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Roland Menthel hatte vor der Eröffnung am 10. Februar 2020 viel zu tun.

© Andreas Klaer.

Freie Musikschule Potsdam: Schlagzeuger-Paradies in der Zeppelinstraße

Die Freie Musikschule Potsdam eröffnet einen neuen Standort in der Zeppelinstraße. Schlagzeugspieler können es dort ordentlich krachen lassen - ohne andere zu stören.

Potsdam - Wenn Eierkartons funktionieren würden, hätte Roland Menthel jetzt nicht so einen Stress. Es ist Donnerstag, vier Tage vor Eröffnung des neuen Standorts seiner Freien Musikschule Potsdam am 10. Februar 2020. Die Räume, in denen ab dieser Woche unterrichtet werden soll, sind eine große Baustelle. Vor allem im Obergeschoss braucht Menthel noch viel Phantasie, sich den fertigen Zustand vorzustellen. Hier werden drei Schlagzeugkabinen eingebaut, damit die Schüler unten drunter und die Bewohner des Nachbarhauses nicht gestört werden.

Die Kabinen wurden bisher in Räumen in der Feuerbachstraße genutzt. Jetzt werden sie zu Gunsten einer größeren Filiale in der Zeppelinstraße 39 umziehen und an den neuen Standort angepasst werden. In der Remise am Bahndamm, wo früher ein Fitnessstudio eingemietet war, gibt es ab sofort drei Schlagzeug- und Bandräume und im Erdgeschoss, barrierefrei erreichbar, einen Saal für Vorspiele und Konzerte. „Den wünschten wir uns schon lange“, sagt der Musikschulleiter, „bisher mussten wir für solche Events immer einen Saal anmieten.“

Auch größere Ensemble oder Unterrichtsgruppen werden hier bequem unterkommen, etwa für Kurse in musikalischer Früherziehung. „Wenn die Kleinen mal rumflitzen wollen im Unterricht, dann ist das jetzt kein Problem mehr.“ Es gibt Gruppen für Vorschulkinder und sogar welche für Kinder ab einem Jahr mit einem Elternteil, Oma oder Opa. Ein nach wie vor beliebter Kurs, der wohl dem Zeitgeist entspricht, so Menthel: „Das ist manchmal mehr für die Mütter als für die Kinder. Die Mütter wollen eben auch mal raus, bevor ihnen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt.“

Jessica und Roland Menthel gründeten 2004 nach Bertheau und Morgenstern die zweite private Musikschule in Potsdam. In der Lindenstraße befindet sich der Hauptstandort und in der Dortustraße befinden sich Räume nur für Klavierunterricht. Seit 2013 gibt es eine kleine Filiale in der Babelsberger Benzstraße. Außerdem unterrichten sie in Potsdamer Schulen. Beide sind ausgebildete Diplominstrumentalpädagogen.

Etwa 1000 Musikschüler werden von freiberuflichen Lehrern unterrichtet. Manche Dozenten sind Professoren im Ruhestand, andere studieren noch, die meisten sind Musikpädagogen oder diplomierte Musiker. Kürzlich ließ sich die Musikschule vom Bundesverband freier Musikschulen überprüfen und gilt als zertifiziert. „Das war uns wichtig“, sagt Menthel. „Wir haben die Prüfungsergebnisse sehr ernst genommen und uns danach auch von zwei Lehrkräften getrennt.“

Beliebte Fächer sind unverändert Klavier und Gitarre. Seit einigen Jahren werde auch Schlagzeug immer beliebter. 70 Schüler gibt es in dem Fach, darunter auch eine Handvoll Mädchen. Das stellt allerdings auch Eltern vor eine neue  Herausforderung: Wo soll das Kind üben? „Da gibt es natürlich welche, die sagen, nein, lieber nicht“, so Menthel. Aber eine halbe Stunde proben am Tag könnte man auch Nachbarn zumuten, findet er. Ein Kellerraum sei natürlich ideal.

Die Variante Schlagzeugkabine ist noch effektiver – aber sehr aufwändig. „Eierpappen reichen da leider nicht“, sagt Menthel. Man braucht ein Raum-in Raum-System, damit sich der Schall nicht auf die Gebäudesubstanz überträgt. Fußboden und Wände werden dabei zunächst mit einer Dämmschicht überzogen, die die Schallwellen bricht. Darauf kommen zwei Lagen Gipskartonplatten und Teppich, die Wände bestehen aus Trockenbau mit Dämmung und als finale Lage sogenannte Pyramidenschaummatten. Derweil stehen die Schlagzeugsets im Nebenraum, dicht an dicht, ein Wald aus Trommeln, Becken, Pedalen und Stativen. Wenn alles fertig ist, können in jeder Kabine Lehrer und Schüler an je einem Set gemeinsam spielen. Bei Tageslicht und Frischluft – zumindest in den Spielpausen kann man das Fenster öffnen. Eine Luxusprobensituation, die viele Schlagzeuger und Bands sich wünschen würden, sagt der Musikschulchef. Deshalb vermietet er die Räume nach Unterrichtsende auch an Bands.

Tagsüber finden in den schallschluckenden Räumen auch Trompetenstunden und E-Gitarren-Unterricht statt. „Davon werden die Nachbarn aber nichts hören“, sagt er mit Überzeugung. Die Züge, die über den Bahndamm unmittelbar hinterm Haus rattern, machen mehr Krach.

Nach wie vor wachse der Bedarf an Musikschulen in Potsdam, so Menthel. Noch können sie alle Anfragen befriedigen, auch wenn nicht immer der Wunschtermin möglich ist. Gerne würden sie deshalb weiterwachsen. „Wir suchen aktuell Räume in Bornstedt. Wir hatten bereits ein Angebot der Gewoba, das wunderbar gepasst hätte, aber dann hieß es, da soll was rein, was das Quartier belebt“, sagt Menthel. Über so etwas kann er sich nur wundern. Wer wenn nicht jede Menge Kinder und Jugendliche würden Leben bringen? Alternativ informierte er sich im Technologie- und Gewerbezentrum Potsdam an der Pappelallee. Da stehen seines Wissens Räume leer – aber eine Musikschule ist kein Technologie-Gewerbe. Auch das wurde nichts. Also werden sie weiterhin Räume in städtischen Schulen nutzen. Nicht immer geht das konfliktfrei. Da müssen Türen verschlossen bleiben und jeder Schüler muss einzeln rein und raus gelassen werden – viel unnötige Rennerei. Dazu passt, dass immer wieder Kinder erzählen, dass Klaviere in den Schulen abgeschlossen sind – damit unbefugte Kinder nicht darauf spielen. Das findet Roland Menthel schade. „Musikinstrumente müssen doch benutzt werden.“

www.freie-musikschule-potsdam.de

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