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Es leuchtet jahrelang: Denkmal für Potsdamer Demokratie-Bewegung wird enthüllt

Der Künstler Mikos Meininger enthüllt am Mittwoch das Denkmal für die Demokratiebewegung von 1989. Wegen der Coronakrise aber nicht ganz so wie geplant.

Von Carsten Holm

Potsdam - Er ist mit jeder Faser seines Herzens Künstler, und dazu gehört es wohl auch, frisch verliebt zu sein in ein neues Schaffenswerk. Die Herbstsonne hüllt das Denkmal für die Demokratiebewegung von 1989 in ein warmes Licht, als Mikos Meininger am Dienstag auf dem Luisenplatz steht und auf die große Arbeit schaut, die er mit dem Architekten Frederic Urban, 50, kreiert hat. Er erzählt: „Einige Losungen aus der Zeit der großen Proteste haben wir in die beschrifteten Bodenplatten aufgenommen. ,Demokratie – jetzt oder nie’ etwa oder ,Ein freies Land mit freien Menschen’“. Und dann gerät der 57-jährige Meininger ins Schwärmen: „Das Schönste ist, dass sie bei Dunkelheit aufleuchten wie Glühwürmchen – jahrelang!” Er strahlt. Er versucht, seinen Stolz zu zähmen. Dann sagt er fast demütig: „Es ist ja das erste Denkmal, das ich machen darf.”

Am Mittwoch, dem 31. Jahrestag der größten Potsdamer Demonstration, die am 4. November 1989 stattfand, will Meininger das Denkmal auf der Nordseite des Luisenplatzes enthüllen. Corona verdirbt auch hier den Spaß an der Zeremonie, es werden ab Mittag ein paar Freunde kommen, und gegen 19 Uhr will die Berliner Soul-Musikerin Mel Maul zur Gitarre singen. Das ursprünglich vorgesehene Gastspiel der legendären DDR-Band „City” muss wegen der Pandemie ausfallen. Meininger ist mit Georgi Gogow, dem „Gesicht” der Band befreundet, der virtuose Geiger und exzellente Bassist hatte ihm zugesichert, zur Denkmalenthüllung nach Potsdam zu kommen.

Phosphoreszierendes Kunstharz wird noch verfüllt

Wiederum wegen Corona ist das zwei Meter breite und zehn Meter lange Denkmal noch nicht ganz fertig geworden. Zum Vorschein kommen wird am Mittwoch das rostfarbene Eisen der Bodenplatten, die Sprüche von Plakaten und Transparenten jenes historischen Tages aber, die etwas tiefergelegt sind, kann Meininger erst am Donnerstag mit phosphoreszierendem Kunstharz auffüllen. Es wird die übergroßen Zahlen, die das Jahr 1989 verkörpern, bei Dunkelheit für das Auge verschwinden lassen, während die Texte in orangenen Tönen leuchten. Wann wird die Leuchtkraft schwächer? Nach ein paar Monaten? „Ach”, sagt Meininger, „nach Jahren. Nach vielen, vielen Jahren.” Das Kunstharz brauche, so der Künstler, drei bis vier Tage Trockenzeit, um unempfindlich gegenüber der Witterung zu werden. Solange werde das Denkmal mit einem Zelt abgedeckt.

Meininger hatte nur ein halbes Jahr Zeit für das Denkmal, das sich die Stadt rund 120.000 Euro kosten lässt. „Das ist nicht viel, das war sportlich”, erzählt er. Sechs Tage schuftete er jede Woche, und mitunter galt es, unerwartete Probleme zu lösen. Beim Fräsen der Buchstaben in die Modellplatten aus Holz und Pappmaché etwa stellte sich heraus, dass sich einige leicht verzogen hatten. „Das merkt der Fräser sofort”, sagt Meininger. Schlimm erwischte es die große Ziffer Acht, sie hatte plötzlich die Form einer Schale und hätte sich auf dem Luisenplatz neben den plan aufliegenden übrigen Ziffern der Jahreszahl nicht wohl gefühlt: „Bei einer Temperatur von knapp 1000 Grad wurde das gerichtet”, sagt Meininger. Ohne die Hilfe der Potsdamer Druckerei Print1, der Berliner Gießerei Markus Behr und den Pflasterarbeiten von „Rack Brandenburg” aus Radeburg „hätten wir das alles nicht rechtzeitig schaffen können, das sind nicht nur Handwerker, das sind auch Künstler”.

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Sichtbar wird auch schon am Mittwoch ein anderes Element des Denkmals sein. Meininger hatte Teilnehmer der Demonstration vom 4. November gebeten, in seinem Atelier im Kunsthaus Sans Titre an der Französischen Straße Schuhabdrücke zu hinterlassen, die er in die Bodenplatten einarbeiten wollte. 107 sind es geworden, die nun auf dem Luisenplatz im Wortsinn verewigt wurden. Das Profil der Schuhe hatte er in Pappmaché gepresst und dann in die Stahlplatten eingebracht.

Familie wieder vereint mit Schuhabdrücken im Denkmal

Wie bereits berichtet erzählen dabei vor allem drei Schuhabdrücke eine anrührende Geschichte. Der Lehrer Andreas Streitz, damals 25 Jahre alt, schob – wie ein Foto zeigte – seinen dreieinhalb Wochen alten Sohn Benjamin beim Großprotest durch die damalige Klemens-Gottwald-Straße, die heutige Brandenburger Straße. Streitz erlag 2015 einem Hirntumor, aber seine Frau Petra Walter-Streitz, die ebenfalls zu den Demonstranten gehörte, brachte Meininger im Juli einen Wanderschuh ihres Manns. Die Familie ist jetzt im Denkmal für 1989 wieder vereint. „Auf der oberen rechten Ecke der Ziffer neun ist der Schuhabdruck von Petra“, sagt Meininger. „Daneben, bei der Acht, der Abdruck ihres Manns. Und gleich links daneben der des Sohns.”

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