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Im Weg? 2014 rasten vier Hobbyskipper in die Seile der ViP-Fähre.

© S. Gloede

Landeshauptstadt: Fallstricke zu Wasser

Fährleute beklagen zunehmende Zwischenfälle mit ungeübten Freizeitkapitänen. Erst vor wenigen Wochen legte ein Hobbyskipper aus Berlin die Fähre nach Hermannswerder lahm

Der Boom im Wassertourismus rund um Potsdam sorgt zunehmend für Verdruss bei Berufsschiffern. Nachdem erst vergangene Woche wie berichtet der Bundesverband der Binnenschiffer wegen vermeintlicher Sicherheitsmängel bei Grill- und Partyflößen Alarm geschlagen hatte, beklagen auch die Betreiber von Fähren eine steigende Zahl von Zwischenfällen mit ungeübten Freizeitschiffern. Weil Ausflügler mit ihren Booten immer wieder über die Zugseile der Fähren brettern und diese beschädigen, entstehen den Betreiben oft hohe Kosten. Zuletzt wurde Ende Februar die Fähre der Potsdamer Verkehrsbetriebe (ViP) zwischen Hermannswerder und Auf dem Kiewitt für dreieinhalb Stunden lahmgelegt. Ein 53 Jahre alter Hobbyskipper aus Berlin hatte sich laut Polizeiangaben im Seil der Fähre verfangen. Während die Passagiere mit einem Extraboot an Land gebracht wurden, mussten Taucher der Wasserwacht das Seil entwirren.

Laut ViP hat die Zahl solcher Vorfälle zugenommen. Früher seien es vielleicht zwei Unfälle pro Jahr gewesen. Im vergangenen Jahr rasten den Angaben zufolge schon vier Hobbyschiffer in die Seile der Fähre. In der Regel verhake sich dann die Schraube des Bootsmotors mit dem Seil. Je nach Schwere des Unfalls müsse das beschädigte Seil teilweise sofort gewechselt werden. Die Kosten dafür betrügen rund 2 500 Euro. Häufig aber werde der Schaden mangels Beweiskraft nicht durch die gegnerische Versicherung ausgeglichen, so der ViP. Fahrgäste seien bislang nicht verletzt worden.

Solche Erfahrungen macht auch Karsten Grunow, Betreiber der Seilfähre zwischen Caputh und Geltow, immer wieder. „Es wird einfach auf blauen Dunst losgefahren, obwohl die Fähre bereits unterwegs ist und die Seile straff sind. Manche fahren auch hinter der Fähre vorbei, oftmals auch mit erhöhter Geschwindigkeit“, schildert Grunow. Auch bei ihm verhedderten sich vor zwei Jahren zwei Wassersportler mit ihren Booten in seinem Zugseil. In einem der beiden Fälle sei ein großer Sachschaden entstanden. Zudem sei die Fähre mehrere Stunden außer Betrieb gewesen.

Im Mittelpunkt der Kritik der Berufsschiffer stehen vor allem Freizeitkapitäne ohne gültig Fahrerlaubnis. Gestattet ist das führerscheinlose Motorbootfahren in Deutschland seit rund 15 Jahren, allerdings nur auf ausgewählten Strecken. In Brandenburg und Berlin stehen dafür insgesamt etwa 470 Kilometer zur Verfügung. Zwar müssen die Bootsverleiher ihre Kunden zuvor in die Handhabung der Fahrzeuge und die wichtigsten Verkehrsregeln einweisen, doch nach Einschätzung von Brandenburgs Polizei und des Wasser- und Schifffahrtsamtes erfolgen die Kurzschulungen oft nur unzureichend. Eine Stichprobe der Polizei vor zwei Jahren hat ergeben, dass immerhin 13 Prozent aller Bootsführer keine ausreichende praktische Einweisung bekommen haben. 4,5 Prozent der Befragten hätten sogar keinerlei Einweisung im Vorfeld bekommen. Für Peter Münch, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Eberswalde, ein unhaltbarer Zustand. „Die Unterweisungsinhalte müssen einfach besser auf die jeweiligen Reviere abgestimmt werden“, fordert Münch. Wie sich die Einweisungen künftig effektiver gestalten lassen können, wird derzeit in einer Arbeitsgruppe, in der unter anderem die Polizei, das Wasser- und Schifffahrtsamt und die Verleiher mitarbeiten, erörtert.

Erst vor drei Jahren wurde die Leistungsgrenze der zur Verfügung stehenden Boote von bisher 5 PS auf 15 PS angehoben. Eine Entscheidung, die ausschließlich auf politischem Willen basiere und aus fachlicher Sicht eigentlich nicht zu rechtfertigen sei, so Münch.

Experten zufolge sind mit 15 PS Geschwindigkeiten von bis zu 30 Stundenkilometern möglich. Allerdings darf auf 40 Prozent der Wasserstraßen in der Region nicht schneller als zwölf Kilometer pro Stunde und auf weiteren 19 Prozent nicht schneller als 20 gefahren werden. Die Bilanz der Polizei aber zeigt, dass sich viele Hobbykapitäne nicht an die Tempolimits halten. Mehr als 6400 Sportboote hatten die Beamten 2014 auf den Gewässern Westbrandenburgs kontrolliert, fast die Hälfte davon im Potsdamer Raum. Fazit: In gut 1000 Fällen gab es Beanstandungen, zwei Drittel wurden auf Potsdams Wasserstraßen registriert. Zumeist habe es sich um Verstöße gegen die Tempolimits und Verletzungen der Sorgfaltspflicht gehandelt, heißt es.

Auch Alkohol am Steuer scheint kein Tabu zu sein. Fast alle der 22 in Westbrandenburg registrierten Verstöße gegen die Promillegrenzen im vergangenen Jahr wurden auf den Potsdamer Havelgewässern begangen. Die Hälfte davon ging auf das Konto von Skippern ohne Führerschein. Matthias Matern (mit pet)

Matthias Matern (mit pet)

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