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Fachhochschule in Potsdam: Stahl-T-Rex gegen den DDR-Beton

Der Riesenbagger für den Abriss der Fachhochschule hat am Montag mit seiner Arbeit begonnen.

Von Peer Straube

Potsdam - Den ersten Biss gibt es um 11.32 Uhr. Der Koloss gräbt die gewaltigen Zähne in sein wehrloses Opfer und reißt ein großes Stück aus ihm heraus. Ein bisschen erinnert die Szenerie tatsächlich an ein prähistorisches Ungetüm, das seine Beute verschlingt: Dem Abrissbagger, der der alten Fachhochschule zu Leibe rückt, ist eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Tyrannosaurus Rex nicht abzusprechen. Seit dem gestrigen Montag ist das stählerne Ungetüm nun am Werk und soll das DDR-Gebäude am Alten Markt in den kommenden Wochen Stück für Stück „zerbeißen“.

Eigentlich hatte der Riesenbagger bereits in der vergangenen Woche loslegen sollen. Doch wie berichtet hatte eine ausstehende Genehmigung den als Schwerlast deklarierten Transport des Baugeräts um ein paar Tage verzögert. Negative Auswirkungen auf den Bauablauf hat das wohl nicht. Für Abriss-Bauleiter Ronny Toth von der Firma Reinwald ist das Projekt ohnehin Routine: „Das ist eher was Kleines“, sagt er. „Keine Herausforderung für den Bagger.“

Daher hat Reinwald auch nur seine Nummer zwei geschickt: den 65-Tonnen-Bagger mit seiner 2,7 Tonnen schweren, Schere genannten, Abrisszange. Auf 28 Meter brächte es der Greifarm, doch den muss der Baggerführer nicht mal ausfahren. Für die richtig großen Fälle, etwa das stillgelegte Opel-Werk in Bochum, nehme man den 125-Tonnen-Bagger mit 50-Meter-Greifarm, sagt Toth.

15 Werktage für eines der vier FH-Segmente

Für Potsdam reicht der kleine Bruder. Der hat im Gegensatz zur ursprünglichen Planung nicht am Nordende der FH, sondern in der Mitte mit dem Abbruch begonnen. Aus Lärm- und Staubschutzgründen hat sich die kommunale Pro Potsdam, die den Abriss im Auftrag der Stadt durchführt, umentschieden. Nun sollen die beiden mittleren Segmente des FH-Komplexes zuerst fallen, danach das am Bildungsforum, zuletzt der Kopfbau am Alten Markt. Damit sich die Staubbelastung einigermaßen in Grenzen hält, wird der Beton aus dem Greifarm heraus mit Wasser besprüht, bevor sich die Kiefer der Abrisszange darum schließen. 20 Minuten braucht das Stahlgebiss, dann ist die gelbe Betonfassade im Obergeschoss eines FH-Segmentes Geschichte.

„Aber die Sicht zur Nikolaikirche stellen wir heute nicht mehr frei“, scherzt Pro-Potsdam-Chef Bert Nicke gut gelaunt. Lange kann das aber nicht mehr dauern. Bis zum Abend konnte man von der Friedrich-Ebert-Straße aus bereits das früher zum Teil verdeckte Säulenrondell unterhalb der Kuppel komplett sehen. 15 Werktage, schätzt Toth, benötige der Bagger für eines der vier FH-Segmente. Neben dem Fahrer sind sieben weitere Arbeiter für den Abriss abgestellt. 15 Lkw-Ladungen Schutt verlassen täglich die Baustelle. Damit das reibungslos läuft, habe man eine entsprechende Baustellenlogistik ausgearbeitet, erklärte Nicke. Der Schutt werde dann auf die Deponien der Region verteilt.

Manche Passanten bleiben wohlwollend, andere kopfschüttelnd stehen

Zehn Stunden täglich, mit Pause von 7 bis 18 Uhr, frisst sich der Bagger in den kommenden Monaten werktags durch den FH-Beton. Freitags werde nur von 7 bis 11 Uhr gearbeitet, sollte der Zeitplan es erfordern, müssten die Arbeiter auch mal samstagvormittags ran, sagte Toth. Bis Ende Juli soll das FH-Gebäude komplett verschwunden sein, danach folgt die Tiefenenttrümmerung, sprich, dann sind die Keller, die Fundamente und der ehemalige Wirtschaftshof im Staudenhof dran. Bis zum Herbst soll das Areal vollständig beräumt sein, sodass wie geplant im nächsten Jahr mit dem Bau des ersten von zwei neuen Karrees in Anlehnung an den historischen Stadtgrundriss begonnen werden kann. Den Zuschlag für die insgesamt neun Grundstücke hat die Pro Potsdam bereits erteilt, neben privaten Investoren und Selbstnutzern kommen wie berichtet auch zwei große Potsdamer Genossenschaften zum Zuge. Die Stadtverordneten haben ebenfalls bereits ihren Segen gegeben. 2021, so zumindest der Plan, sollen die ersten Bewohner in das neue Karree einziehen können. Parallel wird das zweite Karree ausgeschrieben, das rund um das Bildungsforum gebaut werden soll.

Noch allerdings sind die künftigen Baufelder von der FH blockiert, auch wenn die Beißerei des Baggers die Substanz bereits am ersten Einsatztag sichtbar schrumpfen lässt. Die meisten Passanten bleiben zumindest kurz stehen und schauen zu, manch einer wohlwollend, andere kopfschüttelnd. Auch der Ur-Potsdamer Ralf Kubon reiht sich am Vormittag unter die Schaulustigen. „Einerseits finde ich’s gut, andererseits schade, dass das Gebäude jetzt abgerissen wird“, sagt er. Das sei doch ein „schöner, massiver Bau“. Wäre der rechtzeitig saniert worden, „hätte man da schon was draus machen können“, meint Kubon. Und warum findet er den Abriss dann gut? „Weil es jetzt ja sowieso zu spät ist.“

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