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Fortunas Fazit: Verkatert

Martin Anton blickt zurück auf eine Kopfweh verursachende Woche.

Die Woche beginnt für viele Potsdamer mit einem Wahlkater. Verluste für die drei großen Parteien CDU, Linke und SPD. Gewinne hingegen für Grüne, FDP und natürlich die Partei Die Partei. Mit 2,2 Prozent liegen die Satiriker in Potsdam deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Vor der Wahl gab es Diskussionen um die Demokratiefeindlichkeit der Die-Partei-Wähler. Nach der Wahl dann das Misstrauen. Sobald 50 Menschen oder mehr an einem Fleck sind, denken alle: Statistisch gerechnet hat einer von denen hier die PARTEI gewählt. Ansonsten sendet die Landeshauptstadt jeweils einen Abgeordneten von SPD, Linke, FDP und Grünen in den Bundestag. Was fehlt? Die CDU. Was gibt es doppelt? Die AfD. Und Potsdam fragt sich, was das für die Landtagswahl im kommenden Jahr bedeutet.

Als seien die Stimmgewinne bei der Bundestagswahl für die Rechten nicht schlimm genug, spitzt sich auch noch der unsägliche Streit zwischen dem SV Babelsberg und dem Nordostdeutschen Fußballverband zu. Letzterer stört sich unter anderem an den „Nazischweine raus!“-Rufen aus der Babelsberger Kurve bei einem Spiel gegen Energie Cottbus im April. Hitlergrüße und rechtsextreme Parolen aus dem Cottbus-Block werden indes als Fußballfolklore abgetan. Peinlich für den NOFV, berichten doch inzwischen sogar internationale Medien wie die französische L’Équipe über den Fall. Am Mittwoch verkündet der SVB, für das Spiel im Landespokal auf einen Trikotsponsor zu verzichten. Stattdessen soll das Logo der Solidaritätskampagne „Nazis raus aus den Stadien“ die Oberkörper der Spieler zieren. Gut, dass der NOFV im Landespokal nichts zu sagen hat.

Wer bei all den Nachrichten an eine Art rechte Verschwörung glauben möchte, bekommt am Donnerstag weiter Futter. Während der Bund für das Nachbarschaftshaus „Scholle 34“ – in der Geschwister-Scholl-Straße – sowie für das Bürgerhaus am Schlaatz wohl kein Geld übrig hat, scheinen die zwölf Millionen Euro für den Wiederaufbau der Garnisonkirche kein Problem zu sein. Und das, nachdem die Potsdamer laut Bürgerhaushalt nicht einmal eigenes Geld in den Wiederaufbau stecken wollen. Es fällt leicht, sich vorzustellen, wie Populisten solche Entscheidungen ausnutzen könnten.

Doch zum Glück gibt es Lösungen für Probleme und Mittel gegen Kater. Sie kommen aus Bayern und heißen Oktoberfest und Kontermass. Am Freitag heißt es „Anjezapft is“ bei der vierten Potsdamer Kopie des bei Münchnern und Touristen beliebten Volksfestes. Warum der Deutsche auch nördlich der Donau in letzter Zeit vermehrt dazu neigt, sich in Nachahmungen von Gesinde-Klamotten aus dem 19. Jahrhundert zu betrinken, sei mal dahingestellt. Gibt es einen Zusammenhang mit der Wiederkehr der Volkstümelei? Die Amerikaner dürften sich jedenfalls freuen, bedarf ihr Bild der Dirndl-Deutschen künftig auch bei Besuchen in Brandenburg weniger Anpassung.

Wer dann am Sonntag verkatert und demotiviert nicht aus dem Bett kommt, kann in der ZDF Mediathek eine Doku über die Garnisonkirche gucken. Titel: „Der Turmbau zu Potsdam“.

Martin Anton

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