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Ab dem Jahr 2024 sollen in Potsdam neue Straßenbahnen rollen.

© Andreas Klaer

Finanzierung noch ungeklärt: Potsdam will 19 neue Trams kaufen

Durch Potsdam sollen in den kommenden Jahren 19 neue Straßenbahnen rollen. Die Anschaffung kostet einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.

Potsdam - Potsdam will in den nächsten Jahren insgesamt 19 neue Niederflurstraßenbahnen anschaffen. Das geht aus einer entsprechenden Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Union hervor. Dort wird noch bis zum 20. Januar eine sogenannte Markterkundung ausgeschrieben. Die Beschaffung selbst soll dann anschließend, also gleich im nächsten Jahr, folgen – sofern der Aufsichtsrat zustimmt. Es wäre die größte Neuanschaffung von Trams in Potsdam seit der Wiedervereinigung.

Auf PNN-Nachfrage erklärte der Verkehrsbetrieb, er strebe die Beschaffung von bis zu insgesamt neunzehn normalspurigen Niederflurtrams an. „14 davon stellen die Grundbestellung dar und sind voraussichtlich schrittweise ab 2024 zu liefern“, so Sprecher Stefan Klotz. Zudem sei vorgesehen, dass Optionen auf die Herstellung und Lieferung von fünf weiteren Niederflurstraßenbahnfahrzeugen für Krampnitz enthalten sind. Bekanntlich soll die Neubaustrecke nach einer Verschiebung spätestens 2029 ans Netz gehen und nicht wie früher geplant 2025.

Bevor es soweit ist, will der Verkehrsbetrieb wissen, ob er für das von ihm gewählte Vergabe- und Vertragsmodell überhaupt Partner auf dem Markt findet. „Das von der ViP gewählte Vergabe- und Vertragsmodell besteht im Wesentlichen darin, dass der Auftrag in drei Verträge unterteilt wird“, heißt sein der Ausschreibung. Der erste davon betreffe die Herstellung und Lieferung der Straßenbahnen. Der zweite regele die Instandhaltung oder Wartung. Der dritte betreffe die Ausführung dieser Servicemaßnahmen durch das Personal der ViP auf dem Betriebshof der Gesellschaft in Potsdam.

Vier Millionen pro Tram

Es geht um viel Geld. Da der Verkehrsbetrieb wegen der enorm gestiegenen Nachfrage nur noch Fahrzeuge mit mindestens 40 Metern Länge anschafft, landet man mit den neuen Trams in der höheren Preisklasse. Die Kosten für eine einzige Straßenbahn liegen laut ViP aktuell im Bereich von rund vier Millionen Euro, hieß es auf PNN-Anfrage. Das wären dann rund 76 Millionen Euro allein für den Kauf. Genauere Angaben zur geplanten Investitionssumme wollte der Verkehrsbetrieb nicht machen, um die Ausschreibung nicht zu beeinflussen.

Wie das Ganze bezahlt werden soll, ist noch nicht abschließend geklärt. „Wir arbeiten an der Detaillierung des Finanzierungskonzeptes mit Eigenmitteln der Stadtwerke, Krediten, Zuschüssen und Fördermitteln“, so Klotz. Klar ist allerdings, dass der Verkehrsbetrieb sich die Bahnen selbst nicht leisten kann. Schon der laufende Betrieb ist defizitär, von Investitionen ganz zu schweigen. Allerdings dürfte im Zuge der Klimadebatte das Geld bei der öffentlichen Hand etwas lockerer sitzen als in früheren Jahren. Schließlich kann der Verkehrsbetrieb argumentieren, dass seine Straßenbahnen zu 100 Prozent elektrisch unterwegs sind.

Zahl der Fahrgäste steigt

Der Verkehrsbetrieb braucht die neuen Fahrzeuge dringend – auch ohne die zusätzlichen Strecken nach Krampnitz und Fahrland. Die Trams sind insbesondere im Berufsverkehr meist rappelvoll. Seit Jahren steigt die Zahl der Fahrgäste. 2017 waren es insgesamt 34,7 Millionen. In den nächsten Jahren wird ein Großteil des Fahrzeugbestands seine maximale Einsatzdauer erreichen. Zunächst müssen die nicht barrierefreien Tatra-Straßenbahnen ersetzt werden. Davon hat der ViP noch zwölf Waggons im Depot, acht davon sind meist zu zweit gekoppelt im regulären Betrieb unterwegs. Sie wurden 2017 im Stammwerk in Prag saniert und damit für weitere acht Jahre auf der Schiene fit gemacht. Allerdings entsprechen sie mit ihren zwei hohen Treppenstufen an den Türen nicht mehr dem heutigen Standard.

Abgesehen von den Tatras hat der Verkehrsbetrieb aktuell 17 Combinos-Straßenbahnen vom Hersteller Siemens im Wagenpark und 18 Variobahnen vom Hersteller Stadler. Erstere wurden zu Beginn des Jahrtausends beschafft. Sie erreichen in den kommenden Jahren ihre maximale Lebensdauer. Bekanntlich sind in den vergangenen Jahren acht Combinos um jeweils zwölf Meter verlängert worden, um die Kapazität zu steigern. Statt 175 können diese XL-Combinos nun 246 Passagiere befördern. Die restlichen Fahrzeuge müssten entweder generalüberholt oder ersetzt werden.

Aus alten Fehlern lernen

Allerdings müssen Verkehrsbetrieb und Rathaus bei der Anschaffung auch sorgfältig vorgehen. Frühere Großaufträge standen in Potsdam nämlich unter keinem guten Stern: Erst Anfang 2014 musste der Verkehrsbetrieb 13 der damals relativ neu angeschafften Variobahnen wegen Entgleisungsgefahr vorübergehend aus dem Verkehrs ziehen. Bei einer Routinekontrolle war nämlich festgestellt worden, dass zwischen Rädern und Schienen zu wenig Platz war. Schon zuvor mussten mehrere der jeweils 2,5 Millionen Euro teuren Fahrzeuge stillstehen, weil es Schäden an den Gummis zwischen Radreifen und Radscheibe gab. Auch mit den Kupplungen gab es Probleme. Außerdem stehen die Variobahnen wegen den von vielen Fahrgästen als zu schmal empfundenen Sitzen in der Kritik.

2004 mussten bereits alle Potsdamer Combino-Trams überholt werden, weil es Probleme mit der Stabilität der Karosserie gab. Die Technik auf dem Dach hatte sich als zu schwer erwiesen. Zusätzliche Träger mussten eingebaut werden. Solange standen die Fahrzeuge still. Potsdam musste sogar bereits nach Ungarn verkaufte Tatra-Waggons wieder zurückholen. Anschließend stieg die Stadt aus der Großbestellung, die für die Combinos eigentlich geplant war, aus.

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