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Den Königen auf der Spur. Am Mittwoch war Gästeführer Hans Lammert-Hartmann an den Neuen Kammern von Sanssouci unterwegs. Bei seinen Stadtführungen speziell für Migranten will er Kultur und Geschichte vermitteln. Für Teilnehmer der „Lernwerkstatt“ der Potsdamer Volkshochschule sind sie kostenlos.

© Andreas Klaer

Führungen in Potsdam: Preußen für Anfänger

Gästeführer Hans Lammert-Hartmann bietet Schlösser-Rundgänge für Migranten an. Er will ihnen Geschichte und Kultur nahebringen.

Von Birte Förster

Potsdam - Wer ist die Schöne da oben an der Decke? Alle recken die Köpfe nach oben, als Hans Lammert-Hartmann auf etwas Besonderes zeigt. Eine Venus, die Göttin der Liebe, ziert als eines von zahlreichen Kunstwerken die Neuen Kammern am Schloss Sanssouci. „Weiß jemand, wie sie heißt?“, fragt der erfahrene Gästeführer zuvor die Teilnehmer, immer in der Absicht, alle mitzureißen. Schließlich ist für die Teilnehmer, die ursprünglich aus anderen Kulturkreisen stammen, vieles neu.

Die Führung richtet sich ausschließlich an Migranten, die die „Lernwerkstatt Deutsch“ der Volkshochschule im Bildungsforum besuchen. „Uns ist eingefallen, dass wir nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur vermitteln wollen“, erklärt Lammert-Hartmann das Ziel der Führung, die für die Migranten, darunter auch viele Geflüchtete, kostenlos ist. Schließlich seien in Potsdam die Schlösser, Gärten und Könige ein wichtiger Teil der Geschichte und Kultur. Die besondere Führung für die Schüler der Lernwerkstatt fand am gestrigen Mittwoch zum dritten Mal statt. Jedes Jahr finden zwei solcher Führungen statt, eine im Frühling, eine im Herbst.

Weiter geht es durch die Räume der Neuen Kammern mit Lammert-Hartmann, der seit 2010 als Schloss- und Parkführer bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten tätig ist. Er erzählt vom Preußenkönig Friedrich dem Großen, der hohe Militärs aus ganz Europa ins Schloss einlud, zeigt einen Tisch, auf dem ein Teeservice der Königlichen Porzellan-Manufaktur angerichtet ist und schlägt dann den Bogen zu aktuellem Zeitgeschehen. Auf mehreren Bildern, die in den Räumen hängen, sind historische Ansichten von Potsdam zu sehen. „Viele der Gebäude gibt es noch oder wieder“, betont der 59-Jährige, der seit neun Jahren in der Landeshauptstadt lebt. Er zeigt auf ein Gemälde des Stadtschlosses und erklärt seinen Zuhörern, dass es nach der Zerstörung wiederaufgebaut worden sei und sich darin inzwischen der Brandenburger Landtag befinde.

Nach einem Rundgang durch die Neuen Kammern geht es bei strahlendem Sonnenschein hinaus in den Schlossgarten. Lammert-Hartmann erzählt von der besonderen Struktur der Gärten, die nach italienischem Vorbild angelegt sind. Im Sommer würden Pflanzen aus der Orangerie, darunter Orleander und eine riesige Palme, dort aufgestellt. Im Mai würden auch die Brunnenanlagen in Betrieb genommen. „Dann sprudelt hier alles“, sagt er und lächelt.

Lammert-Hartmann, der seit anderthalb Jahren selbst einmal die Woche in der Lernwerkstatt Deutsch unterrichtet und früher als Sozialarbeiter tätig war, wählt seine Worte mit Bedacht und spricht deutlich, um für seine Zuhörer verständlich zu sein. Er arbeitet viel mit Gestik. Seine Begeisterung für die Materie ist ihm anzumerken. Mit seinen Führungen setzt er sich auch kritisch auseinander. Der letzte Rundgang, der ins Neue Palais führte, habe die Zuhörer ein wenig überfordert, ist sein Eindruck. Es sei „zu viel an Sprache, was da stattfindet“, beschreibt er es. Besser seien kleinere, intimere Schlösser – eben wie die Neuen Kammern. Mit der heutigen Führung ist er zufrieden.

Dem stimmen auch seine Teilnehmer zu. „Hans ist sehr gut“, sagt zum Beispiel Mimosa Nowacka nach dem Rundgang. Die Venezolanerin hat bisher an allen drei Führungen teilgenommen. Vor zwei Jahren verließ sie mit ihrem deutschen Mann aufgrund der schwierigen politischen Verhältnisse ihr Heimatland und zog aus Caracas in die brandenburgische Landeshauptstadt. „Ich möchte jede Ecke von Potsdam kennen“, sagt die Kunst- und Kulturbegeisterte entschieden. Neben den Führungen verbringe sie selbst auch viel Zeit in den Potsdamer Schlössern und Gärten und lese viel über die Historie, erzählt die Mutter von zwei Kindern, die beide in Berlin studieren. In ihrer neuen Heimat fühlt sie sich wohl. „Potsdam ist sehr schön“, sagt sie.

Mit dabei ist auch Abakar Mahamat, der vor etwa vier Jahren aus dem Tschad nach Deutschland gekommen ist. „Ich habe viel Neues über die deutsche Geschichte gelernt“, sagt der 21-Jährige. Wie auch Mimosa Nowacka erfuhr er über die Lernwerkstatt von den Schloss- und Parkrundgängen mit Hans Lammert-Hartmann. Seit fast drei Jahren geht er regelmäßig zum Deutschunterricht ins Bildungsforum. „Das hat mir sehr geholfen“, sagt er. Es sei nicht einfach, alleine zu Hause zu sitzen, erinnert er sich an seine Anfänge in dem neuen Land. Neben der Lernwerkstatt macht er an drei Tagen pro Woche ein Praktikum als Pflegehelfer in einem Krankenhaus.

An den Angeboten der Lernwerkstatt könnten Migranten, egal ob Geflüchtete oder andere, kostenlos teilnehmen, erklärt Olga Grabarczyk, die die Deutschkurse koordiniert und selbst unterrichtet. Denn nicht für jeden würden Integrationskurse bezahlt. „Diejenigen, die kein Recht auf einen Deutschkurs haben, sitzen sonst zuhause“, weiß sie. In die Lernwerkstatt, in der laut Grabarczyk 50 Ehrenamtliche arbeiten, könne jeder kommen, sagt sie. Niemand müsse sich verpflichten, auch eine vorige Anmeldung sei nicht nötig.

Zu dem Sprachunterricht sind die Schloss- und Parkführungen gewissermaßen das kulturelle Sahnehäubchen. Für die nächste Führung im Herbst hat Hans Lammert-Hartmann schon eine Idee. Zum Schloss Cecilienhof möchte er seine Truppe dann führen. Schließlich sei es mit dem Abschluss des Potsdamer Abkommens und der daraus resultierenden späteren Teilung Deutschlands ein bedeutender Ort in der Historie. Dann geht es für die Teilnehmer an ein neues Kapitel deutscher Geschichte.

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