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525 Flüchtlinge haben Amin Aljarmakanis Brief unterzeichnet. In Syrien hat er als Journalist gearbeitet.

© Andreas Klaer

Flüchtlinge in Potsdam: Sprachrohr für Hunderte Flüchtlinge

Amin Aljarmakani ist der Autor des offenen Briefes zu den Übergriffen in Köln, den bereits über 500 Potsdamer Flüchtlinge unterzeichnet haben. Er selbst lebt seit sieben Monaten in Deutschland.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Eigentlich hatte Amin Aljarmakani nur ein paar Worte sagen wollen. Die Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln hatten ihn betroffen gemacht, er wollte den Deutschen, die ihn als syrischen Flüchtling so freundlich empfangen haben, sagen, dass er ein solches Verhalten verabscheut und ihnen danken. Also stieg er Anfang Januar beim Willkommensfest der Flüchtlingshilfe Babelsberg im Lindenpark auf die Bühne. Und er formulierte, was viele arabische Flüchtlinge in Potsdam schon seit Tagen bewegte. „Es tut uns sehr leid, was in Köln passiert ist“, sagte der 30-Jährige. „Es ist in keiner Weise akzeptabel. Und noch einmal möchten wir sagen: Vielen Dank für alles, was für uns getan wird. Wir hoffen, dass wir auch weiterhin gut zusammenleben können.“

Seitdem ist Amin Aljarmakani eine Art Sprachrohr für viele Potsdamer Flüchtlinge geworden. Nach dem besagten Abend im Lindenpark schrieb er einen offenen Brief „an die Potsdamer Bürgerinnen und Bürger“ (PNN berichteten). „Ohne Zweifel sind unter den Tätern auch viele Menschen aus unseren Heimatländern, die, wie wir, in Deutschland Schutz gefunden haben“, heißt es dort unter anderem. Und weiter: „Deutschland hilft selbstlos und wird Opfer gewissenloser Gewalttäter. Das ist für uns unerträglich und wir bitten Sie im Namen aller Geflüchteten um Entschuldigung. Wir bitten Sie herzlich, uns nicht mit den Gewalttätern der Silvesternacht gleichzusetzen. Wir achten und bewundern Ihre Rechtsordnung und Ihre Werte.“

Auch in Syrien würden solche Taten nicht akzeptiert

Hunderten Flüchtlingen sprach Amin Aljarmakani damit offenbar aus der Seele. „525 Unterschriften sind schon zusammengekommen“, sagte er den PNN am Dienstag. Er und einige Mitstreiter seien in mehreren Unterkünften in Potsdam gewesen, um Unterschriften zu sammeln. Überall seien sie auf positive Resonanz gestoßen. „Viele wollen das zum Ausdruck bringen und sind froh, dass sie nun eine Chance dazu haben.“

Bis heute versteht Amin Aljarmakani nicht, wie es zu den Vorfällen in Köln kommen konnte – rund um den Hauptbahnhof waren dort in der Silvesternacht mehrere Frauen sexuell belästigt worden. Auch in Syrien würden solche Taten nicht akzeptiert, sagt Amin Aljarmakani. „Frauen werden bei uns respektiert.“ Was in den Köpfen der mutmaßlichen Täter vorgehe, wisse er nicht. Vielleicht hätten sie falsche Vorbilder gehabt. „Wie auch immer, auf jeden Fall ist ein solches Verhalten falsch. So etwas darf in Zukunft nicht wieder passieren.“

Amin Aljarmakani kommt aus Swaida im Süden Syriens. Warum er vor sieben Monaten von dort floh, will er nicht erzählen – noch nicht. Er hofft, dass seine Frau und sein 14 Monate alter Sohn bald nach Deutschland nachkommen können, und das will er nicht mit einem Zeitungsartikel gefährden.

Von München über Umwege nach Potsdam

Über sein Leben in Deutschland erzählt Amin Aljarmakani nur Positives – oder spart die unschönen Erfahrungen zumindest aus. Zunächst war er in München gelandet, machte sich dann aber zu einem Freund in Frankfurt (Oder) auf. Über Umwege landete er dann in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt und wurde von dort aus schließlich nach Potsdam geschickt.

Klar, in Eisenhüttenstadt seien viele Menschen auf engem Raum gewesen, sagt Amin Aljarmakani auf Nachfrage. „Aber das war ja nur für 20 Tage“. In Potsdam wohnte er zunächst in der Flüchtlingsunterkunft in Groß Glienicke. Doch dann konnte er in ein privates Zimmer ziehen, bei einer Familie – ein großes Glück. „Das lief über Freunde von Freunden von Freunden“, sagt Amin Aljarmakani lachend.

Geschichten für Kinder - und noch weitere Projekte

Er ist froh, einen Rückzugsort zu haben, auch weil er viel schreibt, wie er selbst sagt. In seiner Heimat hat er als Journalist gearbeitet, jetzt sitzt er an Geschichten für Kinder. „Früher habe ich für Erwachsene geschrieben. Aber sie hören nicht zu und vergessen alles sofort wieder.“ Wenn er fertig ist, will er versuchen, die Geschichten zu veröffentlichen, vielleicht sogar auf Deutsch.

In der kommenden Woche fängt er ein Praktikum bei einer Werbeagentur an, außerdem will er mit anderen Flüchtlingen ein Projekt für arabische Frauen starten – sie sollen an die deutsche Gesellschaft herangeführt werden. Genaueres stehe noch nicht fest, sagt Amin Aljarmakani.

Was mit den vielen Unterschriften passieren wird, sei auch noch nicht entschieden. Vielleicht könnte man sie auf einem großen Bogen ausdrucken und öffentlich zugänglich machen, überlegt er. Damit möglichst viele Potsdamer sehen, was er und Hunderte andere Flüchtlinge von den Taten in Köln halten. Nämlich nichts.

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