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Fledermäuse nisten in der Kaserne Krampnitz: Die große Flatter

Seit der Wende stehen die Krampnitzer Kasernen leer. Doch unbewohnt sind sie nicht – elf Fledermausarten leben dort. Ob die Tiere dort bleiben können, ist aber noch unklar.

Von Peer Straube

Potsdam - In ein paar Jahren sollen dort einmal knapp 4000 Menschen wohnen, noch aber ist das Krampnitzer Kasernengelände eine Ruinenlandschaft – und ein Naturparadies, in dem sich viele bedrohte Arten tummeln.

Vor allem Fledermäuse haben das rund 120 Hektar große Areal für sich entdeckt und es zu einem der bedeutendsten Siedlungsgebiete für die geflügelten Säuger nicht nur in Potsdam, sondern in ganz Brandenburg gemacht. Gleich elf der landesweit vorkommenden 18 Arten sind in Krampnitz vertreten – Wasserfledermaus, Fransenfledermaus, Zwergfledermaus, Breitflügelfledermaus, Braunes Langohr, Graues Langohr, Abendsegler, Kleinabendsegler, Wasserfledermaus, Rauhhautfledermaus, Mückenfledermaus und Großes Mausohr haben sich in Kellern, auf Dachböden und anderen Gewölben häuslich eingerichtet. Die erstaunliche Vielfalt – in ganz Deutschland gibt es nur 25 Arten – versetzt Naturschützer in Verzückung.

Großes Mausohr ist eine der seltensten Fledermaus-Arten überhaupt

Vor allem die Existenz des Großen Mausohrs in Krampnitz lässt die Experten jubeln. „Das ist eine der seltensten und am strengsten geschützten Arten überhaupt“, sagt Christiane Schröder, Landesgeschäftsführerin und Fledermausexpertin des Naturschutzbundes Brandenburg (Nabu). Etwa 30 Tiere hausten dort in einem alten Kellergewölbe, damit sei dieser Standort das mit Abstand größte Winterquartier für diese Tiere in der Landeshauptstadt. „Für Potsdam ist das ein richtiges Highlight“, sagt Schröder. Auch im Landesumweltamt ist man begeistert: In dem alten Gebäude lebten neben dem Großen Mausohr noch drei weitere Arten, insgesamt 150 Tiere seien dort nachgewiesen worden, sagte Behördensprecher Thomas Frey den PNN. Damit zähle allein dieses Haus zu den Top 20 unter den Fledermaus-Winterquartieren, bezogen auf das Große Mausohr sei es sogar unter den Top 10 platziert. Für die Fledermäuse bietet Krampnitz laut Frey eine „hervorragende Naturausstattung“: Es gebe alte Baumbestände, viel Wildwuchs, der reich an Insekten – der Nahrung der Säuger – ist, den Krampnitzsee und nicht zuletzt die riesige Döberitzer Heide in unmittelbarer Nachbarschaft. Insgesamt leben auf dem Areal etwa 200 Fledermäuse – in Winter- und in Sommerquartieren.

Was Natur- und Umweltschützer jubeln lässt, birgt für die Entwicklung des Gebietes zum Wohnstandort allerdings Probleme. Da alle Fledermausarten streng geschützt sind, müssen für sie standortnah Ersatzquartiere gefunden, im Falle des Großen Mausohrs möglicherweise gar ein Verbleib an Ort und Stelle gesichert werden. Für alle Fledermauspopulationen würden in Abstimmung mit Biologen Sicherungsmaßnahmen ergriffen, sagt Anna Winkler, Sprecherin des Entwicklungsträgers Krampnitz, der zur kommunalen Bauholding Pro Potsdam gehört. Einen konkreten Fahrplan dafür gebe es noch nicht, dieser werde erst erarbeitet, wenn die Entwicklungsmaßnahme beginne. Der Zeitpunkt dafür ist allerdings unklar und hängt im Wesentlichen vom Ausgang der anhängigen Gerichtsverfahren ab – unter anderem klagen mehrere Grundstückseigentümer gegen die geplante Bebauung ihrer Flächen. Zudem führt die Pro Potsdam aktuell Vergleichsverhandlungen mit den umstrittenen Käufern der Flächen, auf denen die denkmalgeschützten Kasernen stehen, der privaten TG Potsdam-Gesellschaft. Dabei geht es unter anderem um einen neuen städtebaulichen Vertrag für das Gebiet und um mögliche gemeinsame Investitionen. Bis zum Abschluss dieser Verhandlungen liegen die anhängigen Gerichtsverfahren auf Eis.

Weitere seltene Arten in Krampnitz entdeckt

Eine Verzögerung der Entwicklung durch die Fledermäuse sei vor diesem Hintergrund derzeit kaum zu befürchten, so Winkler. Das gelte auch für die anderen geschützten Tierarten, die bislang auf dem Kasernenareal entdeckt wurden. Dazu zählen beispielsweise Zauneidechsen und Eichenbock-Käfer. Die Prüfungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen. Das Gelände werde noch nach weiteren seltenen Amphibien, Vögeln, Reptilien und Insekten abgesucht. Mit wie viel Geld der Artenschutz bei der Entwicklung des Gebiets zusätzlich zu Buche schlägt, ist noch unklar. Die Kosten könnten erst beziffert werden, wenn das Verfahren abgeschlossen sei, so Winkler.

Dass sich die Artenvielfalt in Krampnitz nach dem Umbau zum Wohnquartier erhalten lässt, wird von Umweltexperten allerdings bezweifelt. Durch die Sanierung der Häuser und die Gestaltung des Umfelds gehe ein Großteil der Unterkünfte und Jagdreviere der Fledermäuse verloren, meint Nabu-Expertin Schröder. Die Erfahrung zeige, dass Ausweichquartiere von den Tieren nur sehr zögerlich angenommen würden. Als Beispiel nannte sie den Kaiserbahnhof. Vor dessen Sanierung hätten dort mehrere Hundert Fledermäuse gelebt. Im Ausweichquartier seien es anfangs lediglich 20 bis 30 gewesen – und auch nicht dieselben, wie durch Beringung der Tiere nachgewiesen werden konnte.

Im Landesumweltamt beurteilt man die Aussichten nicht ganz so pessimistisch. Dass Baumaßnahmen und Fledermausschutz in Einklang zu bringen seien, habe Potsdam schon „an prominenten Orten bewiesen“, sagte Frey. Ein „auch im Wortsinne herausragendes Beispiel“ sei das Internats-Hochhaus der Jahn-Sportschule am Luftschiffhafen. Dort sei so behutsam saniert worden, dass rund 3000 Große Abendsegler ihr angestammtes Winterquartier behalten konnten.

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