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Etwas HELLA: Heiße Ideen und kalte Füße

Meine Freundin kam ganz aufgeregt zu mir. „Ich habe eine Wohnung ergattert“, erzählte sie.

Meine Freundin kam ganz aufgeregt zu mir. „Ich habe eine Wohnung ergattert“, erzählte sie. „Stell dir vor, sie ist bezahlbar, gut geschnitten und liegt auch noch verkehrsgünstig an einer Straßenbahnhaltestelle.“ Natürlich war das keine im Nobelviertel am Jungfernsee. Erstens sind die noch gar nicht fertig und zweitens fehlt ihr das nötige Kleingeld. Sie hat auch keine Lust, 600 Euro für einen 48 Quadratmeter großen Schuhkarton im Bornstedter Feld zu zahlen, weil ihr dann nämlich die Lust am Leben vergehen könnte mit den paar Mäusen, die sie danach noch in der Tasche hat. Aber 400 Euro kalt kann sie ihrem neuen Vermieter überweisen, die bald freundlicher berechneten Kitagebühren für die Töchter bezahlen und sogar hin und wieder ins Konzert gehen oder sich einen hübschen Fummel kaufen. Aber bis sie das Glückslos gezogen hatte, das dauerte, kostete sie viel Charme und – man kann es nur hinter vorgehaltener Hand sagen – auch etwas Protektion.

Als Zille einst schrieb: „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt“, da hatte er zwar weit gruseligere Umstände vor Augen als heute. Die Wohnbedingungen in den Hinterhöfen der Berliner Mietskasernen waren tatsächlich Totschlagargumente, aber auch heute ist es nicht lustig, auf Wohnungssuche zu gehen und zwischen mangelndem Komfort und unbezahlbarer Miete hin- und herzuschwanken. Ein paar Glückslose scheinen aber immer noch im Vermietertopf drin zu sein.

Trotzdem muss umgedacht werden, damit in Potsdam zum Schluss nicht nur Platz ist für die Schönen und Reichen sowie ein paar Alteingesessene wie mich, die in ihrer Wohnung hocken wie die Glucke im goldenen Nest, das sie seit über 30 Jahren verteidigen. Wir wollen doch auch die jungen Familien als brave Steuerzahler und Rentenerwirtschafter haben und es sollte sogar Platz sein für so halsbrecherisch Mutige wie meine alleinerziehende Freundin mit zwei Kindern.

Apropos Nest – es gibt unter anderem ältere Menschen oder Geschiedene, die bereit wären, aus ihren großen Wohnungen auszuziehen, wenn man ihnen diese Tat versüßen würde mit einer preiswerten, renovierten kleinen Wohnung, statt immer gleich bei jedem Umzug eine Mietsteigerung draufzuhauen. Doch dieser Gedanke - schon öfter ausgesprochen - findet offenbar keinerlei Widerhall. Zuschüsse zum Wohnungsbau sollten ebenfalls kein Tabu und schon gar kein Schreckgespenst für Verwalter öffentlicher Mittel sein. Wir hatten nach dem Krieg einen sozialen Wohnungsbau, der den Namen wirklich verdiente. Wieso nicht jetzt, da wir reicher und viel besser mit Mitteln ausstaffiert sind?

Die Wortkopplung „alternatives Wohnen“ sollte ebenfalls nicht gleich Haarausfall und Herzinfarkte auslösen, sondern durch- und bedacht werden. Ich würde ja zum Beispiel meinen Garten für einen Studentenbungalow mit Dusche, Kochnische und Klo verkleinern, denn die armen Studies sind bei der Wohnungssuche auch übel dran. Das allerdings darf ich nicht. Ich – nein pardon – mein gesamtes Wohngebiet steht nämlich unter Denkmalschutz.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam

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