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Fahrplanwechsel in Potsdam: Tram Linie 96: Langes Warten auf den Umstieg

Eine Probefahrt nach Groß Glienicke nach dem Fahrplanwechsel zeigt: An der Haltestelle Campus Jungfernsee gibt es viel Unzufriedenheit - Fahrgäste wünschen sich vor allem bessere Aufenthaltsmöglichkeiten.

Potsdam - Grauer Himmel, vier Grad, leichte Regentropfen: Nein, es macht keinen Spaß, an diesem kühlen Dienstagmorgen an einer Haltestelle zu warten. Auch den Groß Glienickern nicht, doch seit Neuestem müssen sie warten, wenn sie aus Potsdam Richtung Spandau fahren müssen: Durch den Fahrplanwechsel der Verkehrsbetriebe in Potsdam (ViP) fährt der Bus 638 seit Montag nicht mehr durch, sondern stoppt an der neu entstandenen Haltestelle Campus Jungfernsee, wo man in die Tram 96 umsteigen muss. Zur Premierenfahrt am Samstag hatte es Proteste gegeben, ein Dutzend Demonstranten hatte die Strecke kurzzeitig blockiert (PNN berichteten). Doch wie schlimm ist es wirklich?

8.27 Uhr: Die Tram 96 kommt am Platz der Einheit an, viele Fahrgäste steigen aus, einige ein, der lange Combino-Wagen ist normal gefüllt. Am Rathaus leert es sich, nach der Haltestelle Campus Fachhochschule sitzt nur noch ein gutes Dutzend Fahrgäste in der Bahn. „Campus Jungfernsee – Endhaltestelle“, verkündet die Lautsprecheransage um 8.41 Uhr. Während die eine Hälfte der Passagiere Richtung SAP-Campus läuft, bleibt die andere an der Haltestelle.

Wartehalle, Kiosk, Toiletten: Mit solchen Einrichtungen für die Wartenden ist erst einmal nicht zu rechnen

„Ich wusste das mit dem Fahrplanwechsel heute nicht, für mich ist das total blöd“, sagt Frank Zimmermann. „Ich muss einmal pro Woche nach Groß Glienicke, ich brauche jetzt bis zu 20 Minuten länger.“ Immerhin: Auf der Anzeigetafel steht, dass der Bus 638 in drei Minuten da sein wird. „Das ist nicht viel“, meint eine Frau achselzuckend, die ebenfalls auf den Anschluss wartet. „Aber wenn es kalt ist, und man länger warten muss, bräuchte man hier schon eine Wartehalle, einen Kiosk oder Toiletten.“

Mit solchen Einrichtungen ist allerdings nicht zu rechnen: Stadtsprecher Markus Klier sagte auf Nachfrage der PNN, dass die Endhaltestelle ähnlich gestaltet werden würde wie die Endhaltestelle Kirschallee, also ohne Kioske oder Aufenthaltsmöglichkeiten.

„Abends ist das schon extrem, es gibt an der Haltestelle nichts, wo man sich aufhalten kann“

Der Bus 638 kommt um 8.44 Uhr und sammelt die wenigen Fahrgäste ein, einige steigen an der Haltestelle Birkenweg am Ortseingang von Groß Glienicke aus. Die Hinfahrt verlief glatt, wie sieht es zurück aus? Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht das Wartehäuschen für die Gegenrichtung, ein Mann stellt sich unter, schaut auf den Fahrplan und schimpft über das kalte Regenwetter. „Ich find's zum Kotzen“, so sein Kommentar zum Fahrplanwechsel. Er müsse vor allem wegen Arztterminen und Ähnlichem hin und wieder nach Potsdam. Er war auch einer der 600 Unterzeichner der Forderung, den Bus 638 weiter durchfahren zu lassen. An eine Änderung glaubt er aber nicht mehr: „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Eine Frau, die ebenfalls auf den Bus wartet, sieht das ähnlich: „Es ist jetzt umständlicher und zeitaufwändiger: Tagsüber brauche ich rund zehn Minuten länger, und nach acht Uhr habe ich am Campus Jungfernsee schon 20 Minuten gewartet“, so die Groß Glienickerin, die täglich zwischen ihrem Wohnort und Potsdam pendelt. „Abends ist das schon extrem, es gibt an der Haltestelle ja auch nichts, wo man sich aufhalten kann.“

Wie kompliziert sind die Anschlüsse nach den neuen Fahrplänen?

Der Bus aus Spandau ist gut gefüllt, zwölf Minuten später ist die Endhaltestelle Campus Jungfernsee erreicht. Manche sind sichtlich verwundert, warum die Fahrt hier endet, bis sie über die Fahrplanänderung aufgeklärt wurden: „Ich habe mich schon über die Ansage gewundert“, sagt eine Berlinerin, die irritiert auf die Anzeige-Tafel schaut, auf der die Ankunftszeit der nächsten Tram steht. „Dann nehme ich demnächst lieber die S-Bahn.“ Eine ältere Dame mit Rollator erklärt hilfsbereit, dass zu den Stoßzeiten jeweils morgens und nachmittags für den Schul- und Berufsverkehr jeweils drei Busse wie früher durchfahren. „Ein komplizierter Fahrplan!“, sagt sie.

Zum Glück ist schon nach vier Minuten die Tram da. Auf der anderen Seite der Endhaltestelle läuft es nicht so reibunsglos: Ein junger Mann steigt aus der Tram, mit der er gerade aus Potsdam gekommen ist, und schaut ungläubig auf die Anzeige-Tafel für den nächsten Bus nach Groß Glienicke: 23 Minuten. „Ich wusste zwar von dem Fahrplanwechsel, aber jetzt ärgere mich schon!“, sagt er, stöpselt sich Kopfhörer in die Ohren und macht sich auf eine lange Wartezeit gefasst.

Wer nicht in der Kälte ausharren will, muss die Fahrpläne genau studieren

Doch es gibt an diesem Tag tatsächlich Fahrgäste, die sich über den Fahrplanwechsel freuen: Gerade steigen ein junger Mann und eine junge Frau aus der Tram und gehen Richtung SAP-Campus – ihrem Arbeitsplatz. „Ich hatte mich erst gewundert, dass der Bus nicht mehr fährt, aber dann habe ich gesehen, dass dafür die Tram alle zehn Minuten hierher fährt“, sagt Kevin Doden. „Das ist wunderbar! Früher musste ich oft 20 bis 30 Minuten auf den Bus warten – ich habe ziemlich viel Zeit am Hauptbahnhof verbracht!“ Auch Lotta Mayerle freut sich: „Ich finde es praktisch: Man muss sich keine Gedanken mehr machen, wann der Bus kommt, man kann einfach losfahren.“

Genau das – einfach losfahren – können die Groß Glienicker nun nicht mehr. Zwar hat die Probefahrt gezeigt, dass man durchaus mit wenigen Minuten Umsteigezeit den Anschluss an die Tram oder den Bus bekommen kann, doch wer die falsche Tram erwischt, muss sich auf lange Wartezeiten einstellen. Wer nicht in der Kälte ausharren will, muss also die Fahrpläne genau studieren.

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