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Landeshauptstadt: Fliesenleger beklagen Wettbewerbsverzerrung

Zahl der gemeldeten Betriebe enorm gestiegen / IG Bau kritisiert Trend zur Scheinselbstständigkeit

Von Matthias Matern

Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Für die Fliesenleger allerdings hat die in den vergangenen Jahren enorm gestiegene Zahl an Betrieben offenbar nur Nachteile gebracht. Angaben der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) zufolge sind allein im Bereich der Handwerkskammer Potsdam heute mehr als Hundert selbstständige Fliesenleger gemeldet. Noch vor fünf Jahren seien es 17 gewesen. Doch besser geworden sei durch den Zuwachs nichts, weder für die Kunden noch für die Betriebe, findet Rudi Wiggert, Vorsitzender des IG Bau-Bezirksverbands Mark Brandenburg. Denn: Hinter vielen der neu gegründeten Betriebe stünden Scheinselbstständige, die zu Niedriglöhnen arbeiten, damit alteingesessenen Betrieben das Geschäft kaputt machen und das Qualitätsniveau drücken würden, kritisiert Wiggert.

Grund für den Boom ist der Wegfall des Meisterzwangs vor knapp sechs Jahren. Seitdem kann sich praktisch jeder selbstständig melden und sich als Fliesenleger anbieten – ein Meister- oder Gesellenbrief ist nicht mehr notwendig. „Vor allem größere Bauunternehmen haben daraufhin ihre fest angestellten Fliesenleger entlassen, um ihnen später für die gleiche Tätigkeit den Mindestlohn eines ungelernten Arbeiters oder weniger zu zahlen“, erläutert Wiggert. Bundesweit ist die Zahl der selbständigen Fliesenleger auf diesem Weg in die Höhe geschnellt. Im Land Brandenburg stieg die Zahl der Betriebe von 2003 bis 2008 um mehr als 5400 auf 6260 Firmen.

Roland Fengler, Obermeister der Potsdamer Fliesenlegerinnung, hat durchaus Verständnis für die Billig-Anbieter, obwohl sie den Meisterbetrieben das Geschäft vermiesen. Immerhin um mehr als die Hälfte seien die Aufträge zurückgegangen. Allerdings hätten sich viele aus reiner Not selbstständig gemacht, da sie keinen neuen Job hatten finden können, meint Fengler. „Von Hartz IV allein können sie und ihre Familien nun einmal nicht überleben.“

Negative Folgen hat die Befreiung vom Meisterzwang aber nicht nur für die Auftragsbücher, sondern häufig auch für die Qualität erbrachter Leistung und somit für den Ruf der Branche, bemängeln Innung und Gewerkschaft. Während die Zahl der Betriebe steige, nehme die Zahl der Auszubildenden stetig ab, berichtet Wiggert. Innerhalb von nur fünf Jahren habe es einen Rückgang von rund 60 Prozent gegeben. „Scheinselbstständige als Ein-Mann-Betriebe bilden nicht aus“, meint der IG Bau-Bezirksvorsitzende.

Von der Politik fordert die Gewerkschaft deshalb die Wiedereinführung der Meisterpflicht und von den Kunden mehr Verantwortungsbewusstsein bei der Wahl eines Betriebs. „Verbraucher sollten sich vorher bei der Handwerkskammer erkundigen, wie seriös eine Firma ist.“ Letztlich gehe es auch um die Durchsetzung eventueller Gewährleistungsansprüche, gibt Wiggert zu bedenken.

Innungs-Obermeister Fengler allerdings mag an die Mithilfe durch den Auftraggeber nicht so recht glauben. „Egal, ob Privatkunden, öffentliche Hand, oder gewerblicher Kunde, alle gucken nur auf den Preis“, beklagt Roland Fengler. Im Wettbewerb seien Meisterbetriebe aber vom Staat klar schlechter gestellt als die Ich-AGs. „Da wir dem Bauhauptgewerbe zugerechnet werden, müssen wir höhere Abgaben zahlen.“ Matthias Matern

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