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Landeshauptstadt: „Für Brandenburg ein Spitzenprodukt“

Arvid Boellert über die Perspektiven von Rohkunstbau, dem Festival für zeitgenössische Kunst, in Potsdam

Herr Dr. Boellert, wird es auch im kommenden Jahr Rohkunstbau in Potsdam geben?

Das kann ich nicht entscheiden. Das müssen andere entscheiden.

Sind in dieser Richtung schon Gespräche mit der Stadt Potsdam geplant?

Es hat schon erste Gespräche gegeben. Sonst hätte ich nicht im Juni im Kulturausschuss das Projekt Rohkunstbau vorgestellt. Wenn Potsdam etwas für Rohkunstbau macht, dann sollte das im besten Fall zusätzlich geschehen. Alle sollten davon profitieren. Das muss wie eine gemeinsame Bewegung sein, damit die Stadt in diesem Bereich so wahrgenommen wird, wie sie es sich wünscht.

Sie sprechen die Bildende Kunst an, die in Potsdam seitens der Verwaltung ziemlich stiefmütterlich behandelt wird?

Ob Bildende Kunst hier stiefmütterlich behandelt wird, weiß ich nicht, da ich hier noch neu bin. Ich vermute aber, dass Potsdam als Landeshauptstadt hier international leider etwas wenig wahrgenommen wurde.

Wo wir gerade von Geld sprechen, was müsste denn die Stadt Potsdam für Rohkunstbau investieren?

Das wären wie im Kulturausschuss behandelt 150 000 Euro. Ansonsten kann ich keine qualifizierten Mitarbeiter beschäftigen, die ich für so eine Veranstaltung brauche, geschweige denn kann ich Landes- und Bundesregierung weiter für Rohkunstbau faszinieren. Dann kommen noch Großsponsoren und Stiftungen hinzu.

Aber 150 000 Euro klingen nicht gerade wenig.

Ja, aber die vervielfachen sich mehrfach durch unsere Akquise – wo gibt es das heute noch?

Warum soll Rohkunstbau ausgerechnet nach Potsdam kommen?

Wir haben in Groß Leuthen, dem früheren Standort für die Ausstellungen von Rohkunstbau, die Erfahrung gemacht, dass Verträge in Bezug auf temporäre Immobiliennutzungen nicht galten. Darum brauchen wir einen verantwortlichen Eigentümer, der langfristig interessiert ist, seine Häuser den Bürgern zu öffnen. Und das ist die Stiftung Preussische Schlösser und Gärten. Ich habe in unserer damaligen Notlage Gespräche mit dem Generaldirektor der Stiftung, Hartmut Dorgerloh, geführt, der Rohkunstbau auch als Besucher kannte. Kurzfristig haben wir einen Kooperationsvertrag gefunden. Die Stiftung ist stiftungsrechtlich nicht in der Lage so wie wir zeitgenössische Kunst zu präsentieren. Hier ergänzen sich also ganz innovativ kulturhistorische und zeitgenössische Weltklasse, das ist und wäre einzigartig und damit für Brandenburg ein Spitzenprodukt.

Wie ist Rohkunstbau organisiert?

Es gibt ein professionelles Team mit Projektleiter, Produzenten, Büromanagement, PR, Designer etc., die das realisieren, was die Kuratoren mit mir konzeptionell auf den Weg bringen. Außerdem unseren Träger das Sozialpädagogisches Institut in Berlin und unseren Förderverein.

Und wie ist es um die finanzielle Basis bestellt?

Diese Basis ist im Vergleich zu anderen Projekten in der zeitgenössischen Kunst eine relativ gute, weil wir beispielsweise durch die Bundeskulturstiftung eine Projektförderung erhalten, die bis 2008 läuft. Wenn man so eine Ausstellung zum Beispiel in London realisieren würde, kann das leicht eine Million Euro kosten. Das ist bei uns nicht so, aus unterschiedlichen Gründen. Und so sind wir sicher nicht billig für brandenburgische Verhältnisse. Aber im internationalen Vergleich enorm preiswert und finanziell nicht auf dem Level, auf dem wir aber inhaltlich seit einigen Jahren spielen.

Warum bleiben Sie unter diesen Bedingungen mit Rohkunstbau in Brandenburg?

Ich komme aus Brandenburg, deshalb will ich das hier auch weitermachen, so lange es die Bedingungen erlauben. Das heißt der neue Ort müsste nicht nur aus kulturpolitischen Gründen für lange Zeit inklusive einer Sammlung, Stiftungsgründung und perspektivisch ganzjähriger Öffnung verfügbar sein.

Wie kam es eigentlich zu dem Namen Rohkunstbau?

