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In Feierlaune. Ala Assaf aus Syrien kann in eine Mietwohnung ziehen.

© S. Gabsch

Flüchtlinge in Potsdam: Raus aus dem „Kreml“

Seit Jahresbeginn leben 165 neue Flüchtlinge in Potsdam. Noch immer sind 1400 in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht.

Potsdam - Ala Assaf aus Syrien hat gleich einen doppelten Grund zum Feiern. Nicht nur, weil in der Gemeinschaftsunterkunft im sogenannten Kreml am Brauhausberg, wo er mit Frau und Sohn seit mehr als einem Jahr wohnt, am Donnerstag Sommerfest war. Sondern vor allem, weil er in Potsdam eine Wohnung gefunden hat. Vier Zimmer, genug Platz, wenn in ein paar Monaten das zweite Kind geboren wird. „Wir freuen uns sehr. Die Wohnung ist schön, viel besser als hier. Im Heim sind immer so viele Leute überall.“

Die Gemeinschaftsunterkunft am Brauhausberg ist die größte ihrer Art in Potsdam. Knapp 400 Flüchtlinge sind hier derzeit untergebracht, davon mehr als 100 Kinder. Viele kommen aus Syrien, Tschetschenien, Afghanistan, Pakistan, Iran, Irak oder verschiedenen afrikanischen Ländern. Über 100 Auszüge habe es in den letzten anderthalb Jahren gegeben, berichtet der Leiter der AWO-Unterkunft, Andreas Wilczek. Die meisten von ihnen seien in Wohnungen gezogen, die in der Regel zugewiesen würden. „Doch es fehlt nach wie vor an bezahlbaren Wohnungen“, so Wilczek.

Fortschritte bei der Unterbringung in Wohnungen

Ziel der Stadt ist es, die Flüchtlinge möglichst schnell in Wohnungen unterzubringen. Anvisiert werden sechs Monate, allerdings dauert es oft länger. Doch Schritt für Schritt geht der Umzug raus aus den Gemeinschaftsunterkünften voran: Seit Jahresbeginn konnten nach Angaben der Stadtverwaltung bereits 250 Geflüchtete in Wohnungen mit eigenem Mietvertrag ziehen. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 450 gewesen.

Diese Zahlen sind im Verhältnis zu den neu angekommenen Flüchtlingen zu sehen. Seit Anfang des Jahres wurden 165 Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten in Potsdam untergebracht. Diese Zahlen könnten sich bis Jahresende noch erhöhen. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es insgesamt 650, im Jahr 2015 waren es knapp 1500. Die Hauptherkunftsländer sind Syrien und die Russische Föderation, genau wie im Vorjahr. An dritter Stelle kommt aktuell Kamerun, gefolgt von dem Iran.

1400 Geflüchtete in Potsdam leben derzeit in Gemeinschaftsunterkünften

Der überwiegende Teil der seit 2015 Angekommenen ist derzeit noch in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. 14 davon gibt es im Stadtgebiet, mit einer Gesamtkapazität von 1800 Plätzen. Die Auslastung liegt derzeit nach Angaben der Stadt bei etwa 78 Prozent. Also wohnen dort noch rund 1400 Menschen.

Einer der Bewohner der Unterkunft am Brauhausberg ist Umar aus Tschetschenien. Seit mehr als anderthalb Jahren wohnt er schon hier zusammen mit seiner Familie. Aber nicht mehr lange: „Mein Asylantrag wurde abgelehnt, bald muss ich zurück nach Tschetschenien.“ Er klingt wehmütig. Was ihm hier gefallen habe? „Alles“, erklärt der junge Mann und deutet mit großer Geste auf das Backsteingebäude, auf den Hof mit Kinderspielplatz, wo zum Sommerfest Stände, eine Bühne und ein Hüpfburg aufgebaut wurden.

Deutsche Volkslieder und eine pakistanische Tanzgruppe

„So bunt und so fröhlich war es nie in den mehr als zehn Jahren, in denen ich hier gearbeitet habe“, sagte Thomas Kralinski (SPD), Chef der Brandenburger Staatskanzlei, bei seiner Ansprache. Bevor er zur Flüchtlingsunterkunft wurde, war der „Kreml“ der Sitz des brandenburgischen Landtags. In dem geräumigen Innenhof lassen sich an diesem Donnerstag Kinder schminken, vor dem Backsteinbau ist ein Fahrradparcours aufgebaut. An Ständen weisen Piktogramme aus, ob das Grillfleisch vom Huhn, vom Schwein oder von Rind ist. Auf der Bühne folgt auf einen Chor aus Köpenick mit deutschen Volksliedern eine pakistanische Tanzgruppe. Auch mit dabei sind einige der vielen Potsdamer Vereine oder Initiativen, die sich für die Integration engagieren. So auch die Flüchtlingshilfe Babelsberg. Sie betreiben eine Fahrradwerkstatt, beraten zu Rechtsfragen und haben ein Tandemprogramm. Das Ziel: Potsdamer und Geflüchtete zusammen zu bringen.

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