zum Hauptinhalt
Joachim Liebe vor dem Porträt eines sowjetischen Soldaten. 

© Andreas Klaer

Fotoausstellung im Güldenen Arm: Zwischen Kaltem Krieg und Romantik

Der Potsdamer Joachim Liebe fotografierte nach 1989 in sowjetischen Kasernen. Zum 75. Jahrestag des Kriegsendes werden die Bilder ausgestellt.

Potsdam - Meine Russen. Der Potsdamer Fotograf Joachim Liebe steht im Museum Im güldenen Arm und erklärt seine neue Ausstellung: etwa 80 Bilder, die meisten zeigen Fotos, die Liebe Anfang bis Mitte der 1990er-Jahre von den hier stationierten sowjetischen Soldaten machte. Joachim Liebe, 1955 geboren, spricht trotzdem nur von „Russen“, mit einem durchweg liebevollen Unterton. „Für mich waren das immer die Befreier. Darf man das heute noch sagen?“

Der Brandenburgische Kulturbund hat sich die Ausstellung ins Museum geholt, um damit an den 75. Jahrestag des Kriegsendes zu erinnern. Die Bildauswahl spricht für sich selbst und braucht keine wortreiche Einordnung mehr. Sie wirkt wie eine Dokumentation einer besonderen Zeit und besonderer Umstände. Liebe fand zu dem Thema und den Menschen einen sehr persönlichen Zugang, ohne den er seine Bilder nie hätte machen können. Auch zwei Fotobücher erschienen dazu in den vergangenen Jahren. Dass die Fotos jetzt wieder ausgestellt werden, ist eine gute Idee. Sie wirken in der Retrospektive, losgelöst vom unmittelbaren Kontext, nach wie vor berührend und beeindrucken umso mehr mit ihrem künstlerischen Gehalt.

Das Leben hinter den Kasernentoren

Damals wollte Liebe vor allem fotografieren, was man in der DDR nie durfte und nie zu Gesicht bekam: das Leben hinter den Kasernentoren. Als Kind lebte Liebe in Luckenwalde und sah, dass ab und zu Konvois durch die Stadt fuhren. Er fand das aufregend. „Ich ging dann manchmal mit Freunden hin und wir fragten die Posten, die am Straßenrand standen, ob sie uns Snatschkis, Abzeichen, geben können.“ Ein bisschen Russisch konnte er, das war gut, denn nach der Wende, spätestens als klar war, dass die Soldaten abrücken würden, wurden die ehemaligen Besatzer etwas zugänglicher. Kasernen in ganz Brandenburg veranstalteten Tage der offenen Tür, Liebe ging hin – und fotografierte, was er sah. Und er sprach mit den Menschen – Soldaten zwischen Abschied, Heimweh und Zukunftsangst. Zwischen Stolz, Pflicht und Langeweile. „Es war ja ein sensibles Thema, es brauchte Feingefühl, dass die nicht wegliefen“, sagt er.

Demonstration: Zwei Soldaten zeigen im Schlafsaal ihre Muskeln.
Demonstration: Zwei Soldaten zeigen im Schlafsaal ihre Muskeln.

© Joachim Liebe

Überwiegend schwarz-weiß wählt er für Fotos vom Alltag in der Kaserne. Soldaten, auf ihren schmalen Betten sitzend bei der Pflege ihrer Uniform, beim Marschieren, beim Essen, beim Bewachen von irgendwas und beim Schweineschlachten. Beim Posen nach dem Sport – lachende junge Kerle mit Muskeln und Tattoos. In den Gesprächen erfährt Liebe auch, wann irgendwo Panzer und andere Sachen verladen werden und fährt dann dorthin. Manchmal begleitet ihn eine Bekannte, die bei den Sowjets arbeitet, und öffnet ihm Türen. Und manchmal sei er einfach so reinmarschiert – was ihn heute doch etwas verwundert – in Häuser, auf Flugplätze oder Bahnhöfe. Man kannte ihn irgendwann, diesen Mann mit seiner ruhigen, freundlichen Art. Sie sagten, ach, da kommt wieder der deutsche Fotograf, erinnert sich Liebe. So arbeiten zu können, sei großes Glück gewesen. Er fotografierte dabei auch Soldaten, die auf Güterwagen hocken, um darauf stehende Panzer zu sichern. Zerbrechliche Menschen, schweres Kriegsgerät. Die Männer müssen die Fracht bis zur Abfahrt bewachen und hausen in Güterwaggons mit Stockbetten und Kohleofen – Liebe darf reinschauen und ein Bild machen.

Stillleben zwischen kaltem Krieg und Romantik

In Potsdam fotografiert er lachende Teenager vor ihrer russischen Schule in der Jägerallee, auf dem Bahnhof Wünsdorf eine dicke, stolze Schaffnerin, in Karlshorst Bahnsteige voller Gepäck. 1994 verlassen die letzten Sowjets das Land. Zurück bleiben Ruinen von Sportplätzen, Speisesälen und Turnhallen mit Bild-Anleitungen zur Gymnastik an der Wand. Auch die sozialistische Kunst, Sportler, Helden und Führer an vielen Hauswänden, verwittert, manche Gesichter sind weggemeißelt. Und Liebe wurde zum Nachlass-Bewahrer.

Irgendwann entdeckte er damals den russischen Friedhof in der Michendorfer Chaussee. Hier liegen Armeeangehörige, die nach Kriegsende starben. Junge Helden der Sowjetarmee, Männer und Frauen, deren Grabsteine und Porträts zwischen Efeu und märkischen Kiefernadeln aufblitzen – Stillleben zwischen kaltem Krieg und Romantik. 

>>Im Güldenen Arm, Hermann-Elflein-Straße 3, Vernissage am Sonntag um 15 Uhr. Bis 26.4. geöffnet, Mittwoch bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr

Zur Startseite