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In der Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Landtag auf dem Brauhausberg leben derzeit rund 70 Menschen.

© Andreas Klaer

Flüchtlinge in Potsdam: Stadt erwartet weitere 1500 Flüchtlinge

Weil Potsdam wächst, muss die Stadt mehr Asylbewerber aufnehmen. Allerdings gibt es auch viele freie Plätze für Flüchtlinge, unter anderem im ehemaligen Landtag.

Potsdam - Es handelt sich um eine direkte Folge des Wachstums der Stadt: Künftig wird Potsdam im Vergleich zu anderen Städten und Landkreisen im Land Brandenburg mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen. Wie Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) am Dienstag im Sozialausschuss sagte, muss die Landeshauptstadt künftig 6,1 Prozent der Menschen aufnehmen, die in Brandenburg auf ihren Asylantrag warten.

Bislang waren es nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel 5,9 Prozent. Dieses Verteilsystem regelt, wie die Asylbewerber verteilt werden – je größer und wirtschaftsstärker Kommunen dabei sind, desto mehr Flüchtlinge müssen sie aufnehmen. Potsdam wächst seit Jahren, mehrfach mussten die Prognosen nach oben korrigiert werden.

Bislang 100 Flüchtlinge in Potsdam in diesem Jahr

Zudem nannte die Beigeordnete erstmals wieder Zahlen, mit wie vielen Flüchtlingen Potsdam in diesem Jahr rechnet – demnach müssten bis zu 1500 Personen aufgenommen werden. Allerdings schränkte Müller-Preinesberger ein, es gebe noch keine belastbare Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Wie viele Menschen tatsächlich in Deutschland Zuflucht suchten, sei derzeit noch völlig unklar, sagte sie – auch mit Blick auf die verworrene internationale Lage. Bisher seien in diesem Jahr rund 100 Menschen gekommen, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow am Mittwoch den PNN auf Anfrage.

Bereits im vergangenen Jahr hat Potsdam knapp 1500 Menschen aufgenommen. Ursprünglich hatte das Rathaus sogar mit 2500 Menschen gerechnet. Doch viele Flüchtlinge, die 2015 nach Brandenburg kamen und in die Kommunen weiterverteilt werden sollten, verließen das Bundesland wie berichtet vorher auf eigene Faust. So sanken auch die Zahlen für Potsdam. Damit hat die Stadt noch freie Kapazitäten für weitere Flüchtlinge.

Noch Platz für 400 Flüchtlinge im Kreml

Vor allem das frühere Landtagsgebäude auf dem Brauhausberg ist längst noch nicht voll belegt – aktuell leben in der ehemaligen Reichskriegsschule erst 70 von 470 möglichen Flüchtlingen. „Weil Brandmeldeanlagen und sanitäre Einrichtungen fehlten, konnten wir bislang noch nicht mehr dort unterbringen“, sagte Stadtsprecher Brunzlow. Da die Umbauarbeiten fast abgeschlossen seien, sollen ab März weitere Flüchtlinge auf dem Brauhausberg untergebracht werden.

Den im Volksmund „Kreml“ genannten Gebäudekomplex hatte die Stadt Ende vergangenen Jahres angemietet – wie damals bereits berichtet für 1,63 Millionen Euro Miete pro Jahr. Hinzu kommen rund eine halbe Million Euro an Betriebskosten. Erst im vergangenen Sommer war der alte Landtag vom Land für 8,65 Millionen Euro an ein Berliner Konsortium verkauft worden, das das marode Gebäude nebst 25 000 Quadratmeter großem Grundstück sanieren und zum modernen Wohn- und Gewerbestandort entwickeln will. Diese Pläne liegen zunächst auf Eis. Der Vertrag mit der Stadt läuft über drei Jahre. „Wir haben das Areal zu einer Zeit angemietet, wo erheblicher Druck bestand, sehr viele Flüchtlinge auf einmal unterzubringen“, sagte Stadtsprecher Brunzlow. Diese Lage könne erneut eintreten. Und alle anderen zwölf Potsdamer Asylunterkünfte seien voll belegt. „Wir haben dazu noch zwei leere Leichtbauhallen in Neu Fahrland und Drewitz mit 192 freien Plätzen in Reserve“, so Brunzlow. Zusätzlich sollen in den kommenden Wochen und Monaten weitere Unterkünfte im Babelsberger Konsumhof, in der Zeppelinstraße sowie in der Berliner Straße 79 und 139 bezogen werden können – das wären noch einmal rund 400 Plätze.

Die Stadt will wieder Flüchtlinge in Wohnungen unterbringen

Außerdem entlastend für die Stadt könnte der Umstand wirken, dass laut Müller-Preinesberger künftig auch die Erstaufnahmeeinrichtungen in einer Kommune bei der Zuteilung der Flüchtlinge berücksichtigt werden sollen. Demnach entsprechen beispielsweise je 400 Menschen in der Erstaufnahme in der Heinrich-Mann-Allee fünf Prozent der Flüchtlinge, die Potsdam eigentlich aufnehmen müsste. Die absolute Zahl würde entsprechend reduziert. Eine solche Regelung ist geplant, aber noch nicht beschlossen, hieß es im Ausschuss.

Zugleich bemüht sich die Stadt weiter, möglichst viele Menschen in reguläre Wohnungen unterzubringen. Bis 5. Februar seien 456 Flüchtlinge aus Gemeinschaftsunterkünften aus- und in Wohnungen eingezogen, sagte die Sozialbeigeordnete im Ausschuss. In 27 Fällen hätten sie selbständig Wohnungen gefunden.

Gesundheitszustand der Flüchtlinge ist zunehmend schlechter

Eine erste Bilanz der Erstuntersuchungen von Asylsuchenden zog im Sozialausschuss wiederum das Klinikum „Ernst von Bergmann“. 2757 Menschen wurden demnach seit Beginn der Flüchtlingskrise in einer separaten Praxis untersucht – auf Tuberkulose (TBC) und andere ansteckende Krankheiten, wie der kaufmännische Geschäftsführer Thomas Pfeiffer sagte. Dabei seien keine wesentlichen Unterschiede zum Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung festgestellt worden, hieß es. In zehn bis 20 Fällen seien Patienten positiv auf TBC getestet und anschließend medizinisch versorgt worden. Allerdings stelle man fest, dass der Gesundheitszustand der ankommenden Menschen zunehmend schlechter werde, sagte Pfeiffer. Das liege an vermutlich an der langen Reise und der sich verschlechternden Versorgung in Syrien.

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