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Exklusiv: Untreue-Verdacht in Potsdam: Neuer Skandal bei den Potsdamer Stadtwerken

Es geht um Sonderzahlungen, den Schatten von Ex-Chef Paffhausen, doppelte Gehälter und Untreue. Interne Prüfberichte belegen das ganze Ausmaß der Kungeleien bis ins Rathaus.

Potsdam - Ein Skandal von in Potsdam bislang ungekanntem Ausmaß erschüttert fünf Jahre nach der damaligen Paffhausen-Affäre die Potsdamer Stadtwerke. So steht der Geschäftsführer der Stadtwerke-Tochter Energie- und Wasser (EWP) und einstige Chef der Stadtentsorgung (Step), Holger Neumann, wegen der jahrelangen Anweisung von vermutlich drastisch überhöhten Gehältern, Prämien und Zulagen in Höhe von insgesamt rund 400 000 Euro an die Mitarbeiterin Petra V. unter dringendem Untreueverdacht.

Zwei Chef-Jobs in Vollzeit, zwei volle Chef-Gehälter

Der Vertraute des Ex-Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen soll zudem in einem weiteren Fall seine Pflichten als Step-Geschäftsführer verletzt haben – indem er an einem mutmaßlich von Paffhausen initiierten, intransparenten Geschäftsführer-Konstrukt mitwirkte. Danach war Neumann parallel Geschäftsführer von Step und EWP – und beide Gesellschaften trugen annähernd volle Beschäftigungskosten für ihn, obwohl er wegen der Doppelfunktion jeweils nur teilweise für seine Tätigkeiten zur Verfügung stand.

Vertrauliche Prüfberichte sehen Untreueverdacht und warnen vor Ermittlungen

Das geht aus vertraulichen Prüfberichten der Berliner Kanzleien Raue und Ignor & Partner GbR hervor; sie waren von den Stadtwerken beauftragt worden, Vorwürfe gegen Neumann und Enrico Munder, technischer Step-Geschäftsführer, zu untersuchen. Laut Ignor & Partner bestehen „zahlreiche Anhaltspunkte“ dafür, dass Neumann sich „wegen Untreue zum Nachteil der Step strafbar gemacht hat“ und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft rechtfertigen würden. Gleichzeitig raten die Juristen davon ab, „den Sachverhalt von der Staatsanwaltschaft weiter aufklären zu lassen und gegebenenfalls eine Bestrafung von Herrn Neumann herbeizuführen“. Als einen Grund führen sie an, dass ein Ermittlungsverfahren zu „geschäftsschädigender medialer Aufmerksamkeit“ führe. Zudem handle es sich um „unternehmensinterne Vorgänge“.

Müller-Preinesberger legte Aufsichtsräten Prüfberichte nicht vor

Diesem Hinweis der Wirtschaftsjuristen scheinen die Stadtwerke als Gesellschafter sowie die Sozialbeigeordnete in Potsdams Rathausspitze, Elona Müller-Preinesberger (parteilos), die die Aufsichtsräte  von Step und EWP führt, zu folgen. So haben die Aufsichtsräte von Step und EWP am 27. Mai und 3. Juni, jeweils unter Führung von Aufsichtsratschefin Müller-Preinesberger, wegweisende Personalentscheidungen getroffen. Dabei wurden zumindest die einfachen Aufsichtsratsmitglieder der EWP über die 33- und 16-seitigen Prüfberichte, die dieser Zeitung vorliegen, nicht informiert.

Trotz Untreue-Verdacht keine Kündigung - sondern Freistellung bei vollen Bezügen

Die Berichte datieren vom 25. Mai 2016 und sind als Zwischenberichte deklariert. Während einer der Berichte nachweist, dass die mutmaßlichen Verfehlungen Neumanns als Step-Chef auf seine Tätigkeit als EWP-Chef durchschlagen und mit Frist bis zum 8. Juni 2016 eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden, wurden die EWP-Aufsichtsratsmitglieder von Müller-Preinesberger aber nur vor die Wahl gestellt, Neumanns Vertrag nicht zu verlängern. Dem stimmten sie zu – in Unkenntnis des Prüfberichts. Damit ist der Manager nun bei vollen Bezügen freigestellt, bis sein Vertrag Ende September 2017 ausläuft. Sein Jahresgehalt mit Stand 2013: 198 000 Euro.

Der Aufklärer wird bestraft und gekündigt

Außerdem wurde der Vertrag mit Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme, der neben Neumann auch die EWP führt, um zwei Jahre verlängert. Der Vertrag von Step-Technikchef Munder, der laut der Berichte als weitgehend unbelastet und sogar als Aufklärer der Missstände gilt, wurde von den Stadtwerken als Step-Gesellschafter mit Billigung des Aufsichtsrats dagegen gekündigt.

Was wussten Oberbürgermeister Jakobs und Stadtwerke-Chef Böhme?

Unter Druck stehen damit auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) als oberster Gesellschaftervertreter der Stadtwerke und Konzern-Chef Böhme. Jakobs hatte gerade erst entschieden, dass Böhme für zwei weitere Jahre Stadtwerke- und EWP-Chef bleiben soll – obwohl die Frage im Raum steht, ob Böhme nicht von den stetig erhöhten Gehältern und Boni für die Step-Mitarbeiterin gewusst haben müsste. Böhme selbst weist dies laut der Prüfberichte zwar zurück – er „müsse nicht alles wissen“ –, allerdings gibt es seit 2012, Böhmes Antrittsjahr, einen sogenannten Bezügebericht für die Step, erstellt damals von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Darin werden die Bezüge der Geschäftsführer und der besagten Mitarbeiterin aufgeführt. Sie ist die einzige neben den Chefs, die außertariflich entlohnt wird.

Noch mehr Hintergründe zum Fall Petra V., hohe Vergütungen und den Untreueverdachten gegen einen Stadtwerke-Manager lesen sie in den POTSDAMER NEUESTE NACHRICHTEN.

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