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Flüchtlinge in Potsdam müssen drei Monate im Schnitt warten, um einen Platz im Deutschkurs bekommen. Schüler dieser Willkommensklasse in Potsdam haben es leichter.

© R. Hirschberger/dpa

Flüchtlinge in Potsdam: Immer noch am Limit

Weniger Flüchtlinge, mehr Integration? Die Gemeinschaftsunterkünfte in Potsdam sind fast voll und die Wartelisten für Deutschkurse lang. Ein Überblick.

Potsdam - Durchatmen beim Thema Flüchtlinge: Zwar kommen immer noch viele Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten nach Potsdam. Die Zahlen sind aber bei weitem nicht so hoch wie im vergangenen Jahr. Dennoch: Die Stadtverwaltung will eine erneute Zunahme in den kommenden Monaten nicht ausschließen und versucht sich darauf vorzubereiten, wie ein Überblick zur aktuellen Lage zeigt.

Wie viele Flüchtlinge sind seit Jahresbeginn nach Potsdam gekommen?

Zwischen Januar bis Ende Juli sind genau 450 Menschen in der Landeshauptstadt angekommen. Fast die Hälfte davon, 214, kamen aus dem Bürgerkriegsland Syrien, 108 aus Afghanistan und 68 Flüchtlinge aus der Russischen Föderation. Allein im Juli wurden damit rund 50 Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes in Unterkünfte nach Potsdam übergeben. Jeder dritte Flüchtling ist minderjährig. Damit kamen in den ersten sieben Monaten mehr Menschen nach Potsdam als im gleichen Zeitraum 2015. Insgesamt waren es im vergangenen Jahr aber knapp 1500. In diesem Jahr rechnet die Stadt mit 1223 Flüchtlingen, das Land mit rund 19 000.

Wie sind die Potsdamer Flüchtlingsunterkünfte aktuell belegt?

Die Stadt unterhält derzeit 13 Unterkünfte mit mehr als 1600 Plätzen. 81,7 Prozent, das entspricht rund 1300 Plätze, sind aktuell belegt. Ende vergangenen Jahres seien einige Unterkünfte „zum Teil stärker belegt worden als ursprünglich geplant“, teilte die Stadt mit. Die größte Gemeinschaftsunterkunft ist der ehemalige Landtag auf dem Brauhausberg. Im „Kreml“ leben mittlerweile 295 Menschen. Künftig sollen dort bis zu 470 Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf erhalten. Geschlossen wurden die Leichtbauhallen an der Sandscholle in Babelsberg sowie in Drewitz und Neu Fahrland mit insgesamt 288 Plätzen. Sie können aber im Notfall schnell wieder aktiviert werden. Die Drewitzer Halle soll künftig für Spenden für Bedürftige genutzt werden, so Stadtsprecher Jan Brunzlow. Ebenfalls aufgelöst wird der Wohnungsverbund Haeckelstraße, der wie berichtet saniert wird. Neue Unterkünfte sind derzeit nicht geplant.

Wie viele Menschen konnten in eigene Wohnungen untergebracht werden?

Wegen des angespannten Immobilienmarktes in Potsdam fällt es der Stadt immer noch schwer, geeignete Wohnungen zu finden. Immerhin wurden laut Brunzlow in den ersten sieben Monaten des Jahres 600 Flüchtlinge in Wohnungen vermittelt – allein im Juli waren es 30.

Wer übernimmt die Kosten für die leerstehenden Leichtbauhallen?

Bislang muss die Stadt alleine dafür aufkommen. Derzeit sind dies vor allem Kosten für den Wachschutz. Das Land habe eine Prüfung angekündigt, ob die Kosten erstattet werden können, so Brunzlow. Es gebe aber noch keine Vereinbarung. „Die Gespräche dauern an“, sagte er. Laut der Sprecherin des Brandenburger Sozialministeriums, Marina Ringel, übernimmt das Land rückwirkend ab April 2016 die notwendigen Kosten für bereitgestellte Plätze. Diese müssten sich aber innerhalb des „mitgeteilten Aufnahmesolls bewegen und nicht belegt werden können“, schränkte sie auf PNN-Anfrage ein. Eine gesetzliche Grundlage zur Erstattung für den Zeitraum vor April sehe das Landesaufnahmegesetz nicht vor, so Ringel. Das bedeutet, dass die Kommunen damit für die Zeit, in der die meisten Flüchtlinge ankamen und somit ab September 2015 auch die höchsten Kosten für Unterkünfte entstanden, keine Erstattung bekommen könnten und Potsdam nach bisherigem Stand auf den Kosten sitzen bleibt. Zuletzt war die Stadt von rund 500 000 Euro jährlich für leerstehende Unterkünfte ausgegangen. Hinzu kämen jeweils 750 000 Euro für den Kauf und die Inbetriebnahme, etwa der nicht belegten Leichtbauhallen.

Gibt es Probleme bei der Versorgung der Flüchtlinge mit Deutschkursen?

Ja. Die Wartezeit dafür ist relativ lang. So gibt es laut Brunzlow eine Warteliste, auf der aktuell 130 Personen stehen. Sie müssen sich etwa drei Monate gedulden, bis ein Platz frei ist. Die Stadt sei bemüht, jedem Flüchtling die Teilnahme an einem Deutschkurs zu ermöglichen, hieß es. 2015 nahmen 309 Menschen an 16 Kursen teil, in diesem Jahr waren es neun Kurse mit 214 Geflüchteten. Noch im August würden zwei weitere Kurse für insgesamt 54 Personen beginnen, so der Stadtsprecher.

Wie viele unbegleitete Jugendliche gibt es?

Aktuell sind es rund 100, die in Wohngruppen an verschiedenen Standorten untergebracht sind. Ihre Zahl hat sich im vergangenen Monat nicht weiter erhöht. Jugendhilfeeinrichtungen kümmern sich um die teils traumatisierten Minderjährigen. Hier ist laut Stadtsprecher Brunzlow ein Betreuer für zwei Jugendliche zuständig.

Gab es in Potsdam Abschiebungen?

Ja. Im vergangenen Jahr wurden 22 in ein sicheres Drittland abgeschoben, 14 in ihre Heimat. 169 Menschen gingen freiwillig. Zahlen für 2016 liegen nicht vor.

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Stefan Engelbrecht

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