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Landeshauptstadt: Für Autosammler und Puppenmütter

Im Spielzeugladen „Ottokar“ von Gundula Koch-Lüttel geht Erwachsenen und Kindern das Herz auf

Was für ein Paradies! Wo soll man hier zuerst hinschauen, was ausprobieren, in die Hand nehmen? Wer den Spielzeugladen „Ottokar“ in der Jägerstraße betritt, wird überrascht feststellen, dass trotz der Fülle an allem, was ein Kinderherz erfreut, auch noch Menschen in den Laden passen – in die schmalen Gänge zwischen aufgebauten, kindsgroßen Kaufmannsläden, Puppenhäusern, Aufstellern mit Sandspielzeug und Schwimmflügeln, Regalen mit Käthe-Kruse-Puppen und Eisenbahnsets.

„Jaja, hier kommen oft Leute rein, die bei uns Spielzeug aus ihrer Kinderzeit entdecken“, sagt „Ottokar“-Inhaberin Gundula Koch-Lüttel. So habe eine Dame Holzkreisel und Peitsche mitgenommen. Ob die Enkelkinder damit zurechtkamen, das wisse sie nicht. Auch zwei wunderbare Holzpuppenhäuser haben, kaum ausgepackt, Abnehmer gefunden, sagt eine Mitarbeiterin. „Ach, wie schade“, rutscht es Gundula Koch-Lüttel raus. Irgendwie hängt sie an den Dingen, die hier verkauft werden.

2006 kam die heute 59-Jährige aus Berlin nach Potsdam. Nach Jahren als Pädagogin und Kitaerzieherin eröffnete sie dann einen Spielzeugladen im Holländischen Viertel, zog vor zweieinhalb Jahren in die Jägerstraße. „Ich bin ein Mensch der kleinen Schritte“, sagt sie. Im neuen Domizil sei endlich mehr Platz für ein umfassendes Angebot gewesen. Auch wenn sie sich dennoch einschränken muss. Aber das sei nicht schwierig. Sie hat ein Motto, nachdem sie aussucht, was sie in ihre Regale stellt. „Meine Dinge sollen das Herz berühren und den Geist beflügeln“, sagt sie, springt auf und holt ein Kinderbuch. Das legt sie sich auf die Knie und beginnt, Buchstaben kopfüber, vorzulesen.

Gundula Koch-Lüttel macht sich viele Gedanken über das, was sie verkaufen will. Darüber, wie Kinder spielen, was sie brauchen – oder auch nicht. Wenig sei zwar mehr, also lieber ein stabiles, wertvolles Spielzeug als mehrere, die nicht lange halten – aber mit Spielzeug sei es wie mit manchen Erwachsenendingen. „Ich habe eine Leidenschaft für Handtaschen, hab also mehr als eine“, sagt die Pädagogin. Genauso gebe es „Ein-Puppen-Kinder“ oder Mädchen, die eine ganze Puppenfamilie brauchen, sich um diese liebevoll kümmern und damit spielen. „Auch Kinder entwickeln eine Sammelleidenschaft, Jungs zum Beispiel brauchen einfach viele Autos.“ Diese gibt es bei Ottokar aus stabilem Holz und in vielen Größen, aber auch im Taschenformat. Es gibt Piraterie- und Ritter-Ausrüstung, Saurierforscherzubehör, Polizeiuniformen und Netze voller Bauklötze. Es gibt Balletttrikots und Babypuppen, lebensgroß oder für die Patschhände von Zweijährigen, Prinzessinnenkrönchen, Puppengeschirr und jede Menge mobiles Gerät, Rutschräder, Puppenkarren, Schaukelpferde. Was Eltern hier vergeblich suchen, ist die Abteilung populäres Plastik. Keine blonden Barbies, rosa Ponys oder riesige Legokästen, Letzteres möglicherweise auch aus Platzgründen. „Soll doch die Tante eine Barbiepuppe schenken – die Eltern hingegen transportieren Werte und sollten zu einer klaren Linie stehen, wenn sie eine haben“. Immerhin, im Ottokar gibt es sogar eine anatomisch korrekte Jungspuppe und farbige Exemplare. Die hießen früher Negerpuppen, aber das darf man heute nicht mehr sagen, finden die Kolleginnen im Laden.

Neben all dem pädagogisch Wertvollem, das gern mal etwas teurer ist, dafür aber länger hält, gibt es bei ihnen auch Glück für kleines Geld: Klebetattoos und Vampirgebisse, Minimonster, die man sich auf einen Finger stecken kann, Knobelspielzeug für eine lange oder gar langweilige Autofahrt.

Für Quengelkinder wurden direkt im Laden Spieltische aufgebaut, damit die Eltern in Ruhe auswählen können. Und für Problemsituationen, wenn ein Kind auf einem Sofortkauf besteht und Gundula Koch-Lüttel die Not der Eltern spürt, hat sie besondere Tricks auf Lager. „Das Kind bekommt dann einen schönen bunten Katalog und ich sage: Schneide erstmal alles aus und klebe auf, was dir gefällt – das funktioniert immer.“ Auch Kinder können sich in Geduld üben, findet sie.

Grundsätzlich, so Koch-Lüttel, besitzen Kinder heute zu viele Spielzeuge, verbringen dafür aber weniger Zeit mit ihren Eltern verbringen. „Und wir waren früher oft draußen stromern – macht heute auch kaum noch ein Kind.“ Sie selbst hat bereits drei Enkelkinder und sie meint, dass eine wachsende, junge Stadt auch in der Innenstadt fußläufig so einen Laden braucht. Denn Spielzeug werde längst nicht mehr nur zu Weihnachten und Geburtstagen gekauft.

Ottokar, Jägerallee 26, www.ottokar-in-potsdam.com

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