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Notlage. Häufig werden Flüchtlinge provisorisch in Turnhallen, wie hier im bayrischen Rosenheim, untergebracht. Das wollte Potsdam eigentlich vermeiden. Doch die Quartiere für die Unterbringung reichen wohl doch nicht aus – zumindest nicht rechtzeitig.

© Bundespolizei/dpa

FLÜCHTLINGE IN POTSDAM: Flüchtlinge in Turnhallen?

Die Stadt bereitet sich darauf vor, rund 200 Asylbewerber eine Zeit lang in Notunterkünften unterzubringen

Potsdam muss deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen als zuletzt erwartet – und stößt an Grenzen. Da geeignete Unterkünfte frühestens Anfang des kommenden Jahres zur Verfügung stehen, bereitet sich die Stadt darauf vor, rund 200 Personen zeitweise in Notunterkünften einzuquartieren – also zum Beispiel in Zeltstädten oder Turnhallen. Dazu werde bis zum kommenden Dienstag ein Notfallplan erarbeitet, kündigte Rathaussprecher Jan Brunzlow am Donnerstag auf PNN-Anfrage an: „Wir bereiten die Variante vor, die wir eigentlich vermeiden wollten.“

Wie berichtet hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bereits Mitte September vor diesem Szenario gewarnt. Seitdem ist die Zahl unterzubringender Flüchtlinge noch einmal um 80 Personen gestiegen, bestätigte Brunzlow – darunter befinden sich auch 20 Syrer, die vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land fliehen. Damit müsse Potsdam in diesem Jahr 396 Flüchtlinge aufnehmen – rund 200 Personen mehr als 2013. Bislang hätten aber lediglich 161 Menschen einquartiert werden können – es werden also noch 235 Plätze benötigt.

Das Land hat bereits mit einer sogenannten Ersatzvornahme gedroht – sollte es dazu kommen, müsste Potsdam die verbleibenden Flüchtlinge binnen einer Woche in der Stadt unterbringen. Was genau passieren soll, wird nun in besagtem Notfallplan erarbeitet, der dann dem zuständigen Landessozialministerium vorgelegt wird. Dort verwies Ministeriumssprecher Florian Engels gegenüber den PNN auf die völlig überfüllte Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt: „Wir hoffen sehr, dass Potsdam es schafft.“ Stadtsprecher Brunzlow verwies auf eine Verteilerkonferenz, auf der die kreisfreien Städte und Landkreise nächste Woche weitere Schritte beraten: „Dann wissen wir mehr.“

Und zumindest im kommenden Jahr könnte sich die Lage vorerst entspannen. Denn dann könnten nacheinander vier neue Heime für insgesamt bis zu 450 Personen entstehen. Laut Brunzlow arbeite die Stadt daran, die Standorte Tornowstraße auf der Halbinsel Hermannswerder, im Lerchensteig in Nedlitz und in der Waldsiedlung Groß Glienicke für die Unterbringung von Flüchtlingen vorzubereiten. Dazu seien noch diverse Umbauten und Genehmigungsverfahren nötig, die nicht vor Ende des Jahres abgeschlossen werden könnten, so Brunzlow. Konkret sollen bis zu 100 Menschen in einem leer stehenden Trakt der ehemaligen Waldschule in Groß Glienicke unterkommen. Weitere 100 Plätze sollen in einem Gebäude in der Tornowstraße entstehen, das bislang vom Potsdam Museum als Lager genutzt wird. Hinzu kommen wie berichtet Unterkünfte für bis zu 150 Flüchtlinge am vor fünf Jahren aufgegebenen Standort des alten Asylheimes im Lerchensteig – und ein sogenanntes Wohnungsverbundsystem in der Grotianstraße im Wohngebiet Am Stern mit Platz für bis zu 40 Personen. Dieses Modell, bei dem Flüchtlinge Tür an Tür mit alteingesessenen Potsdamern leben, wird in der Stadt bereits an zwei anderen Standorten praktiziert.

Insgesamt wären das also bis zu 390 neue Betten, rund 140 mehr als derzeit noch benötigt. Allerdings rechnet man wegen der weltweiten Krisen mit weiter steigenden Flüchtlingszahlen in Deutschland – Potsdam müsste sich im Jahr 2015 wiederum auf mindestens 400 hilfesuchende Asylbewerber einstellen. Deshalb plant die Stadt weitere Unterkünfte. Entlastung gibt es dabei insofern, weil eine am Horstweg vorgesehene Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 100 Flüchtlinge nun doch gebaut werden soll. Die Stadt hatte die Pläne wegen rechtlicher Bedenken zunächst auf Eis gelegt – sie fürchtete, dass Flüchtlingsunterkünfte nicht in Gewerbegebieten errichtet werden dürfen. Umgestimmt hat die Stadtverwaltung laut Brunzlow eine neue Initiative des Bundesrats, solche Modelle in Gewerbearealen künftig zu ermöglichen. Wie berichtet will das Babelsberger Baustoffunternehmen Brun und Böhm vis-à-vis der Agentur für Arbeit ein Gebäude für Flüchtlinge errichten, das die Stadt dann anmieten will.

Weiterhin kündigte Brunzlow an, perspektivisch wolle die Stadt zwei neue Wohnungsverbundsysteme einrichten – und zwar in den Wohnblocks Heidesiedlung in Babelsberg und dem Behlert-Karree in der Behlertstraße. Diese sollen bekanntlich von der städtischen Bauholding Pro Potsdam in den nächsten Jahren saniert werden. Brunzlow sagte, wie viele Flüchtlinge dort jeweils nach Sanierung leben könnten, werde gerade verhandelt. In Potsdam leben derzeit mehr als 330 Flüchtlinge, die meisten davon in einem Heim am Schlaatz.

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