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Ende April wurden im Oberlinhaus vier Personen mit Behinderung getötet.

© Andreas Klaer

Fall Oberlin: Verdächtige äußert sich zur Tatnacht

Die psychiatrische Begutachtung der 52-Jährigen dauert an, sie sprach ausführlich mit einer Gutachterin. Das Potsdamer Arbeitsgericht will bald entscheiden, ob der Prozess fortgesetzt wird. 

Potsdam - Erstmals hat die Tatverdächtige, die Ende April vier Menschen mit Behinderung im Babelsberger Oberlinhaus getötet und einen weiteren schwer verletzt haben soll, sich zur Tatnacht geäußert. Wie ihr Anwalt Henry Timm auf Anfrage bestätigte, habe seine Mandantin Anfang der Woche ausführlich mit einer psychiatrischen Gutachterin gesprochen. Zuerst hatte die „Bild“ berichtet. „Sie hat sich allumfassend die Seele frei geredet“, sagte Timm. Dabei habe sie auch alles erzählt, „was ihr aus der Tatnacht erinnerlich ist“. 

Das psychiatrische Gutachten ist mit dem Gespräch noch nicht abgeschlossen. Es werde mindestens ein weiteres Gespräch sowie zusätzliche Tests geben, sagte Timm. „Die Begutachtung wird noch geraume Zeit in Anspruch nehmen“, teilte auch der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft mit. 

Die Tatverdächtige arbeitete 32 Jahre lang als Pflegekraft im Oberlinhaus und betreute dort Menschen mit Behinderung. In der Tatnacht soll sie im Thusnelda-von-Saldern-Haus vier Bewohner mit einem Messer getötet haben. Eine weitere Person wurde verletzt. Die Tatverdächtige ist derzeit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.

Frage der Schuldfähigkeit

Das psychiatrische Gutachten fließt in das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft ein. Es geht auch um die Beurteilung der Schuldfähigkeit der 52-jährigen Frau. Erst im Anschluss kann die Staatsanwaltschaft Anklage erheben. 

Wann der Prozess stattfindet, ist aufgrund der laufenden Ermittlungen weiter unklar. Zwar würden diese wegen „des in Haft- und Unterbringungssachen besonders zu beachtenden Beschleunigungsgebotes zügig geführt“, sagte der Staatsanwaltschaftssprecher. Aber wann die Ermittlungen abgeschlossen werden, lasse sich derzeit „nicht belastbar prognostizieren“. Anwalt Timm rechnet mit dem Beginn einer Hauptverhandlung nicht wesentlich vor Ablauf eines Jahres nach der Tat. Das zeigten Erfahrungswerte aus anderen Verfahren in Potsdam, sagte Timm. Demnach wäre frühestens im Frühjahr 2022 mit einem Prozess zu rechnen. 

Prozess am Arbeitsgericht

Auch bei einem anderen Verfahren ist der weitere Verlauf noch unklar. Wie berichtet hatte das Oberlinhaus der Tatverdächtigen nach der Tat fristlos gekündigt. Dagegen hat Anwalt Timm geklagt. Zudem forderte er Lohnfortzahlung, eine Abfindung und Schmerzensgeld in einer Gesamthöhe von 81.600 Euro. Er argumentierte, der psychische Zustand der Mitarbeiterin hätte dem Arbeitgeber auffallen müssen. Es habe Warnsignale wie Überlastungsanzeigen gegeben. Das Oberlinhaus hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen. Im Rahmen des Prozesses sagte Timm auch, seine Mandantin bedaure die Geschehnisse, diese täten ihr leid. 

Der erste Verhandlungstag dieses Prozesses hatte vor einem Monat am Potsdamer Arbeitsgericht stattgefunden. Richterin Birgit Fohrmann möchte das Verfahren bis zum Strafprozess aussetzen. Die Anwälte beider Seiten lehnen dies ab. Die Entscheidung darüber steht indes noch aus: Die Schriftsätze der Anwälte beider Seiten lägen vor, sagte Arbeitsgerichtssprecher Robert Crumbach. Richterin Fohrmann, derzeit im Urlaub, werde Anfang kommender Woche über das Aussetzen oder die Fortsetzung des Prozesses entscheiden.

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