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Die Vorschläge der „Konferenz zur Zukunft Europas“ sollen abschließend unter anderem dem Europaparlament vorgelegt werden.

© EU-Parlament

Europas Demokratie-Experiment: Potsdamerin redet bei Zukunft der EU mit

Die Schauspielerin Nicola Ruf arbeitet mit an Vorschlägen zur Verbesserung der Europäischen Union Die Umsetzung ist aber fraglich.

Potsdam - Was soll die Europäische Union gegen den Klimawandel tun? Wie kann sie demokratischer werden? Und wie soll sich Europa gegenüber Geflüchteten verhalten? Schwierige Fragen, über die wohl viele Menschen in der EU gern mitbestimmen würden. Tatsächlich tun viele Bürger:innen gerade genau dies und eine Potsdamerin gehört zu den rund 800 Menschen, die ausgewählt wurden, Vorschläge zur Verbesserung der EU zu erarbeiten: Die 43-jährige Schauspielerin Nicola Ruf nimmt an einem von vier Bürgerforen teil, die Teil der ersten „Konferenz zur Zukunft Europas“ sind.

„Der Anruf kam quasi aus dem Nichts“, sagt Ruf. „Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, dass ich jetzt bei der Zukunft Europas mitreden darf.“ Im Frühjahr 2021 erhielt sie einen Anruf, ob sie teilnehmen wolle. Sie sagte zu, obwohl sie keine Vorstellungen hatte, was bei der Konferenz herauskommen sollte: „Ich hatte keine konkrete Erwartung, aber es klang sehr verlockend“, sagt Ruf.

Die Potsdamer Schauspielerin Nicola Ruf
Die Potsdamer Schauspielerin Nicola Ruf

© privat

Die Auswahl für die Foren geschah nach dem Zufallsprinzip, es wurde aber darauf geachtet, dass genauso viele Männer wie Frauen vertreten sind, ebenso viele Alte wie Junge, verschiedene Bildungsgrade und es eine gleichmäßige Verteilung von Menschen aus allen EU-Staaten gibt. Je 200 Menschen nehmen an den vier Bürgerforen teil, die in Kleingruppen von 16 Personen an einzelnen Themen arbeiten. Dabei werden sie von Expert:innen unterstützt.

Ideen sollen in einem Plenum ausgewertet werden

Das Thema von Rufs Gruppe war die Digitalisierung der Arbeitswelt: „Es ging unter anderem darum, wie man in allen EU-Staaten das Recht auf Homeoffice-Pflicht regeln könnte, oder wie man seine persönlichen Daten im Netz vor dem Zugriff großer Konzerne schützen kann“, sagt Ruf. Auch der Wegfall von Jobs durch die Digitalisierung wurde diskutiert: „Wie kann man Weiterbildungsmöglichkeiten für Menschen schaffen, die ihre Jobs deswegen verlieren, etwa durch EU-Plattformen, die Zugang zu Schulungsprogrammen ermöglichen?“

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Jedes Forum trifft sich dreimal: „Unser erstes Treffen war in Straßburg, das zweite fand online statt“, sagt Ruf. Das dritte und letzte, bei dem konkrete Handlungsempfehlungen festgehalten werden sollen, wird Ende Februar sein. Alle Ideen sollen in einem Plenum ausgewertet werden. Das Plenum, das unter anderem aus 108 Mitgliedern des Europäischen Parlaments, 108 Bürger:innen aus den Bürgerforen und 108 Vertreter:innen aller nationalen Parlamente bestehen soll, wird dann einen Abschlussbericht verfassen, der der Europäischen Kommission, dem Europäischen Rat und dem EU-Parlament vorgelegt werden soll.

Es ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang, denn die Vorschläge, die im Abschlussbericht stehen werden, haben keine bindende Wirkung. „Wir wissen noch nicht, ob sich die EU-Institutionen an ihr Wort halten werden“, sagt Walter Liedtke von der Medienkommunikationsagentur Pressto, die die Konferenz in Deutschland begleitet. Immerhin hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) im Vorfeld betont, dass sie den erarbeiteten Empfehlungen folgen wolle: „Ich bin bereit, das Vereinbarte weiterzuverfolgen, einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen, sofern diese erforderlich sind.“ Auch für Vertragsänderungen sei sie offen.

Vorbehalte im Europäischen Rat

Anders sieht es im Europäischen Rat aus, wo die nationalen Staats- und Regierungschefs sitzen: Dort gibt es Vorbehalte dagegen, wie weit der Einfluss der Bürger:innen reichen sollte. Dabei ist die Konferenz eine Reaktion auf die häufige Uneinigkeit in der EU und auf den Brexit: Durch sie sollen neue Antworten auf die Probleme Europas gefunden werden.

Für Nicola Ruf ist die Konferenz schon jetzt ein Erfolg: „In den Foren haben Bauern aus Flandern mit Gastronomen aus Frankreich und Studenten aus Lettland miteinander gesprochen, die Altersspanne reichte von 16 bis 80 Jahren“, sagt sie. Dank des EU-Dolmetscherdienstes konnten Menschen aus 16 Ländern über Zukunftsthemen diskutieren: „Gerade während Corona war es für mich großartig, die Diversität all dieser Menschen live miterleben zu dürfen. Es war eine unglaublich positive Erfahrung davon, was Europa sein kann“, sagt Ruf. 

Für viele sei es das erste Mal gewesen, so in der Öffentlichkeit sprechen zu dürfen: „Das Ganze hat mir Hoffnung gegeben, dass sich die Zukunft Europas in eine sehr positive Richtung entwickeln kann.“ Sie hofft, dass die Konferenz nicht einmalig bleibt, sondern die Bürgerforen eine regelmäßige Institution werden, die die EU-Politik berät: „Quasi als eine feste Lobby für Bürger“, sagt Ruf.  

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