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Ausgefuchst. Mit liebevoll gestalteten Steinen wollen die Gärtner auf der Freundschaftsinsel den Besucherstrom leiten. Gerade rund um die vielen Skulpturen sei eine „Selfiekultur“ entstanden, unter der die Bepflanzung im Gartendenkmal leidet.

© Ottmar Winter PNN

Freundschaftsinsel in Potsdam: Chefgärtner gegen nächtliche Öffnung

Die Freundschaftsinsel ist in Corona-Zeiten besonders gut besucht. Konfliktpotenzial will das Team um Chefgärtner Thoralf Götsch mit Aufklärung abbauen. Eine nächtliche Öffnung der Anlage lehnt er ab.

Potsdam - Das verwitterte Aststück erinnert an Strandgut, auch ein bunt bemalter großer Stein liegt im Beet. „Bitte bleiben Sie auf den Wegen“, ist darauf zu lesen. Hinter der Barriere steht die Skulptur eines Fuchses – äußerst beliebt bei Besucherinnen und Besuchern, wie Thoralf Götsch, der leitende Gärtner auf der Freundschaftsinsel, sagt: „Es gibt eine richtige Handy- und Selfiekultur.“ Neben dem Fuchs zählen auch das Paar unterm Regenschirm und das Pony zu gefragten Motiven. Die Gärtner merken das an kahlen Stellen und Schäden in den Pflanzungen rund um die Kunstwerke.

Die blühende Insel im Herzen der Stadt erlebt in der Corona-Pandemie mehr Zulauf als sonst. Gezählt wird zwar nicht, sagt Götsch, der seit 2013 Inselgärtner ist. Der 50-Jährige und sein rund zehnköpfiges Team spüren die Auswirkungen aber. Das reicht von Schäden an Beeten über Trampelpfade bis hin zu mehr Müll wie Einweggeschirr – das Inselcafé darf coronabedingt derzeit nur im „To Go“-Betrieb öffnen. Täglich reinigen die Gärtner die Anlagen.

Aufklärung statt "Besucher-Bashing"

Götsch geht die Probleme konstruktiv an. Wie bei den Skulpturen: Mit bemalten Hinweissteinen und Aststücken wolle man Besucher sensibilisieren, ohne gleich Einzäunungen vorzunehmen. „Wir versuchen – so charmant wie möglich – solche Sachen zu korrigieren“, erklärt Thoralf Götsch. Er spreche Inselbesucher auch an, wenn er sieht, dass sie beispielsweise auf den Wiesen im Inneren des Gartens lagern. 

Aufklärungsarbeit lohnt sich, ist der Gärtner überzeugt: „Wenn die ersten Gäste auf der Wiese liegen, kommen die nächsten mit Federball, die nächsten mit Fußball – und dann geht es in die Pflanzungen“, sagt er. „Man muss immer dranbleiben, damit gar nicht erst falsche Sitten einreißen.“ Dabei gehe es nicht um „Besucher-Bashing“, betont er: „Wir sind für die Besucher da, sie gehören dazu.“

Gartendenkmal mit seltenen Pflanzensorten

Die Reaktionen seien fast immer positiv. Vielen sei gar nicht bewusst, dass es sich um ein Gartendenkmal mit seltenen Pflanzensorten und einem hohen Pflegeaufwand handele: „Dem Garten soll man ja auch nicht ansehen, was für eine Mühe drinsteckt.“ Das müsse jeder Generation neu vermittelt werden. Götsch zeigt auf Fahrradspuren in einem Beet von etwa fünf mal fünf Metern. Die Pflanzen scheinen in Winterruhe, der Laie erkennt nichts besonderes. 

Idyll in der Stadtmitte. Die Insel wurde erstmals 1941 als Staudengarten eröffnet.
Idyll in der Stadtmitte. Die Insel wurde erstmals 1941 als Staudengarten eröffnet.

© Ottmar Winter PNN

Es handele sich um Phloxe, Flammenblumen, erklärt der Inselgärtner – und zwar seltene Foerster-Sorten, die es im Handel nicht gibt und die extra für die Insel angezogen wurden. Mehr als 200 verschiedene Staudenzüchtungen des Gärtners und Garten-Philosophen Karl Foerster (1874-1970), dem Vater der Insel, sind heute dort vertreten. Die Pflanzen wurden „in einer europaweiten Suchaktion zusammengetragen“, heißt es. „Wer das nicht weiß, achtet es nicht“, sagt Götsch.

