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Landeshauptstadt: Flaches Boot für flache Wasser

Archäologen bargen am Ufer der Alten Fahrt einen Einbaum aus dem 13. bis 14. Jahrhundert

Innenstadt - Es ist die Geschichte eines ungewöhnliches Fundes: Ein Einbaum, ein Boot, dazu noch gut erhalten, „ist ein ganz herausragendes Fundstück“, erklärt Stadtarchäologe Joachim Wacker vom Landesamt für Denkmalpflege. Am Freitag steht Wacker zusammen mit Grabungsleiterin Nicola Hensel an der Fundstelle, vor ihnen eine gemischte Truppe, darunter viele Archäologen, aber auch Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD). Die Archäologin Hensel berichtet, wie gespannt sie war, was sie unter den weggeräumten Kellermauern des Palastes Barberini, des Palazzo Chiericati oder des Palazzo Pompei finden würde: „Wir fragten uns, was ist unter dem Grundwasser?“

Nicola Hensel und ihre Kollegen von der Archäologie-Manufaktur fanden zunächst Uferkonstruktionen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, frühe Neuzeit also. Aber es sollte noch tiefer hinein gehen in den einst schlammigen Morast des Havelufers. Je tiefer sie graben, umso älter sind die zu erwartenden Funde. Plötzlich deutet eine Vielzahl von Holzpfählen Vielversprechendes an. Eine punktuelle Grundwasserabsenkung ermöglicht das Freilegen von Dingen, die bislang im Wasser konserviert die Zeiten überstanden.

Zunächst entpuppen sich die Pfähle als ein Fischkasten mit direkter Verbindung zur Havel. Darin hielten Fischer ihren Fang lebendig und somit frisch. Hensel und ihre Kollegen befinden sich zu diesem Zeitpunkt am Ende des 17. Jahrhunderts. Die Archäologin bewundert, mit welcher körperlichen Anstrengung und reiner Muskelkraft die riesigen Pfähle und Bohlen in jener Zeit wohl in die Erde gerammt wurden.

Sie graben noch tiefer. Da stoßen sie auf eine große Eichenplanke. Nicola Hensel „musste noch eine Nacht drüber schlafen“ – dann dämmert es ihr: „Es sieht aus wie ein Einbaum!“ Ein Boot, sie haben ein Boot aus dem 13. bis 14. Jahrhundert gefunden! Schnell wurde ein Landesarchäologe alarmiert. Der ordnete umgehend an: „Das Teil muss geborgen werden.“

„Ich würde sagen, es ist ein Fischerboot“, denkt Archäologin Hensel. Das Wasserfahrzeug ist vier Meter lang, 70 Zentimeter breit und aus einem einzelnen Eichenstamm herausgearbeitet. Es ist auffallend flach und hat keinen Kiel, die Archäologin erkennt, wie gut es zum Fischen in flachen Uferbereichen geeignet ist. „Für mich persönlich ist es das erste Holzboot, das ich ausgrabe“, sagt die Grabungschefin. Wacker vom Landesamt erklärt dazu, dass im Land Brandenburg in den letzten 100 Jahren zwar etwa 40 der schon seit dem Neolithikum verwendeten Einbaum-Boote gefunden wurden, die meisten davon jedoch zerfielen, weil die Konservierungsmethoden noch nicht gut waren.

Für das Fischerboot von der Alten Fahrt wird laut Wacker derzeit eine sogenannte Blockbergung vorbereitet – der Fund wird wörtlich „en bloc“ gehoben, allerdings erst in einer Woche, da es momentan Lieferschwierigkeiten für einen Spezialgips gibt, der dafür benötigt wird. Wie Archäologe Andreas Kurzhals von der Archäologie-Manufaktur erläutert, wird der Hohlraum des Bootes mit dem Gips aufgefüllt und das Fundobjekt so fixiert. Unter dem Boot werden dann sehr breite Gurtbänder durchgezogen und dieses dann daran hochgehoben. Kurzhals und Wacker kennen das Verfahren der Blockbergung auch aus ihrer früheren Arbeit in Potsdam. So war 2007 unweit der neuen Feuerwache in der Holzmarktstraße ein 4500 Jahre altes Kriegergrab gefunden worden, das auch komplett geborgen wurde. Weil das Kriegerskelett so alt wie die berühmte Gletschermumie Ötzi ist, wurde es in den Medien als „Pötzi“ tituliert, erinnert sich Wacker.

Das Fischerboot aus Potsdam wird Wacker zufolge in eine Restaurierungswerkstatt gebracht, dort von Sedimenten befreit und für Jahre in eine Konservierungsflüssigkeit eingelegt.

Mit großem Interesse verfolgte am Freitag auch Stadtarchäologin Gundula Christl die Präsentation des Fischerbootes. Sie erwartet noch weitere aufregende Funde an der Alten Fahrt. Mit Spannung erwartet sie das Entfernen der Kellerreste des Palastes Barberini, das als Kunstmuseum des Mäzens Hasso Plattner wiederaufgebaut werden soll. Die Stadtarchitektin hofft, unter den Fundamenten Reste der alten Wasserkunst des Großen Kurfürsten zu finden. Diese ist in der berühmten Potsdam-Karte von Samuel Suchodolec von 1683 eingezeichnet; auch in anderen urkundlichen Dokumenten tauche die Wasserkunst auf. „Sie hat existiert“, versichert die Stadtarchäologin. Bei der Wasserkunst muss es sich um eine Art Wasserturm gehandelt haben, sagt sie. Wasser aus der Havel wurde durch ein Schöpfwerk in den Wasserbehälter gepumpt, um dann bei Festen oder anderen Gelegenheiten bei Hofe kleine Wasserspiele im kurfürstlichen Garten anzutreiben. Gundula Christl hat auch schon einen Verdacht, wo genau sie das kleine Fundamentviereck des Turmes suchen muss.

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