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Mehrarbeit und Personalmangel bei der Potsdamer Berufsfeuerwehr? Nach Ansicht einiger Kameraden darf die neue Feuerwache in der Holzmarktstraße nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Männer mit 56 Wochenstunden Arbeitszeit oft überlastet seien.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Feuerwehrleute klagen gegen Mehrarbeit

Bis zu 56 Wochenstunden müssen geleistet werden, obwohl die EU nur 48 Stunden vorsieht. Feuerwehrchef Hülsebeck verspricht: 52-Stunden-Angebot ab 2013

Innenstadt - Bei der Potsdamer Berufsfeuerwehr schwelt die Glut: Während im Vorfeld des 150-jährigen Feuerwehrjubiläums in der Hauptwache in der Holzmarktstraße alles auf Hochglanz geputzt wird, grummelt es in den Mannschaftsräumen gewaltig. Grund sind zu lange Arbeitszeiten, die aus Sicht der Kameraden sogar einer Richtlinie der Europäischen Union widersprechen. Demnach darf die Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht übersteigen – die Potsdamer Feuerwehrleute kommen jedoch auf 56 Stunden, acht Stunden mehr. „Jeder von uns arbeitet 320 Stunden im Jahr für lau“, schimpfte ein Mitglied der Potsdamer Berufsfeuerwehr, der gegenüber den PNN hinsichtlich seiner Identität um Diskretion bat. Ein Kollege ergänzte: „Die Stunden schenken wir der Stadt.“ Sechsstellige Euro-Beträge spare der Kämmerer dadurch pro Jahr.

Allerdings haben Potsdams Wehrleute dieser Situation 2007 sogar selbst zugestimmt. Damals reagierte das Land Brandenburg mit einer neuen Arbeitszeitverordnung auf die EU-Richtlinie. Diese ließ die Möglichkeit einer 56-Stunden-Woche durchaus zu – wenn die Kameraden freiwillig dazu bereit sind. Über 100 Potsdamer Feuerwehrmänner unterschrieben 2007 dieses sogenannte „Opt-out-Modell“ – weil sie schlecht beraten waren, moniert einer der verbeamteten Wehrmänner: „Feuerwehrleute sind keine Juristen.“ Als „Schmankerl“ obendrauf kam das Angebot, zwei der 56 Wochenstunden mit Geld zu vergüten. Seither erhält ein einfacher Feuerwehrmann 96-mal 12,48 Euro brutto zusätzlich im Jahr. Aber selbst dieses Zwei-Stunden-„Schmankerl“ werde nicht vollständig ausbezahlt, so die Kritik, denn eigentlich müssten es 104 Stunden pro Jahr sein. Der Kommentar, der den Unmut drastisch wiedergibt: „Wir werden sogar noch beim Bescheißen beschissen.“

Der Grund, weshalb die Kameraden das Opt-out-Modell wählten, findet sich im Dienstplan. Bisher werden 24-Stunden-Dienste geleistet. Einer 24-Stunden-Schicht folgt 24 Stunden Pause, dann kommt wieder eine Schicht. Dies wiederholt sich dreimal, dann haben die Männer vier Tage frei. Auf diese Weise werden im Durchschnitt 56 Wochenstunden erreicht. Bei einer 48-Stunden-Woche müssten die Männer jedoch Zwölf-Stunden-Schichten schieben. Daran habe aber kaum jemand Interesse: „Wir haben unser Leben auf 24-Stunden-Dienste eingerichtet.“ Potsdams Feuerwehrchef Wolfgang Hülsebeck gegenüber den PNN: „Dann müssten die Leute viermal pro Woche zur Arbeit kommen statt jetzt durchschnittlich 2,3-mal.“ Eine 24-Stunden-Schicht bei 48 Wochenstunden verstoße gegen die EU-Richtlinie, argumentiert Hülsebeck. Jeder Feuerwehrmann könne sich entscheiden, ob er 48 Stunden pro Woche in Zwölfstunden-Schichten oder 56 Stunden in 24-Stunden-Schichten arbeiten wolle. „Beide Varianten stehen“, behauptet Hülsebeck. Allerdings würden mit dem 48-Stunden-Modell 15 zusätzliche Stellen benötigt, was die Stadt 400 000 Euro im Jahr kosten würde, geht aus der Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der CDU-Stadtfraktion hervor.

Das „Friss-oder-stirb-System“ wollen die beiden Feuerwehrmänner, mit denen die PNN sprachen, nicht auf sich beruhen lassen. Die Kollegen in Rostock hätten ihre Forderungen durch erhöhten Krankenstand bekräftigt, das „würde auch hier passieren“, so die Drohung. Der Klageweg wird bereits beschritten: So teilt die Verwaltung auf die CDU-Anfrage weiter mit, fünf Feuerwehrleute hätten ihre Ansprüche auf Ausgleich der über 48 Stunden hinaus gehenden Arbeitszeit gerichtlich und vier außergerichtlich geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund machte Feuerwehrchef Hülsebeck am Montag gegenüber den PNN ein Angebot, das offenbar selbst seine Mitarbeiter noch nicht kennen: Die Berufsfeuerwehren der drei kreisfreien Städte des Landes Potsdam, Brandenburg/Havel und Cottbus werden ihren Feuerwehrleuten ab dem 1. Januar 2013 ein Opt-out-Modell anbieten, das 52 Wochenstunden ohne Mehrarbeit unter Beibehaltung der bevorzugten 24-Stunden-Schichten beinhaltet. Zugleich werde die Stellenzahl erhöht. Hülsebeck: „Das ist ein faires Angebot.“

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