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Auf dem Weg in die 1950er. Insgesamt 120 Komparsen wurden im Studio Babelsberg mit zeitgenössischen Kostümen und Frisuren hergerichtet. Auch die neue Außenkulisse wurde für „Das schweigende Klassenzimmer“ umgestaltet.

© Manfred Thomas

Filmdreh in Babelsberg: Aufstand mit Schweigen und Nüssen

In der Außenkulisse des Filmstudios Babelsberg dreht Regisseur Lars Kraume für seinen neuen Film „Das schweigende Klassenzimmer“. Ost und West liegen dabei dicht beieinander.

Von Sarah Kugler

Der Ku’damm und Eisenhüttenstadt liegen direkt nebeneinander. Zumindest im Filmstudio Babelsberg, in dem derzeit Dreharbeiten für den Film „Das schweigende Klassenzimmer“ von Lars Kraume stattfinden. Nur wenige Schritte muss die Filmcrew, die am gestrigen Donnerstag in Potsdam anrückte, dabei gehen, um von einem Setting in das andere zu wechseln. Die Außenkulisse des Studios bietet mit seinen unterschiedlich aufgemachten Straßenzügen graue, heruntergekommene Häuserfronten genauso wie die schicke Atmosphäre von Westberlin – alles im Stil des Jahres 1956.

Beides benötigt Regisseur Lars Kraume („Der Staat gegen Fritz Bauer“) für seine auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte rund um zwei DDR-Schüler, die bei einem Kinobesuch in Westberlin im November 1956 in den Nachrichten mit Bildern vom Aufstand der Ungarn in Budapest konfrontiert werden. Daraufhin beschließen sie zu Hause, während des Unterrichts eine solidarische Schweigeminute abzuhalten. Doch die Aktion bleibt von der Politik nicht unbeachtet. Die Schüler werden von Parteifunktionären verhört und müssen nun ihre Solidarität untereinander beweisen. „Es ist eine zeitlose Geschichte über Freundschaft“, sagte Kraume am Donnerstag am Set in Babelsberg.

Für die Hauptdarsteller ist es auch ein Film über Familienkonstellationen

Das Thema beschäftige ihn schon lange, so der Regisseur. Vor zehn Jahren habe er das Buch von Dietrich Garstkas – einem der Schüler von damals – gelesen, seitdem habe es ihm keine Ruhe mehr gelassen. „Hier wird auch viel erzählt, wie sich Deutschland in den 50er-Jahren neu gestaltet“, so Kraume. „Das fasziniert mich sehr.“ Für die beiden Hauptdarsteller Leonard Scheicher und Tom Gramenz ist der Film auch eine Geschichte über Familienkonstellationen, wie sie sagten. „Der Film macht deutlich, warum die Menschen damals gehandelt haben, wie sie gehandelt haben“, so Scheicher. „Und eben auch, was junge Menschen bewegt hat, für eine politische Idee zu kämpfen.“ Im Film wird dieser Kampf von den Schülern nicht nur durch solidarisches Schweigen ausgedrückt, sondern auch ganz praktisch: Etwa wenn sie sowjetischen Soldaten in einer Kneipe Nüsse an den Kopf werfen – und daraufhin flüchten müssen.

Diese Flucht ist eine der beiden Szenen, die in der Außenkulisse des Babelsberger Filmstudios gedreht wird. Im Film spielt sie in Stalinstadt, also dem heutigen Eisenhüttenstadt, wo auch die Hauptaufnahmen stattfanden. In der Neuen Berliner Straße wird dafür im sogenannten Arbeiterviertel gedreht – so nennt das Filmstudio den etwas trostlos aussehenden Teil der Außenkulisse, der für die Serie „Babylon Berlin“ als Bezirk Wedding genutzt wurde.

Es mussten einige Änderungen vorgenommen werden

Für den Dreh zu „Das schweigende Klassenzimmer“ haben die Filmhandwerker des Art Departments einige Veränderungen vorgenommen, wie Aufnahmeleiter Henning Falk erklärte: „Die Laternen sind ein bisschen verändert, Schaufenster umdekoriert und die Häuser werden hinterher noch digital verkleinert.“ Das chinesische Restaurant, das extra für „Babylon Berlin“ an die Fassade gemalt wurde, musste abgedeckt werden und wurde deswegen zur Baustelle umgestaltet. Der Eingang zur Filmkneipe befindet sich an einer der Häuserfronten, die beiden Jungdarsteller müssen aus dem Eingang über die dunklen Hinterhöfe flüchten. Eine Herausforderung für Regisseur Kraume, da alles in einer Einstellung ohne Schnitt gedreht werden soll. „Dafür haben wir ein spezielles Motorrad für den Kameramann bestellt, damit er schnell hinter den Jungs herflitzen kann“, sagte er.

Für Schauspieler Tom Gramenz ist die Szene besonders spektakulär: „Ich bekomme da echt immer ein bisschen Angst, wenn die Horde Russen hinter uns herläuft“, erzählte er lachend. Vor lauter Aufregung sei er sogar aus Versehen durch eine Scheibe gelaufen – habe sich dabei aber zum Glück nichts getan.

Nur eine „Querstraße“ von der Kneipe entfernt sieht alles viel freundlicher aus: sauber verputzte Hauswände, Pflanzen auf den Straßen und der Eingang der „Capitol Lichtspiele“, dem Kino, das die Schüler in Westberlin besuchen: Dekoriert wurde die Kulisse mit zeittypischen Glasschaukästen und Kinoplakaten – unter anderem „Liane, das Mädchen aus dem Urwald“. Außerdem sind in anliegenden Schaufenstern ein Dessous- und ein Fernsehladen hinzugefügt worden – alles ausgestattet mit Requisiten aus dem Babelsberger Fundus.

Auch 120 Komparsen mussten an den zwei Drehtagen in Babelsberg hergerichtet werden. Teilweise saßen sie schon in den frühen Morgenstunden in der Maske, damit gerade bei den Frauen auch jede Welle sitzt, wie Regisseur Kraume erzählte. Am Vormittag liefen sie dann am Donnerstag im fertigen Kostüm zum Dreh in die Kulisse ein – innerhalb von einer Minute durch Eisenhüttenstadt zum Ku’damm. Nächstes Jahr soll der Film in die Kinos kommen.

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