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Frisch vom MARKT: Sonne im Pelz

Klein und schmächtig wirken sie neben den großen Verwandten, beinahe mickrig. Kaum vier Zentimeter misst ihr Durchmesser.

Klein und schmächtig wirken sie neben den großen Verwandten, beinahe mickrig. Kaum vier Zentimeter misst ihr Durchmesser. Die Importierten schaffen das doppelte und sehen zudem viel schöner aus. Oder sie sind platt – Plattpfirsiche waren vor wenigen Jahren der letzte Schrei im Obstregal.

Und doch greift die Frau am Stand von Manfred Muche zu den Pfirsichen, die hier in Brandenburg schon immer in den Gärten wuchsen. Kleine, überwiegend grüne Dinger, ein bisschen fleckig, nur hier und da ein Hauch von Gelb und Rot. Der Pelz ist dicht und kratzig. Aber dieser ostsozialisierte Pfirsich, der deutsche, frisch vom Baum in Glindow, der ist unschlagbar, wenn es um das Aroma geht. In diesem Jahr ist es eine wahre Freude. Es ist ein tolles Pfirsich-Jahr, im Winter gab es Frost, den der Baum zur späteren Blütenbildung unbedingt braucht – Vernalisation heißt dieses Phänomen. Dann kam der prächtige Sommer. Die Früchte haben die Sonne geschluckt.

„Damit verbinde ich Kindheitserinnerungen“, sagt die Dame, die erst an den Früchten schnuppert und dann ein Schälchen kauft. Wenn sie Zeit hätte, würde sie sogar Marmelade kochen, dafür eignen sie sich sehr gut. Sie hat aber leider keine. „Die werde ich einfach so naschen“, sagt sie.

Manfred Muche und Obstbauer Thomas Behrendt, Standnachbarn auf dem Bassinplatz, freuen sich, wenn die Kunden wieder zu den alten Sorten greifen. „Nach der Wende wollten alle das Neue und wir haben die Bäumchen aus DDR-Zeiten rausgeruppt“, sagt Behrendt. Dann aber merkten die Leute, dass die dicken Dinger aus dem Supermarkt manchmal weder richtig reif werden noch den Geschmack mitbringen. Die frischen aus Italien sind zur Zeit durchaus saftig und süß – aber dieses herb-fruchtige Aroma, diesen Duft aus dem Bauerngarten, den bringen nur die kleinen mit.

Wenn sie am Markt ankommen, sind einige noch etwas fest, aber den richtigen Zeitpunkt zum Pflücken zu finden ist nicht ganz einfach. Reife Pfirsiche lassen sich schlecht lagern, sagt Behrendt. „Aber keine Angst, da können Sie zugucken, wie die weich werden“.

Vielleicht muss man sich auch verabschieden von dem Gedanken, dass frisches Obst immer perfekt und makellos aussehen muss. Die kleinen aus Glindow haben auch mal eine Beule oder ein paar dunkle Sprenkel. Authentisches aus der Region, klimaneutral und voller Geschmack. Das Fruchtfleisch ist weiß bis gelblich, es löst sich leicht vom Kern. Die Haut lässt sich auch ohne Blanchieren leicht abziehen.

Der Pfirsich, ein Steinobst aus der Familie der Rosengewächse, ist voller Kalium, Magnesium und Vitamin C und soll seit 6000 vor Christus in China gewachsen sein. Spätestens seit 2000 vor Christus wurde er dort gezielt gepflanzt und auf Größe gezüchtet. Heute ist China der mit Abstand größte Pfirsichproduzent der Welt. Die Frucht symbolisiert Unsterblichkeit – und noch einiges mehr: Unter den Emojis soll er das Symbol für den Frauenpo sein. Erscheint einem ein Pfirsich im Traum, soll das auf erotische Bedürfnisse hinweisen. Und Hildegard von Bingen, die große Naturkundlerin, empfahl die komplette unreife Frucht samt Blättern, Wurzel, Harz und Rinde zur äußerlichen Anwendung bei tränenden Augen, Kopfschmerzen und Gicht.

Gibt’s auf dem Markt am Bassinplatz. Gezeichnet wurde der Pfirsich von der Potsdamer Künstlerin Heike Isenmann.

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