scheint das Gotteshaus vielen wegen seiner Rolle am 21. März 1933, dem „Tag von Potsdam“. Hier fand die zentrale Festveranstaltung aus Anlass der Konstituierung des neu gewählten Reichstags statt. Adolf Hitler hielt dabei in der Kirche eine Rede.

Der Theologe Friedrich Schorlemmer befand vor fünf Jahren, von der Garnisonkirche könne man die braune Asche nicht mehr abwaschen. Einen Wiederaufbau des Gotteshauses lehnt er daher ab. Doch wie viel braune Asche klebt wirklich an dem einst von Johann Philipp Gerlach ersonnenen Barockbau? Unter anderem dieser Frage ist der Berliner Journalist Matthias Grünzig in seinem kürzlich erschienenen Buch „Für Deutschtum und Vaterland“ nachgegangen. Der Autor zeichnet darin die Geschichte der Garnisonkirche im 20. Jahrhundert nach. Sein Fazit: In dem Sakralbau versammelten sich auch in der Weimarer Zeit bereits unzählige Mitglieder von Organisationen, die klar gegen die Demokratie eintraten. „Von hier aus wurde ein regelrechtes Trommelfeuer gegen die demokratische Ordnung eröffnet“, schreibt Grünzig.

Großveranstaltung für Antidemokraten an der Garnisonkirche

Demnach gehörten „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“, der Reichskriegerbund Kyffhäuser und auch der Alldeutsche Verband – allesamt weit rechts stehende Organisationen – in der Weimarer Zeit zu den Nutzern des Gotteshauses an der Breiten Straße. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), bis 1930 die führende republikfeindliche, antisemitische Partei im Deutschen Reich, wählte die Garnisonkirche ebenfalls mehrfach als Ort für Zusammenkünfte. Grünzig gibt einen Überblick über die zahlreichen Veranstaltungen, die in der Garnisonkirche stattfanden, etwa die von der DNVP organisierte Heldengedächtnisfeier vom 24. November 1919, bei der auch der vormals kaiserliche General Erich Ludendorff sprach. An diesem Tag habe sich, so Grünzig, „zum ersten Mal seit der Revolution das antidemokratische Lager mit einer Großveranstaltung“ zurückgemeldet. Zudem gab es, wie der Autor ausführt, in dem Gotteshaus während der Weimarer Zeit zahlreiche weitere Heldengedächtnisfeiern. Zu Jahrestagen der Seeschlacht vor dem Skagerrak fanden Gedenkfeiern statt sowie ein Trauergottesdienst zum zehnjährigen Jahrestag der Unterzeichnung des Versailler Vertrags. Grünzig beschreibt überdies die Verbindung der Garnisonkirche zur Kaiserfamilie.

Nicht nur den „Tag von Potsdam“, dem Grünzig ein eigenes Kapitel widmet, sondern auch die Nutzung der Garnisonkirche während der gesamten Zeit des Nationalsozialismus hat der Autor untersucht. Dabei weist er zahlreiche Veranstaltungen in der Kirche nach, die etwa von der NSDAP, der Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Mädel organisiert wurden. Fahnenweihen, Heldengedenkgottesdienste oder Feierstunden am Todestag Friedrichs II. – in dessen Tradition sich Hitler bekanntlich sah – fanden dort statt. Der Leser erfährt, dass 1935 eine Gedenktafel zur Erinnerung an den „Tag von Potsdam“ angebracht wurde. „Eine besondere Gestaltung erfuhr das Pult, an dem Hitler am 21. März 1933 seine Rede gehalten hatte; es wurde an jedem 21. März mit Tannengirlanden umkränzt“, schreibt Grünzig.

Mancher Aspekt bleibt unerwähnt

Der Berliner Autor hat sich für sein Werk intensiv durch die Zeiten gearbeitet. Das 383 Seiten umfassende Buch enthält immerhin über 1300 Fußnoten. Stilistisch ist es allerdings eher ein schlichter Wurf. Zudem wählt Grünzig eine Sprache, die deutlich macht, dass er die Geschichte des Gotteshauses mit heutigen Maßstäben messen will, was methodisch zweifelhaft erscheint. Ein Beispiel: Der Autor schreibt von „Diffamierungen“ der Franzosen, die es bereits vor 1918 in der Garnisonkirche gegeben habe. Dieser Befund ist zwar formal gesehen sicherlich nicht falsch. Doch legt Grünzig mit solchen Formulierungen gleichsam eine Folie, die aus unseren heutigen Wertvorstellungen besteht, über das damalige Geschehen. Besser wäre es hier wohl gewesen, statt von „Diffamierungen“ beispielsweise vom „Zeichnen eines Feindbildes“ zu sprechen.

Auch vermisst man als Leser bisweilen eine Einordnung der Geschehnisse in die damals reichsweit herrschenden Vorstellungen der Geistlichkeit. In welcher Weise gedachte man beispielsweise zur Zeit der Weimarer Republik innerhalb der evangelischen Kirche an vergangene Kriege? Drei – nicht in Grünzigs Buch enthaltene – Beispiele aus einem Amtskalender für evangelische Geistliche von 1930 mögen diese Thematik illustrieren: Unter dem 10. November findet sich dort der folgende vorgedruckte Eintrag: „Annahme der harten Waffenstillstandsbedingungen durch die neue Regierung 1918“. Am 11. November 1930 ist zu lesen: „Rückzugskämpfe an der Maasstellung (3.–11.) 1918“ sowie „schmachvolle Übergabe Magdeburgs 1806“. War also die Kriegsrhetorik in der Garnisonkirche – für die Grünzig, was durchaus verdienstvoll ist, viele Beispiele aus den Originalquellen nennt – womöglich teilweise so etwas wie ein nachgewürztes Konzentrat weit verbreiteter Vorstellungen innerhalb der evangelischen Kirche oder handelte es sich doch eher um einen Exzess? Als Leser würde man darüber gern mehr erfahren.

Eine Frage der Quellen

Grünzig zitiert auch aus republikfreundlichen Quellen der Weimarer Zeit, etwa dem sozialdemokratischen „Vorwärts“. Dabei wird einmal mehr deutlich: Zumindest in diesen Kreisen wurde jene Kriegsrhetorik abgelehnt – was zugleich bedeutet, dass die innerliche Abkehr vom Militarismus damals sehr wohl möglich war.

Unbelastet von diesen Fragen liest sich hingegen Grünzigs Kapitel zur Nachkriegsgeschichte des Gotteshauses, die er in seinem Buch ebenfalls anhand der Quellen detailliert aufzeigt. Besonders interessant dabei: Der Autor kommt zu dem Schluss, dass Walter Ulbricht bei seinem Potsdam-Besuch am 22. Juni 1967 – entgegen einer bislang verbreiteten Meinung – den Abriss der Garnisonkirchenruine nicht angeordnet hat. Der sei schon vorher beschlossene Sache gewesen.

Das Buch: Matthias Grünzig, „Für Deutschtum und Vaterland – Die Potsdamer Garnisonkirche im 20. Jahrhundert“, erschienen im Metropol-Verlag, 383 Seiten, 24 Euro.

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Lesen Sie mehr zum Thema: Zeithistoriker Martin Sabrow spricht im PNN-Interview über die Bedeutung der Garnisonkirche, ihre symbolische Aufladung und den geplanten Wiederaufbau.

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