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Gegen den Krieg. „Irgendwo auf der Welt“ sang Katharine Mehrling beim Solidaritätskonzert für die Ukraine am Mittwochabend im ausgebuchten Nikolaisaal. Mit dabei waren neben anderen das Filmorchester Babelsberg und das Polizeiorchester.

© Andreas Klaer

Folgen des Kriegs in Potsdam: Dramatische Platznot und großer Spendensegen für Ukrainer:innen

Der Stadt Potsdam gehen bereits die Unterkünfte für Ukraine-Flüchtlinge aus - wie schon im benachbarten Berlin. Ein Benefizkonzert spielt mehr als 50.000 Euro ein.

Potsdam - Die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine in Potsdam stößt bereits an die Kapazitätsgrenze: Die von der Stadtverwaltung in Hotels und Pensionen angemieteten 550 Plätze sind allesamt belegt. Das gab Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD) am Mittwochabend bei einer Digitalsitzung des Hauptausschusses bekannt. „Deswegen werden wir Geflüchtete aus der Ukraine, die hier angekommen sind, nach Eisenhüttenstadt zur Erstaufnahme shutteln“ – also per Bus.

Wie lang dies eine Option ist, blieb am Mittwoch unklar. Am selben Tag hatte Landesinnenminister Michael Stübgen (CDU) jedoch erklärt, die Zentrale Erstaufnahme Brandenburgs in Eisenhüttenstadt sei inzwischen „faktisch ausgelastet“. Auch das benachbarte Land Berlin meldet seit Tagen stetig wachsende Flüchtlingszahlen und zu wenig Kapazitäten, alle Menschen unterzubringen.

Potsdams Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD)
Potsdams Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD)

© Ottmar Winter

Die Biosphäre ist die erste Notunterkunft

Meier sagte, man arbeite daran, in Potsdam weitere Plätze für Unterbringungen zu schaffen – neue Standorte nannte sie aber noch nicht. Als erste Notunterkunft mit 150 Betten war am Dienstag die Orangerie der Tropenhalle Biosphäre an den Start gegangen, dort sollen Menschen aber nur eine Nacht bleiben können. Der Andrang sei am Mittwoch schon groß gewesen, sagte eine Stadtsprecherin auf PNN-Anfrage. Bereits in der Nacht zum Mittwoch hätten erste Ukrainer:innen dort geschlafen und seien dann „weitervermittelt“ worden. Das Prozedere vor Ort klappe gut, auch Dolmetscher seien im Einsatz, sagte Dezernentin Meier, die auch den städtischen Ukraine-Krisenstab leitet.

An der Biosphäre wird die Erstanlaufstelle bereits vorbereitet
An der Biosphäre wird die Erstanlaufstelle bereits vorbereitet

© Ottmar Winter

Bis zu 2600 Flüchtlinge für Potsdam?

Sie gehe am Ende von 1300 bis 2600 Menschen aus, die in Potsdam im Zuge der Fluchtbewegung durch den Krieg untergebracht werden müssen. Das lässt sich errechnen: Flüchtlinge in Deutschland werden nach dem sogenannten Königssteiner Schlüssel gleichmäßig unter den Kommunen aufgeteilt. Zum Vergleich: 2015 hatte Potsdam in wenigen Monaten fast 1500 Menschen aufnehmen müssen, auch das war damals mit immensen Anstrengungen und der Nutzung von eilig aufgestellten Leichtbauhallen verbunden gewesen. Allerdings sei der Ankauf von solchen Hallen oder auch Containern womöglich mit europaweiten Ausschreibungen verbunden, was Zeit koste, gab Bernd Richter vom Kommunalen Immobilienservice (Kis) im Ausschuss zu bedenken.

