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Feuerwehr Potsdam: Brennendes Problem

Familien der freiwilligen Feuerwehr Sacrow wollen von der Stadt ein Wohnhaus kaufen. Doch die wollte zum Höchstgebot verkaufen. Nun gibt es Hoffnung. Auch die OB-Kandidaten nehmen sich des Themas an.

Sacrow - Torben Knappe war bis Freitagabend ziemlich enttäuscht. Der Grund dafür hatte mit den hohen Immobilienpreisen in der Stadt, aber auch der Kommunalpolitik zu tun. Es geht bei dieser Geschichte um das wohl wichtigste Thema der kommenden Oberbürgermeisterwahl: Wie lässt sich das Wachstum der Stadt so steuern, dass sich auch mittlere Einkommensschichten in Potsdam noch Häuser oder Wohnungen leisten können?

Doch der Reihe nach: Der 39-Jährige Potsdamer Bootkaufmann gehört zur kleinen Freiwilligen Feuerwehr in Sacrow. Dort hat man Zukunftsangst: Denn die Zahl der aktiven Kameraden werde immer geringer, und die Immobilienpreise in dem abgelegenen Ortsteil steigen, so dass sich viele von Knappes Kameraden nach dem Auszug aus den Elternhäusern Sacrow nicht mehr leisten können.

Umso mehr horchten Oberfeuerwehrmann Knappe und seine Kameraden auf, als sie vor einem Jahr hörten, dass die Stadt den derzeit leerstehenden Dorfkindergarten in der Krampnitzer Straße 1 verkauft. Und so wandten sich die Feuerwehrleute an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) – dieser habe eine Konzeptvergabe für die Immobilie in Aussicht gestellt, wie es Knappe den PNN diese Woche schilderte. Daraufhin habe man eine Wohnungsgenossenschaft für das Projekt gegründet, Knappe ist dabei der Koordinator. In dem sanierungsbedürftigen Haus aus dem Jahr 1929 und einem Nebengelass habe man zwei größere und drei kleinere Wohnungen schaffen wollen. Das hätte langfristig vier bis fünf weggezogenen Sacrower Kameraden die Rückkehr in ihren Heimatort ermöglicht, so Knappe.

Mindestens 400 000 Euro für ein 243 Quadratmeter große Haus

Doch dann kam die Enttäuschung – als die Stadt das Grundstück vor wenigen Wochen über ihre Immobilienholding Pro Potsdam zum Höchstgebot ausschrieb. Das heißt: Mindestens 400 000 Euro für das 243 Quadratmeter große Haus und das 3300 Quadratmeter weite Grundstück. Aber sicherlich würden Mitbieter vielfach höhere Preise aufrufen können, sagt Torben Knappe: „Und das liegt dann über unseren Möglichkeiten.“ Denn Sacrow werde immer beliebter bei betuchten Berlinern, die dort Immobilien als Wochenendhaus kauften – an Werktagen würde das Dorf zunehmend veröden.

Auch dagegen könnte der Verkauf an die jungen Familien helfen. Zudem sei in Sacrow durch die abgelegene Lage eine schlagkräftige Feuerwehr besonders nötig. Deswegen habe man auch Finanzierungszusagen über mehrere Hunderttausend Euro von Sacrower Familien, die zwar selber nicht in der Feuerwehr aktiv sind, „die aber erlebt haben, wie wichtig der Erhalt lebendiger Strukturen und eines aktiven Miteinanders sind.“ So werde man die 400 000 Euro Mindestgebot aufbringen können. Und auch die Sanierung und den Umbau könne man mit viel Eigenleistung günstig stemmen – „in unseren Reihen sind Dachdecker, Maurer, Elektriker, Tischler, Heizungsbauer, Architekten und ein große Motivation, dieses Projekt für uns zu stemmen.“ Doch mit der Versteigerung zum Höchstgebot werde diesem Engagement jede Chance genommen, so Knappe und seine Kollegen.

