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Etwas HELLA: Ätschi-Bätschi und abgepollert

Da bin ich also doch noch up to date oder – anders ausgedrückt – auf der Höhe der Geschehnisse. Ich dachte schon, meine notorische SPD-Wählerei wäre ein Auslaufmodell.

Da bin ich also doch noch up to date oder – anders ausgedrückt – auf der Höhe der Geschehnisse. Ich dachte schon, meine notorische SPD-Wählerei wäre ein Auslaufmodell. Und nun bekommen die Genossen lauter Lob und offerieren wahre Lehrstücke für vernünftiges demokratisches Verhalten auf Bundesebene wie in Potsdam lokal. Man traut ihnen auf einmal sogar zu, dass sie ihre Partei neu erfinden. Vielleicht auch mit einer Mutti an der Spitze, die dem Bundestag hin und wieder Ätschi-Bätschi-Sprüche anbietet oder Kinderlieder vorsingt?

Na, ganz so weit sind wir noch nicht, aber in Potsdam rückt ein SPD-Oberbürgermeister in greifbare Wahlnähe und bis Oktober können wir uns jetzt ausdenken, was wir alles von ihm erwarten. Zum Beispiel den Zuzug in geordnete Bahnen zu lenken. Das dürfte vielen Potsdamern gefallen und nicht nur den Alteingesessenen, sondern allen, die bereits ein warmes, trockenes, mietfreundliches Plätzchen an den Ufern der Havel ergattert haben. Denn wer hat, der hat. Wie aber kann man den Zuzug drosseln?

Möglichkeit eins: Wir machen Potsdam unattraktiver und zeigen es statt im Licht wieder in archaischer Finsternis. Dazu werden die Kultur- und Amüsierangebote eingeschränkt. Möglichkeit zwei: Wir besinnen uns auf alte DDR-Praktiken. Potsdam verordnet wie einst in den 1960er-Jahren einen Zuzugsstopp. Ausnahmen sind genehmigungspflichtig durch das Wohnungsamt und dort muss man einen Potsdamer Ehepartner oder einen wichtigen Job nachweisen. Wobei Letzteres sicher Ansichtssache ist. Gehören im Digitalzeitalter Zeitungen noch dazu? Oder wir pollern alle Zufahrtswege ab und nur Potsdamer und die Feuerwehr bekommen einen Pollerumlegeschlüssel.

Ob Abpollern die Lösung ist, wird im Kleinversuch in der Teltower Vorstadt erprobt. Dort soll die Kolonie Daheim vor dem Neubaukomplex am ehemaligen Straßenbahndepot in der Heinrich-Mann-Allee geschützt werden. Die Straßen, so alt wie die um 1900 herum erbaute heimelige Kolonie, werden zum Neubaugebiet hin abgepollert und bleiben im Denkmalschutzzustand. Die Neuen mit ihren Autos dürfen nur zur Heinrich-Mann-Allee raus, was sie wenigstens in den kilometerlangen Feierabendstau eingemeindet. Dass der Marktplatz im Neubaugebiet ein kleines Zentrum für die Teltower Vorstadt wird – so etwa gibt es da nämlich nicht –, geht natürlich auch nicht! Da muss man nun wieder die Neubaubewohner vor den Drumherumwohnenden schützen.

Ist das Abpollern erfolgreich, sollte es in der ganzen Stadt Schule machen. Ortszentrum Bornstedt – sollten die jemals eines kriegen – abpollern nach Bornim hin und zur Innenstadt. Der Markt am Kirchsteigfeld: abpollern Richtung Drewitz. Das schränkt Schleichverkehre ein und verhindert, dass zusammen kommt, was nicht zusammen wohnt. Den Stadtkanal, der ja noch in diesem Jahrhundert in ganzer Länge wiedererstehen soll, würde ich rundherum abpollern. Die Dinger kann man dann als Kanalbefürworter sponsern. Das finde ich, sind lauter gute Ideen, denn ich bin ein Potsdamer und damit berechtigt, unvernünftige Forderungen zu stellen.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam

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