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Das Denkmal ist noch nicht fertig, daher wurde mit großen Fotos an Bauzäunen an die Demonstration von 1989 erinnert. 

© PNN / Ottmar Winter

Friedliche Revolution in Potsdam: Erinnerung an Großdemonstration auf dem Luisenplatz

Am Luisenplatz wurde am Montagabend an die große Bürgerrechtsdemonstration vom 4. November 1989 erinnert. Allerdings noch ohne das lange geplante Denkmal.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Eigentlich hätte es die feierliche Enthüllung eines Denkmals werden sollen, zu der sich am gestrigen Montagabend die Menschen auf dem Luisenplatz versammelten. Denn spätestens ab dem 4. November 2019 sollte hier mit Bodenplatten an die Ereignisse von vor 30 Jahren erinnert werden, an die größte Bürgerrechtsdemonstration in Potsdam wenige Tage vor dem Mauerfall. Doch das Denkmal ist noch nicht fertig, es ist noch nicht einmal entschieden, wie es genau aussehen soll. So musste die offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt zu diesem wichtigen Jahrestag mit Bauzäunen auskommen, auf denen provisorisch großformatige Bilder angebracht worden waren.

Zehntausende Potsdamer waren am 4. November 1989, einem Samstag, auf den damals noch Platz der Nationen genannten Luisenplatz gekommen. Sie demonstrierten für freie Wahlen, für Presse- und Versammlungsfreiheit und gegen die Einstufung des Neuen Forums als verfassungsfeindlich. Erstmals trauten sich die Menschen damals auch in großem Stil, Plakate und Transparente zu zeigen, auf denen sie ihre Forderungen kundtaten. Besonders eindrücklich ist dies auf einem Bild des Fotografen Bernd Blumrich zu sehen, der von einem Balkon aus die Menschenmassen aufnahm. Auf seinem Foto sind auch zahlreiche Losungen zu entziffern – etwa „Mauerland in Bauernhand“, „Die Karre aus dem Dreck ziehn nicht die alten Pferde“, „Freie Wahlen, Wahre Zahlen“, „Stasi raus aus den Betrieben“ oder „Gebt mir ein Visa zu meiner Oma Lisa“.

Ein historisches Foto ist die Grundlage des Denkmals

Blumrichs Bild ist es auch, das die Grundlage für das Denkmal an eben jenem Ort bilden soll. Die Initiatorinnen Heike Roth und Gabriele Schnell hatten bereits 2013 die Idee, anhand der Plakate an die Ereignisse 1989 zu erinnern. Sie schlugen vor, exakt an den Orten, an denen die Transparente gezeigt wurden, Platten in den Boden einzulassen und an diese zu erinnern.

Die Stadtverordneten begrüßten den Vorschlag damals und beauftragten die Stadt mit der Durchführung. Doch die Mühlen mahlten langsam. „Unser Vorschlag mäanderte dann abgekoppelt von uns durch die Stadtverwaltung“, sagte Heike Roth am Montag bei den Feierlichkeiten zum Jahrestag. Die Ausschreibung für die Gestaltung sei dann erst vor einigen Wochen erfolgt – viel zu spät für den 30. Jahrestag.

Neun Vorschläge wurden am Montag gezeigt

Immerhin konnten gestern aber die Entwürfe präsentiert werden, die dann am Abend gezeigt wurden – Heike Roth selbst übernahm hier die Moderation. Neun Künstler hatten sich an dem anonymen Wettbewerb beteiligt und Skizzen eingereicht. Die Vorschläge reichen von einer weißen, in den Boden eingelassenen Silhouette, die Demonstranten und Plakate zeigt, über bunte Flachreliefs mit den Losungen von 1989 bis zu unter Bodenglas eingelassenen Transparenten - wir zeigen sie hier im Einzelnen. Mit dem Denkmal solle mit Respekt, Dankbarkeit „und auch ein bisschen Demut“ daran erinnert werden, wofür die Potsdamer damals auf die Straße gegangen sind, so Roth. Man dürfe sich den Blick auf den 4. November nicht durch die Ereignisse, die danach vieles überschatteten, verstellen lassen.

Als nächsten Schritt soll nun eine Jury die Vorschläge auf Originalität und Machbarkeit prüfen und eine Auswahl treffen, so Tobias Büloff, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Erinnerungskultur und Gedenken bei der Stadt auf PNN-Anfrage. Die Jury bestehe aus Verwaltungsmitarbeitern, Künstlern und Architekten, sie soll im Dezember tagen. „Dann gibt es die Überlegung, eine Bürgerbeteiligung zu starten“, so Büloff. Der Siegerentwurf werde dann bereits im Laufe des Jahres 2020 umgesetzt. „Das Projekt ist jetzt ins Rollen gekommen“, sagte er. Dass es nicht früher geklappt habe, habe auch an der lange unklaren Finanzierung gelegen.

"Die Angst hat die Seiten gewechselt" 

Nicht nur das künftige Denkmal, auch die Vergangenheit war gestern Thema auf dem Luisenplatz. Annette Flade, eine der Organisatorinnen der Demonstration vom 4. November 1989, berichtete auf der Bühne vor etwa 150 Zuhörern, wie sie vor 30 Jahren mit zitternden Knien auf dem Balkon stand, den eine Anwohnerin kurzerhand als Rednertribüne zur Verfügung gestellt hatte. Noch wenige Wochen zuvor waren Demonstranten auch in Potsdam auseinandergetrieben und verhaftet worden – doch diesmal sollte alles ruhig bleiben, die Polizei griff nicht ein.

Denn, so Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Montag auf dem Luisenplatz: „Die Angst hatte die Seiten gewechselt.“ Dicht an dicht hätten die Potsdamer hier gestanden, mit festem Willen, der arroganten Staatsmacht entgegenzutreten. Ihre Forderungen formulierten sie am Mikrofon und auf vielen, zum Teil sehr phantasievollen Transparenten, so Schubert. Beim nächsten Gedenken werden diese vielleicht im Mittelpunkt stehen – wenn jetzt nichts mehr schief läuft.

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