Aussschreibung von Grundstücken genau prüfen

Das Thema hat es inzwischen in den Potsdamer OB-Wahlkampf geschafft. Denn Knappe und seine Mitstreiter haben sich an den Sozialdezernent und SPD-Oberbürgermeisterkandidat Mike Schubert gewandt. Der führte das Beispiel beim SPD-Parteitag vor einer Woche als Beispiel dafür an, wie er sich als Rathauschef von Amtsinhaber Jakobs unterscheiden will. Solche Konzepte, die etwa der Sicherheit der Allgemeinheit dienten, müsse Potsdam unterstützen, so Schubert – etwa mit Konzeptvergaben. Daher appellierte er auch an die Verwaltung: „Wenn es noch eine Möglichkeit gibt, die Veräußerung zu stoppen, dann sollten wir dies tun und genau überlegen, was uns wichtig ist.“ Denn der Verkauf komme die Stadt vielleicht langfristig teurer, „wenn wir nur noch hauptamtliche Brandschützer haben, weil es keinen Nachwuchs mehr gibt.“

Das Beispiel zeige auch, wie wichtig es bei den wenigen noch verbliebenen kommunalen Flächen sei, „dass wir genau prüfen bevor wir Grundstücke ausschreiben“, so Schubert – der gleichwohl als früherer SPD-Chef lange Jahre die Politik von Jakobs mitgetragen, aber etwa auch das Potsdamer Baulandmodell zur Beteiligung von Investoren an der sozialen Infrastruktur mitentworfen hat. Nun rückt Schubert noch ein wenig mehr nach links: Unter anderem wolle er, dass die Quote für belegungsgebundenen Wohnraum bei Neubauprojekten noch einmal von 20 Prozent auf 30 Prozent erhöht werde, sagte er vor den Genossen.

"Ein krasses Beispiel"

Auch die anderen Kandidaten haben das Thema, wie Potsdam mit seinen kommunalen Grundstücken umgehen sollte, längst erkannt. Linken-Kandidatin Martina Trauth fordert in ihren jüngst veröffentlichten Wahlzielen auch die 30-Prozent-Quote für Belegungsbindungen – und dass die Stadt eben ihre Grundstücke nur noch in Erbbaupacht und nach Konzept vergibt. Ähnliche Modelle und den Stopp des Verkaufs kommunaler Flächen forderte auch Lutz Boede seit Jahren. Er tritt für die Wählergruppe Die Andere als OB-Kandidat an. Auch in Sacrow zeige sich, dass die Stadt eigene Grundstücke benötigt, „um wichtige kommunale Aufgaben zu erfüllen“, sagte Boede. Ähnlich sieht es Grünen-Kandidatin Janny Armbruster – der Fall in Sacrow sei „ein krasses Beispiel, das jedem klar macht, wohin es führt, wenn Potsdam einfach ausverkauft wird.“

Sie sei für klare Vorgaben, wenn städtische Grundstücke verkauft werden – um so öffentliche Infrastruktur, aber auch bezahlbares Wohnen zu sichern. Zurückhaltender äußerte sich CDU-Kandidat Götz Friederich: Man müsse im Einzelfall prüfen, ob Konzeptvergaben sinnvoll seien. Vor allem aber gelte es Baurechte zu schaffen, um Ansiedlungen nicht zu behindern. Und Dennis Hohloch (AfD) sagte, für die soziale Durchmischung der Stadtteile sollte der Verkauf zum Höchstgebot oftmals nochmal überdacht werden.

Der Zuspruch ist also groß. Zudem stellte die PNN Anfang der Woche eine Anfrage zu dem Vorgang. Am Freitag kam die Antwort aus dem Oberbürgermeisterbüro: Die Idee einer Konzeptnutzung ortsansässiger Interessenten hab sich nach Start der Ausschreibung konkretisiert, sagte Stadtsprecher Stefan Schulz. Und: „Die laufende Ausschreibung soll daher aufgehoben und eine Konzeptvergabe geprüft werden.“ Torben Knappe und seine Kameraden können wieder hoffen.

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