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Firmengründerinnen aus Potsdam:  Dagmar Köhler-Repp, Aenne Lamprecht und Bettina Reinfeld (v.r.).

© Foto/Montage: Andreas Klaer

Frauen in der Unternehmensführung: Die Hauptstadt der Gründerinnen

Die Hälfte der Firmen in der Stadt wird von Frauen gegründet. Damit liegt Potsdam weit vor Berlin.

Potsdam - Firmengründungen sind meist Männersache: Bundesweit werden nur rund 36 Prozent der Gewerbeanmeldungen von Frauen getätigt. In Potsdam ist das anders: Mit rund 50 Prozent Gründungen von Frauen ist die Landeshauptstadt mutmaßlich Deutschlands Gründerinnen-Hauptstadt. Zum Vergleich: In Berlin liegt der Anteil lediglich bei etwa 30 Prozent, in Hamburg ist es ähnlich. 

Die Zahlen sind in den vergangenen drei Jahren sprunghaft gestiegen: „2018 betrug der Anteil der Gründerinnen in Potsdam noch 30 Prozent, 2019 waren es 40 Prozent, 2020 dann 50 Prozent“, sagt Klaudia Gehrick von der Potsdamer Wirtschaftsförderung. Grund dafür sind vor allem die seit langem bestehenden Gründungsnetzwerke in Potsdam und Brandenburg, aber auch die große Wissenschaftsdichte, die gute Verfügbarkeit von Gewerbeflächen und das attraktive Umfeld – wozu auch die Anbindung nach Berlin gehört.

„Die Unterstützung und Beratung in der Vorgründungsphase in Potsdam ist enorm gut. Die einzelnen Anlaufstellen kennen sich und sind unglaublich bemüht, jeden an die richtige Info-Quelle zu lotsen“, sagt Franziska Schwarz. Sie hat sich vor fünf Jahren selbstständig gemacht und erstellt mit ihrer Firma „SciVisTo“ Wissenschafts-Visualisierungen. „Alle versuchen, auch nach der Gründung zu vermitteln und in Kontakt zu bleiben. Potsdam hat dafür eine gute Größe, Berlin ist zu groß und zu wenig untereinander vernetzt.“

Vernetzung in Potsdam besser als im anonymen Berlin

Das Unterstützungsangebot in Potsdam ist breit aufgestellt: Die Wirtschaftsförderung gibt Orientierungsberatung und hilft bei Standortsuche und Finanzierung, im Gründerforum Potsdam sind alle Gründer:innen der Landeshauptstadt vernetzt und tauschen sich regelmäßig aus. In Potsdam und Potsdam-Mittelmark gibt es zudem den „Lotsendienst“ für Gründer:innen, der zunehmend von Frauen genutzt wird. „Wir profitieren tatsächlich viel von Mund-zu-Mund-Empfehlungen. Im anonymen Berlin undenkbar“, sagt Ralf Krüger vom Lotsendienst Potsdam.

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Potsdam passend für Firmengründung und Familie

Ähnlich sieht das auch die Potsdamer Unternehmerin Bettina Reinfeld, die 20 Jahre lang erfolgreich zwei Reisebüros – eines in Potsdam, eines in Michendorf – geleitet hat: „Es ist leichter, einen Markt mit 10.000 Menschen zu durchdringen, als einen mit drei Millionen“, sagt sie. Und außerdem: „Potsdam ist eine Wachstumsregion.“ In der Landeshauptstadt hatte Reinfeld das passende Umfeld gefunden, um nicht nur selbstständig zu werden, sondern währenddessen auch zwei Kinder groß zu ziehen: „Es ließ sich gut vereinbaren, wenn man sich richtig organisiert.“


Reinfeld ist eine von rund 230 Vorbild-Unternehmerinnen, die ehrenamtlich für „Frauen unternehmen“ aktiv sind – eine Initiative, die vom Bundeswirtschaftsministerium ins Leben gerufen wurde. Die Vorbild-Unternehmerinnen geben auf Veranstaltungen ihre Erfahrungen weiter und versuchen, mehr Frauen für die Selbstständigkeit zu begeistern.

Aus dem Keller in Waldstadt in den Potsdam Science Park

Auch die Potsdamerinnen Dagmar Köhler-Repp und Aenne Lamprecht gehören zu den Vorbild-Unternehmerinnen: Köhler-Repp gründete als Mikrobiologin vor 20 Jahren die Ripac Labor GmbH im Keller ihres Elternhauses in Waldstadt. Heute hat das Unternehmen seinen Sitz im Potsdam Science Park, diagnostiziert Bakterien und produziert bestandsspezifische Impfstoffe für Nutztiere. „Damals gab es noch keine Lotsendienste und an der Uni wurde man nicht für die Selbstständigkeit ausgebildet“, sagt Köhler-Repp. Dennoch entschied sie sich, in Potsdam nicht nur ein Unternehmen, sondern auch eine Familie zu gründen.

„Natürlich habe ich mit den Gedanken gespielt, nach Berlin zu gehen, aber in Potsdam sind die Wege kürzer“, sagt Köhler-Repp. Das lebenswerte Umfeld, die Freunde und die Nähe zur Familie, die bei der Kinderbetreuung und bei der Unternehmensgründung unterstützte, gaben für sie letztlich den Ausschlag. 

Hohe Mieten in der Stadt sind Hemmnis für Neugründungen

Aenne Lamprecht, die in Potsdam an mehr als zehn Standorten Physiotherapiepraxen führt, schätzt das Umfeld ebenfalls als sehr wichtig ein: „Es gibt in Potsdam sehr viel Wissenschaft, Kultur und gute Netzwerke, das ist hier anscheinend besser ausgeprägt als anderswo.“ Birgit König von „Frauen unternehmen“ bestätigt das: „Solche Netzwerke habe ich in vielen anderen Städten nicht gesehen.“ Aber natürlich kann nicht alles perfekt sein: „Was schwierig ist, wenn man gründen oder expandieren will, sind die hohen Mieten“, sagt Lamprecht. Sie selbst wird mit ihren Physiotherapie-Praxen daher im kommenden Jahr an den Stadtrand nahe dem SAP-Campus expandieren.

Günstig für Gründungen ist zudem die große Zahl an wissenschaftlichen Einrichtungen, dennoch ist der Frauenanteil bei den Technologie-Gründungen nach wie vor gering. Frauen gründen in erster Linie im Bereich personennahe Dienstleistungen: „Vor allem in der Gesundheitsbranche, im Pflegebereich, aber auch in der Beratungsbranche“, sagt König.

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