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Tag der Sprengung. Im Juni 1968 wurde die Potsdamer Garnisonkirche abgerissen. Anfang der 1990er-Jahre ließ der Potsdamer Dokumentarfilmer Kurt Tetzlaff (r.) die an dem Entschluss Beteiligten in seinem Film „Die Garnisonkirche – Protokoll einer Zerstörung“ erneut zu Wort kommen, darunter auch Potsdams damalige Oberbürgermeisterin.

© Filmmuseum Potsdam

Garnisonkirche in Potsdam: Der Disziplin im Staat geopfert

Aus Anlass des 85. Geburtstages von Regisseur Kurt Tetzlaff zeigt das Filmmuseum seine Dokumentation zur Garnisonkirche.

Potsdam - Dieser Dokumentarfilm ist schon selber Zeitgeschichte. Entstanden Anfang der 1990er-Jahre. „Die Garnisonkirche – Protokoll einer Zerstörung“, so heißt das einstündige Werk des Dokumentarfilmers Kurt Tetzlaff. Der frühere Defa-Regisseur zeichnet darin detailliert den Untergang der Potsdamer Hof- und Garnisonkirche nach – von der Kriegszerstörung bis zur Sprengung der Ruine im Jahre 1968. Aus Anlass des heutigen 85. Geburtstages von Kurt Tetzlaff zeigt das Filmmuseum am morgigen Freitag um 19 Uhr seinen Film über den Niedergang der barocken Militärkirche.

Tetzlaff hatte sich im damals gerade wieder vereinigten Deutschland auf die Suche nach Spuren der untergegangenen Kirche begeben. Dabei förderte der Regisseur historisches Filmmaterial aus den Archiven zutage, das auch heute noch sehr sehenswert ist. So konnte er auf Farbbilder aus dem Potsdam der Vorkriegszeit sowie auf historische Filmaufnahmen, etwa vom „Tag von Potsdam“, zurückgreifen. Und Tetzlaff befragte Zeitzeugen, unter ihnen Brunhilde Hanke, die im Jahre 1968, als die Kirche gesprengt wurde, Potsdams Oberbürgermeisterin war. Vor der Kamera gibt sich Hanke nachdenklich: „Man hätte ,Nein’ sagen müssen“, räumt die einstige SED-Politikerin wenige Jahre nach dem Ende der DDR vor Tetzlaffs Kamera ein. Sie habe sich zwar anfangs „zaghaft dagegen gewehrt“, dass die Ruine des Gotteshauses abgerissen werden solle. Wenigstens den Turm habe sie erhalten wollen, sich später dann aber der Disziplin im Staat gebeugt.

„Dann hätte es eben ein anderer gemacht“

Auch andere, die in den 1960er-Jahren Verantwortung in der Stadtverwaltung trugen, zeigen sich vor der Kamera wenig überzeugt von ihrem damaligen Handeln. So hatte beispielsweise Karl-Heinz Rönn, Leiter der Staatlichen Bauaufsicht, in einem Schreiben an den Gemeindepfarrer Uwe Dittmer vom Oktober 1966 mitgeteilt, die Bauaufsicht sehe sich veranlasst, „die weitere Nutzung des gefahrdrohenden Bauwerkes“ zu untersagen. Im Film verteidigt Rönn diese Entscheidung nicht etwa mit fachlichen Erwägungen, sondern führt – wie auch Hanke – die Disziplin innerhalb des Staates als Grund an. „Das ist natürlich schwierig, solche Aufträge abzulehnen“, sagt Rönn. „Sich da passiv zu verhalten, das wäre also für mich – na, als Amtsleiter hätte ich das dann schon gar nicht vertreten können.“ Und, so Rönn: „Dann hätte es eben ein anderer gemacht.“

Ganz ähnlich argumentiert in der Doku der ehemalige Stadtarchitekt Werner Berg. Er hätte, sagt er, natürlich die Möglichkeit gehabt, durch einen Rücktritt Aufmerksamkeit zu erlangen. „Insofern muss ich mich da in meiner Diszipliniertheit mit moralisch verantwortlich fühlen.“

Garnisonkirche: Ein Film als Zeitzeugnis

Und doch gab es Menschen, die damals ihrem Gewissen folgend wenigstens ein kleines störendes Stöckchen zwischen die sozialistischen Räder warfen. So stimmten vier Potsdamer Stadtverordnete in der Sitzung am 26. April 1968 gegen den Abriss, unter ihnen der Historiker Gebhard Falk. Doch es gehörte eine Portion Mut dazu, sich eben nicht in die Disziplin des Staates einbinden zu lassen. „Ich war ängstlich, das muss ich sagen“, gibt Falk im Interview zu. „Und das ist auch ein Grund, dass ich mir weder vorher noch hinterher Aufzeichnungen darüber gemacht habe.“ Doch für ihn habe vor der Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung festgestanden: „Hier musst du ein Wort sagen, egal was passiert."

Der Beschluss der Stadtverordneten war damals lediglich herbeigeführt worden, um der schon zuvor an höherer Stelle getroffenen Abrissentscheidung eine scheinbare demokratische Legitimation zu verleihen. Das räumt auch Hanke im Interview ein. Tetzlaffs Film wartet mit interessanten Details dazu auf, wie man den Stadtverordneten in den Wochen vor der Abstimmung die eigentlich nötigen Informationen gezielt vorenthalten hatte. Inwieweit der Film allerdings die Rolle Walter Ulbrichts bei der Entscheidung für den Abriss zutreffend wiedergibt, darf im Hinblick auf die neueren Forschungen des Berliner Journalisten Matthias Grünzig zumindest bezweifelt werden. In seinem Buch „Für Deutschtum und Vaterland“ hatte Grünzig dem Filmemacher vorgeworfen, einzelne Sätze einer Rede Ulbrichts aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentstellend wiedergegeben zu haben. Doch spannend ist der Film für Potsdam-Liebhaber allemal – und eben schon selbst ein Zeitzeugnis.

„Die Garnisonkirche – Protokoll einer Zerstörung“ wird morgen um 19 Uhr unter Anwesenheit von Kurt Tetzlaff im Filmmuseum Potsdam gezeigt

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