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Abschiedsstimmung. Noch einmal wurden am Samstag Für und Wieder des Abrisses der Fachhochschule diskutiert, auch wenn dieser längst feststeht. Hanna Seitz, Professorin für Ästhetik an der Fachhochschule konzipierte den Kehraus.

© Ronny Budweth

Fachhochschule in Potsdam: Zu Grabe getragen

Beim Kehraus am Samstag stand die Fachhochschule in am Alten Markt ein letztes Mal im Mittelpunkt. Mit Performances, Installationen und erneuten Diskussionen wurde Abschied genommen.

Potsdam - Der Patient ist tot. Aber noch einmal wird die Diagnose diskutiert – und ob man vielleicht doch die Wiederbelebung einleiten sollte. So geschehen am vergangenen Samstagabend in Potsdam: Auch wenn das Schicksal des Fachhochschulgebäudes auf dem Alten Markt längst besiegelt ist, stritten Saskia Hüneke (Grüne), Fachhochschulgründungsrektor Helmut Knüppel und André Tomczak von der Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ gemeinsam mit anderen Diskutanten über das Für und Wider des Abrisses. Die von dem Potsdamer Fachhochschulprofessor Hermann Voesgen unter freiem Himmel mitten auf dem Alten Markt geleitete Runde war Teil des sogenannten Kehraus, mit dem sich die Fachhochschule (FH) vom Gebäude am Alten Markt verabschiedete.

Die vereinzelten Regentropfen, die der Himmel dabei auf Potsdams Mitte fallen ließ, mochte, wer wollte, symbolisch aufladen: als Tränen der Trauer um das FH-Gebäude – oder auch als Tränen der Freude über die für die nächsten Jahre geplante Annäherung an den historischen Stadtgrundriss. Die Trauerfraktion war am Samstag deutlich in der Überzahl – wie man den Beifallsbekundungen und Unmutsrufen entnehmen konnte. Während Tomczak noch einmal mit Verve für den Erhalt des Hauses warb, erläuterte Hüneke, warum es richtig sei, den 40 Jahre alten Bau zu schleifen.

Spätes Interesse für die FH: „Wo war damals die Lobby für das Haus?“

Tomczak – als stadtbekannter Frontmann der Abrissgegner – beklagte, es werde die Chance vertan, für die Zukunft einen öffentlichen Raum mitten im Zentrum zu erhalten. Das FH-Gebäude habe das Zeug, wichtige kulturelle und soziale Funktionen zu erfüllen. Auch als Schaufenster der Potsdamer Wissenschaftslandschaft könne das Gebäude dienen. Hüneke wiederum legte mehrfach Wert auf die Feststellung, dass es mit dem Potsdam Museum, dem Lustgarten, und der Plantage sowie weiteren Räumen durchaus öffentliche Areale in der Innenstadt gebe. Den Applaus erntete jedoch Tomczak, als er provokant fragte: „Wem gehört die Stadt?“ Es sei nun einmal so, dass mit dem Abriss des FH-Gebäudes und der Veräußerung des Grundstücks öffentliches Eigentum unter Einsatz von Fördermitteln vernichtet werde.

Als Hüneke für das Konzept der Neubebauung warb und dabei auf die angestrebte soziale Durchmischung zu sprechen kam, rief jemand aus dem Publikum: „Das macht die Mitte doch nicht billiger!“ Hüneke hob indes hervor, dass die geplante bauliche Entwicklung ein Ergebnis bürgerschaftlichen Engagements sei. Tomczak wiederum warf die Frage auf, warum man nicht schon viel früher für den Erhalt des Gebäudes gekämpft habe. „Wo war damals die Lobby für das Haus?“, fragte der Aktivist, der selbst erst seit 2009 in Potsdam wohnt.

FH-Gründungsrektor Knüppel kritisiert Räumung der FH nach der Besetzung im August

An diesem Abend jedenfalls stand das FH-Gebäude noch einmal ganz im Mittelpunkt. So wurde beispielsweise ein etwa 2,50 Meter großes Segment mit den markanten Sternen von der Fassade der FH auf dem Alten Markt ausgestellt. Im Potsdam Museum waren Videoarbeiten von Studenten zum Thema FH-Gebäude zu sehen. Selbst ein Klo mit Toilettenbrille hatte man auf dem Alten Markt postiert. Umschlungen von Goldfolie unter Beigabe einiger Klopapierrollen stand es unter freiem Himmel. Die Installation war ein stiller Protest dagegen, dass die 15 000 Unterschriften, die im Bürgerbegehren unter anderem für das FH-Gebäude gesammelt wurden, am Ende rechtlich nichts zählten.

In das Objekt des Interesses selbst – dem ursprünglich als Institut für Lehrerbildung gebauten Haus – kam man an diesem Abend jedoch nicht hinein. Seit das Gebäude im Juli besetzt und anschließend von der Polizei geräumt wurde, ist der Bau vernagelt. Das Risiko einer neuerlichen Besetzung wollte man nicht eingehen. FH-Gründungsrektor Knüppel kritisierte am Samstag die Hochschulleitung für ihre damalige Entscheidung, das Haus durch die Polizei räumen zu lassen.

In der 17. Etage des Mercure waren Bachelorarbeiten ausgestellt, die Szenarien des FH-Erhalts durchspielen 

Ein bisschen Studien-Feeling gab es trotzdem beim Kehraus auf dem Alten Markt: Man hatte Hörsaalbestuhlung samt der klassischen Schreibpulte vor der Bühne aufgebaut. Die Zuhörer konnten darin Platz nehmen, frei nach dem Motto: wenn der Mensch nicht in den Hörsaal kommt, kommt eben der Hörsaal zum Menschen. Deutlich sichtbar auf der Veranstaltung war die Präsenz der Polizei mit mehreren Fahrzeugen vor Ort.

Architektonische Rettungspläne für das FH-Gebäude konnten die Besucher am Samstag in der 17. Etage des Hotel Mercure betrachten. Dort waren vier Bachelorarbeiten ausgestellt, in denen sich FH-Studenten von Professorin Martina Abri mit der Frage befassten, wie man das dem Abriss geweihte bisherige Hochschulgebäude erhalten und weiterentwickeln könnte. Praktische Relevanz für das Stadtbild werden die studentischen Arbeiten indes nicht mehr haben. Der Kehraus am Samstag war bereits so etwas wie die Trauerfeier für das Haus.

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Bericht/Kultur: Die Nacht ist eine Inszenierung der Ausgesperrten, denen ein Lass-Krachen-Abschied verwehrt blieb. Viele ursprüngliche Ideen waren plötzlich nicht mehr umsetzbar oder mussten an die Open Air Situation angepasst werden.

Kommentar: Endlich ist Schluss mit der FH! Auch wenn es zu befürchten gilt, dass die Debatte darüber noch weiter geführt wird. Man fragt sich, wem das alte DDR-Gebäude eigentlich nutzt, meint PNN-Redakteur Matthias Matern in seinem Kommentar. 

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