Der Staudenhof könnte 40 Wohnungen extra bringen

Als eine mögliche Unterkunft hatte das linke Netzwerk „Stadt für alle“ zuletzt den Wohnblock Staudenhof am Alten Markt vorgeschlagen, der eigentlich 2023 abgerissen werden soll. Das würde zumindest teilweise helfen, wäre aber mit hohen Kosten verbunden: Die zuständige kommunale Bauholding Pro Potsdam teilte den PNN auf Anfrage mit, in dem Bau stünden aktuell 40 Wohnungen leer. Derzeit würden erste Abrissvorbereitungen für Ende des Jahres geplant, sagte eine Sprecherin. Sie betonte: „Viele Bauteile des Gebäudes haben das Ende des Lebenszyklus erreicht.“ Eine Nutzung über 2022 hinaus würde daher „Investitionen in Höhe eines siebenstelligen Betrages erfordern, um den Weiterbetrieb sicherzustellen“.

Im Staudenhof selbst startete am Mittwoch ein vom Verein Soziale Stadt getragenes Hilfsangebot für Menschen aus der Ukraine und ihre Potsdamer Gastgeber, das im dortigen Quartierstreff angesiedelt ist. Es seien mehr als 50 Besucher gekommen, sagte Koordinatorin Katrin Binschus-Wiedemann aus dem Verein. Man wolle Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, aber auch Orientierung in Potsdam anbieten. „Wir versuchen konzentriert eine Frage nach der anderen abzuarbeiten“, sagte sie. Täglich könnten Menschen von 11 bis 17 Uhr vorbeikommen. Es stehen Dolmetscher zur Verfügung, am Mittwoch wurden kostenlos 20 Liter Suppe ausgeteilt. Die Stadtverwaltung wiederum verwies auf ihre Wohnbehörde in der Behlertstraße als zentrale Anlaufstelle für Ukrainer:innen, die derzeit bei Freunden und Verwandten untergebracht sind.

"Im tiefsten Amtsdeutsch"

Bei der Kommunikation mit den teils traumatisierten Menschen musste Dezernentin Meier am Mittwoch eine erste Panne einräumen. Zuvor hatte die Fraktion Die Andere die auch in der Vergangenheit von ihr schon vielfach kritisierte Ausländerbehörde ins Visier genommen – das Amt habe den ankommenden Ukrainer:innen „verstörende Briefe“ übergeben, twitterte die Fraktion. In den Informationsschreiben an die Neuankömmlinge hieß es ohne weitere Anrede gleich zu Beginn: „Sie haben sich in Potsdam gemeldet und bei der Landeshauptstadt Potsdam um Schutz nachgesucht. Das wird gemäß § 16 Abs. 1 AsylG als Asylgesuch gewertet.“ Mit diesem Schreiben würden die Ukrainer:innen in ein für sie nachteiliges Asylverfahren gedrängt, kritisierte die Fraktion. Mit einer Anerkennung als Kriegsflüchtling würden Menschen schneller in den Arbeitsmarkt gebracht werden können – Asylanträge hingegen würden jahrelang nicht entschieden. Dezernentin Meier entschuldigte das Schreiben im Ausschuss, es sei „im tiefsten Amtsdeutsch“ und für „Nicht-Experten“ missverständlich formuliert. Man werde ein neues Schreiben aufsetzen, so Meier.

Mehr als 54.000 Euro Spenden durch Konzert

Auffallend hoch bleibt weiter die Spendenbereitschaft. So sind mit dem Solidaritätskonzert für die Ukraine, das am Mittwochabend im voll besetzten Nikolaisaal stattfand, schon im Vorfeld 54.000 Euro gesammelt worden. Das teilte das märkische Kulturministerium von Schirmherrin Manja Schüle (SPD) mit. 

Das Geld geht an den Förderkreis des kommunalen Bergmann-Klinikums für humanitäre und medizinische Hilfe in der Ukraine. Meier sagte, dem Krankenhaus würden bereits erste schwerkranke Menschen aus der Ukraine „zugeführt“.

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