Weltfestspiel und Bundesgartenschau

Der 1941 eröffnete Staudengarten in der Havel war eine Initiative Foersters. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde er ab 1953 wieder aufgebaut, in den Jahren 1972/73 in Vorbereitung auf die „Weltfestspiele der Jugend und Studenten“ in Berlin dann mit Festwiese, Restaurant, Bootshafen, Freilichtbühne und Ausstellungspavillon erweitert. In den 1990er Jahren wurde das Gartendenkmal erneuert. Es war Teil der Bundesgartenschau 2001 – damals entstand die Fußgängerbrücke über die Alte Fahrt.

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Dass in die Freilichtbühne mit der Bürgerstiftung demnächst kulturelles Leben auf die Insel kommt, sieht Götsch zwiegespalten. Einerseits befürworte er kulturelle kostenlose Angebote auf der Insel grundsätzlich. Er hat aber Zweifel daran, dass die Bühne auf der eher ruhigen Inselspitze dafür der richtige Ort ist. Er sorgt sich auch darum, was die Anreise von Gästen aus dem ganzen Stadtgebiet für die Anlagen bedeutet. 

Thoralf Götsch ist seit 2013 Chefgärtner auf der Freundschaftsinsel.
Thoralf Götsch ist seit 2013 Chefgärtner auf der Freundschaftsinsel.

© Ottmar Winter

Eigentlich sei im Rahmen der Pläne für die Erneuerung der Inselspitze geplant, die Bühne abzureißen. Der Garten soll dort erweitert werden, anstelle der Bühne ein Veranstaltungsort geschaffen werden, „der baulich nicht so auffällig ist“, sagt Götsch – eine ebenerdige Anlage. „Wenn keiner spielt, sieht es aus wie Garten.“ Darüber sei man auch mit der Bürgerstiftung schon länger in Gesprächen gewesen. Durch Corona sei der Bedarf nach einem Freiluft-Veranstaltungsort nun aber akut geworden.

Nächtliche Öffnung der falsche Weg

Auf der Insel ist auch sonst einiges geplant – immer mit Blick auf die Pandemie-Lage. „Es wird ein spontanes Jahr“, sagt Götsch. Mit der Kammerakademie spreche man über kleine Konzerte im Freien. Der Staudenbasar findet voraussichtlich Mitte September statt. Eine generelle Öffnung der Gartenanlage in den späten Abendstunden, wie sie der Stadtjugendring angesichts fehlender Treffpunkte für Jugendliche in der Pandemie für die Schlösserparks vorgeschlagen hat, lehnt Thoralf Götsch ab. 

„Und es ist auch für die Schlossparks der falsche Weg“, ist er überzeugt. Der Wunsch danach sei vielmehr Anzeichen dafür, dass es in der Stadt an frei nutzbaren Grünflächen fehle. „Es wird viel zugebaut, Grün geht verloren“, sagt der Inselgärtner und erinnert an das unlängst abgeholzte Nuthewäldchen an der Humboldtbrücke. Es blieben fast nur noch die Schlösserparks als Grünflächen übrig: „Das wächst sich als großer Konflikt aus.“

Bäume leiden unter Trockenheit

Und wie die Schlösserparks hat auch die Freundschaftsinsel mit dem Klimawandel zu kämpfen. Trotz der Lage am Fluss sei der Bodenwasserspiegel in den trockenen Sommern so weit gesunken, dass die Bäume mit vielen Wurzeln im Trockenen standen, berichtet Götsch. Insbesondere bei älteren, großen Bäumen, habe auch die zusätzliche Wässerung nicht ausgereicht, sagt Götsch. 

Baumtorso. Die Schwedische Mehlbeere ist nach zwei trockenen Sommern abgestorben.
Baumtorso. Die Schwedische Mehlbeere ist nach zwei trockenen Sommern abgestorben.

© Ottmar Winter PNN

Mit sichtbaren Folgen: Buchen warfen Äste ab, die große Rundbank- Linde verlor innerhalb von nur zwei Jahren etwa die Hälfte ihrer Krone. Und eine der beiden Schwedischen Mehlbeerbäume – laut der Liste der „Champion Trees“ der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft war es die zweitstärkste in ganz Deutschland – hat die Trockensommer nicht überlebt. „Dass es so schnell geht, hätte keiner gedacht“, sagt Götsch. Die Mehlbeere ist jetzt als kahler Torso zu sehen. Und soll als ortsprägender Baum erstmal auf der Insel bleiben. Mit Efeu bewachsen könne er weiterhin Biotop für Insekten und Vögel sein.

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