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Der Dachverband VGS vertritt rund 5800 Kleingartenparzellen in Potsdam und Potsdam-Mittelmark. 

© Ottmar Winter PNN

Finanzlage der Kleingärtner: Verband weist Zweifel an Solvenz zurück

Der Potsdamer Kleingarten-Dachverband VGS sieht seine Solvenz nicht gefährdet. Doch ein Teil der Mitglieder bleibt skeptisch. 

Michendorf/Potsdam - In einer teils turbulenten Sitzung hat der Vorstand des Dachverbandes der Kleingärtner jeden Zweifel an seiner finanziellen Standfestigkeit kategorisch zurückgewiesen. "Die Solvenz des VGS ist nicht gefährdet", sagte der Vorsitzende Wolfgang Zeidler gleich zu Beginn der Mitgliederversammlung des Potsdamer Kreisverbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS), der rund 5800 Parzellen vertritt, am Dienstagabend in Michendorf. "Es kann nicht von einer Verschleppung einer Insolvenz die Rede sein." Wie berichtet laufen mehrere juristische Verfahren, bei denen Grundstückseigentümer Entschädigungssummen im fünf- bis sechsstelligen Bereich vom VGS fordern. 

Auch der neue Anwalt des VGS, Torsten Engel, versuchte die knapp 100 anwesenden Vorsitzenden von Kleingartenvereinen zu besänftigen. "Lassen Sie sich von den immensen Summen nicht verunsichern", so Engel. "Wir wissen nicht genau, was auf der VGS zukommt und wie ernst das gemeint ist."

Tamax fordert 330.000 Euro Schadensersatz

Dabei sind die Forderungen schon jetzt sehr konkret. Die Berliner Immobilienfirma Tamax, Eigentümerin der früheren Kleingartenfläche Angergrund in Babelsberg, um deren Zukunft seit Jahren erbittert gerungen wird, macht nach Angaben ihres Anwalts Detlev Schulz in dem laufenden Verfahren Schadensersatz in Höhe von 330.000 Euro plus Zinsen geltend. Hintergrund ist ein grundsätzliches Problem: 2017 urteilte ein Potsdamer Gericht, dass der VGS nicht der Rechtsnachfolger des DDR-Kleingartenverbandes ist. Demzufolge ist der VGS nicht der rechtmäßige Zwischenpächter der Fläche am Angergrund. Parallel laufen weitere Gerichtsverfahren. 

Vor den Mitgliedern des VGS stellte Anwalt Engel diese Forderungen als überzogen dar, da diese eine deutlich zu hohe Pacht pro Quadratmeter als Grundlage nehme. Zudem seien die betrachteten Zeiträume zu lang, er gehe von einer Verjährung nach drei Jahren aus. 

Antrag: Keine Mitgliedsbeiträge für Rechtskosten

Zumindest einen Teil der Mitglieder konnte der VGS-Vorstand offenbar nicht überzeugen. Zwar wurde der Finanzplan des Verbandes mit deutlicher Mehrheit angenommen, allerdings mit mehreren Gegenstimmen und Enthaltungen. Harte Kritik am Vorgehen äußerte Anne Preuß, Vorsitzende der Gartenfreunde Lindengrund, in Form eines Antrages. Sie wollte erreichen, dass die Mitgliedsbeiträge nicht mehr für Schadensersatzzahlungen oder Rechtsanwaltskosten verwendet werden, die aufgrund von Fehlern und Fehlentscheidungen des Vorstandes entstanden sind oder entstehen. 

"Der Kern der Verbandsarbeit ist das Kleingartenwesen und nicht die diversen Gerichtsverfahren", sagte Preuß. "Warum sollen die jungen Familien, die jetzt einen Garten übernehmen, dafür zahlen, dass vor vielen Jahren keine rechtmäßigen Pachtverträge abgeschlossen wurden?" Zwar wurde ihr Antrag abgelehnt, doch immerhin 14 der 85 Mitglieder stimmten dafür oder enthielten sich. 

Rücktritt vor der Abwahl

Das einzige Vorstandsmitglied, das die Solvenz des Vereins offen in Frage stellte, trat bei der Mitgliedsversammlung zurück - und kam damit einem Abwahlantrag voraus. Heiko Schindler, 2019 nach eigenen Angaben als stellvertretender Vorsitzender angetreten, um Offenheit und Transparenz in den VGS zu bringen, gab sein Amt mit sofortiger Wirkung auf. "Wir werfen Herrn Schindler vor, dass er durch seine Öffentlichkeitsarbeit dem Verband Schaden zugefügt hat", sagte der Vorsitzende Zeidler. Er nannte insbesondere einen Artikel in der Märkischen Gärtnerpost, in der Schindler unter anderem mit dem Vorwurf zitiert wird, die Leitung der Geschäftsstelle des VGS verschweige aktuelle finanzielle Forderungen. 

In der Mitgliederversammlung führte Schindler aus, es gebe zahlreiche offene Fragen bei den Finanzen. Für einen Verein sei ein Weg mit 53.000 Euro finanziert worden, dazu gebe es weder einen Beschluss, noch Unterlagen. "Für mich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich", sagte Schindler. Seine ganze Rede konnte er nicht halten, da der Vorstand die Redezeit auf fünf Minuten begrenzte - trotz lautstarker Proteste mehrerer Mitglieder.

In seiner Entgegnung auf die Vorwürfe wurde Zeidler emotional. "Ich habe keinen Kreisverband beschissen", sagte der Vorsitzende. "Es reicht mir langsam, hier schmutzige Wäsche zu waschen." 

Ausschluss aus dem Verband

Durchgezogen hat die Versammlung auch eine weitere Entscheidung: Mit deutlicher Mehrheit beschlossen die Mitglieder den Ausschluss des Kleingartenvereins Baumgartenbrück in Werder (Havel) aus dem VGS. Wie berichtet hatte der Verein im Jahr 2000 eine schriftliche  Vereinbarung mit dem damaligen Eigentümer getroffen. Diese erlaubte es den Gärtner, bestimmte Regeln des Bundeskleingartengesetzes gegen eine jährliche Zahlung an den Besitzer nicht einzuhalten. 

Darauf berief sich Reik Wolffgram aus dem VGS-Vorstand: "Wir sind gesetzlich daran gebunden, nur Vereine im Verband zu haben, die nach dem Kleingartengesetz handeln." Sonst sei der Gesamtverband gefährdet. Einzig: Die Vereinbarung ist nicht nur gezeichnet von Eigentümer und Kleingartenverein, sondern auch vom damaligen Vorstand des VGS. Der Verband kannte also das Papier, trug es mit und hat es möglicherweise sogar initiiert. "Es ist unmoralisch, wie frühere Vorstände und frühere Rechtsbeistände gehandelt haben", sagte Wolffgram dazu. Er sei froh, dass die "juristischen Schweinereien" aufgeklärt würden. 

Der Vorsitzende des Vereins Baumgartenbrück, Michael Riedel, bewertet den Ausschluss völlig anders: "Der VGS will das Problem durch den Rausschmiss loswerden." 

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