Wir haben 1994 in einer Rohbauhalle im Spreewald angefangen, die für die Arbeiterfestspiele 1989 gebaut, durch die Wende aber nicht fertig gestellt wurde. Und dann haben wir die Halle nutzbar gemacht und fünf Jahre lang bespielt.

Wie sind sie eigentlich auf die Idee gekommen, in einer nicht fertigen Halle Kunst auszustellen?

Der Antrieb war, etwas zu tun, was fehlt. Was einem selbst oder einer Region fehlt. Und von Jahr zu Jahr hat sich das weiterentwickelt.

Danach kamen Ausstellungen im Schloss von Groß Leuthen, in Berlin, in Köln jetzt die Ausstellung im Schloss Sacrow. Gehört es zum Konzept von Rohkunstbau, Bildende Kunst an historischen Orten zu zeigen, wo sie auf den ersten Blick gar nicht hinpasst?

Ja, das ist der Kern. In einem Museum beispielsweise geht es um die absolute Konzentration. Bei uns geht es aber um ein Kämpfen der Kunst gegen und mit dem Raum. Eine Auseinandersetzung, auf die wir es auch anlegen.

Was ist der Inhalt der aktuellen Ausstellung „Drei Farben Weiß“?

„Drei Farben Weiß“ ist der zweite Teil einer Trilogie, zum grundsätzlichen Thema vom demokratischen Ideal der Gleichheit. Die Auseinandersetzung im Vergleich mit den demokratischen Idealen Freiheit und Brüderlichkeit ist hier um einiges schwieriger. Mit Sacrow haben wir einen historischen Ort, direkt an der ehemaligen Mauer, die früher einen Staat abschirmte, in dem die Gleichheit das größte Ziel war und wo durch die Teilung eines Staates, einer ganzen Nation, die größte Ungleichheit geschaffen wurde. Einen historisch noch besser passenden Ort kann man eigentlich gar nicht finden.

Wie erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Ideal Gleichheit in der Ausstellung in Sacrow?

Da gibt es Abstrakt-Formales und Ästhetisches, aber auch wie in Kieslowskies Filmtrilogie, auf die sich die sich unsere Ausstellungstrilogie bezieht, viele persönliche Geschichten.

Bildende Kunst macht es dem Betrachter mit dem Verstehen nicht immer leicht. So ist es auch mit der Ausstellung von Rohkunstbau im Schloss Sacrow. Manchmal wünscht man sich mehr Erklärungen darüber, was das nun alles bedeuten soll.

Ich halte wenig davon, wenn Besucher sich ausführlich vorher informieren müssen, um zu verstehen. Eine Ausstellung sollte auch ohne Erklärungen funktionieren – nämlich sinnlich. Für mich ist wichtig, dass die Leute berührt werden und so den Inhalt der Arbeiten entdecken können. Dann kommen der Ausstellungsführer, die umfangreichen Schilder, das Katalogbuch. Auch sollte es in einer Ausstellung immer Favoriten geben, zwei, drei Arbeiten, die man richtig toll findet, zwei, drei Arbeiten, die man überhaupt nicht leiden kann. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Besucher, die vor Jahren eine Ausstellung von Rohkunstbau besuchten, in der Erinnerung noch die Räume durchgehen können, sich also noch genau erinnern.

Ist Rohkunstbau immer auch ein Experiment?

Im Kern muss es ein Experiment sein, denn es werden absolut neue und einzigartige Werke geschaffen.

Sollten sich die Stadt Potsdam und die Stiftung Preussische Schlösser und Gärten für Rohkunstbau entscheiden, wäre dann das Schloss Sacrow der Standort auf Dauer?

Sacrow wäre einer meiner Vorschläge für Potsdam. Aber unter den Bedingungen, die wir derzeit dort haben, also die Beschränkung der Öffnung der Ausstellung aufs Wochenende, ist das wirtschaftlich für uns und auch für die Landesregierung wohl inakzeptabel. In diesem Jahr hat uns diese Notlösung gerettet. Da können wir der Schlösserstiftung nicht dankbar genug sein. Aber für die Zukunft brauchen wir bessere Bedingungen. Die kann ich kann ich nur anmahnen.

Wie geht es nach dem Ende der Ausstellung weiter?

Wir verhandeln jetzt über Orte. Ich bin bis September im ganzen Land Brandenburg, aber auch in Berlin unterwegs, schaue mir Orte an und höre mir an, was die Eigentümer und die verantwortlichen Politiker anbieten. Viel später darf es auch nicht sein, denn der dritte Teil der Trilogie ist geplant und die Künstler brauchen Zeit, um sich vorzubereiten. Bis dahin müsste auch das Land, die SPSG und die Stadt Potsdam eine Richtungsentscheidung getroffen haben, sonst könnten wir keine professionelle Produktion ermöglichen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

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